Es soll Leute geben, die doch tatsächlich mit Riesling feiern. Genau, Riesling, das ist diese säuerliche deutsche Varietät. Geschehen beispielsweise vor gut zwei Wochen bei der Riesling-Gala auf Kloster Eberbach. Weil mir das (nur unter uns) gar nicht so schlecht gefallen hatte, habe ich mir überlegt, die Zeit bis Weihnachten mit der kleinen Rubrik »Festliche Weine« zu füllen. Erste Etappe: die Riesling-Gala selbst nachbauen. Dafür habe ich vier Rieslinge des Jahrgangs 2008 aus dem Keller geholt und probiert. Seht also selbst, wie es mir im Kloster und bei der Probe ergangen ist.
Riesling-Gala 2023 auf Kloster Eberbach
Alle Jahre (wenn nicht gerade wieder irgendwas dazwischenkommt) findet die Riesling-Gala im Laiendormitorium auf Kloster Eberbach statt. Jedes teilnehmende Rheingauer VDP-Weingut besitzt dabei einen eigenen Tisch, an dem man Plätze buchen kann. Zusätzlich gibt es je Weingut einen Gastwinzer. Für alle gleich ist hingegen das Menü, das aus sechs Gängen meist sterne-bekrönter Kochkünstler*innen besteht. Zu jedem Gang werden zwei unterschiedliche Rieslinge gereicht, einer des Gastgebers und einer des Gasts. Weil es sich allerdings mit den vielen Weinleuten ein bisschen (sagen zumindest die Winzer selbst) wie ein großes Klassentreffen anfühlt, wird zwischen den Gängen viel herumgelaufen, geplaudert und probiert. Den ganzen Nachmittag lang.
Ich saß bei der Riesling-Gala am Tisch von Kloster Eberbach, also dem Gastgeber-Gastgeber. Dass meine Nachbarin Kellermeisterin Kathrin Puff war, nehme ich durchaus persönlich, vielen Dank dafür! Die Eberbacher hatten sich mit Roman Niewodniczanski einen nicht ganz unbekannten Gastwinzer eingeladen, so dass ich richtig schöne Rieslinge probieren konnte. Mein persönliches Highlight waren diese beiden Exemplare, schnöderweise direkt im Kühlschrank fotografiert. Zweimal 2019, zweimal groß, zweimal noch ziemlich jung. Der Scharzhofberger P(ergentsknopp) von Van Volxem zeigte sich dabei erstaunlich klassisch, fast dezent in seiner Aromatik, tief angelegt, langlebig.
Ziemlich kontrastreich und ausgesprochen interessant kam Eberbachs Wild Ferment daher. Falls ihr davon noch nie gehört habt, ich habe das Konzept mitsamt vier Jahrgängen vor ein paar Monaten hier vorgestellt. Das ist so expressiv, reduktiv, intensiv, ich fühlte mich irgendwie an den großen Knewitz-Chardonnay erinnert. Natürlich, sowas Wildes muss man mögen. Aber ich mag es, und vielen diesseits der 70 erging es ebenso.
Riesling-Gala Food & Feier
Jeden einzelnen Gang der Riesling-Gala möchte ich hier nicht featuren, zumal es ja ein Come-Together-Event war und keins, bei dem man sich für ausgiebige Testdurchgänge in einer Ecke verkriecht. Mein Gang-Favorit war gleich der erste von Erik Arnecke (Restaurant Philipp Soldan, Frankenberg) mit Tatar, Austernmousse, Kaviar und Petersiliensaft. Kloster Eberbach hatte als Begleitung den 2020er GG Baikenkopf am Start, einer meiner persönlichen Lieblinge der gesamten Kollektion. Van Volxem setzte den 2020er GG Goldberg dagegen.
Als Wein ist mir der Baikenkopf mit seiner schlanken, kühlen, schiefrigen Art lieber. Der Goldberg zeigt sich dagegen viel parfümierter, kräftiger und scheint auch ein bisschen mehr Restsüße mitzubringen. Beim Essen wandelt sich allerdings das Bild. Der Baikenkopf bleibt distanziert und begleitet sehr dezent die Aromen des Gangs. Der Goldberg hingegen bietet einen Kontrapunkt, polarisiert, wirkt herausfordernder. Funktionieren tut beides, aber vielleicht bin ich heute geschmacklich mehr auf Spannung aus.
Vor der Riesling-Gala gab es übrigens ein Stelldichein im Hof mit Horngebläse und bekannten Gesichtern wie hier Kathrin Puff und Nicole Retter. Gute Stimmung unter den 700 Gästen, feines Essen und Trinken, so manch interessante Info, ich hätte durchaus noch länger bleiben können. Aber weil in Stuttgart die Perspektive Wein auf mich wartete, musste ich die gastlichen Räumlichkeiten bereits vor dem letzten Gang verlassen. Ja, vor dem Eiswein, vor der TBA aus dem Scharzhofberg und wahrscheinlich noch so manchem Goodie, das man lieber nicht auf die Ankündigungsliste geschrieben hatte…
Alte Schätzchen – Riesling 2008
Weil ich aber dank der Riesling-Gala auf den Geschmack des, ja, des Feierns auch, aber vor allem des Rieslings gekommen war, wollte ich das bei mir ein bisschen nachstellen. 2008 war ein eher kühles Jahr, das im Allgemeinen eher zarte Rieslinge hervorgebracht hat. Diese Stilistik kam mir entgegen, und sie tut es immer noch. Deshalb hatte ich seinerzeit eine ganze Reihe bekannter und geheimtippiger Rieslinge eingekauft. Von einigen hatte ich hier auf dem Blog schon berichtet (sucht mal nach »Riesling 2008«, es sind mittlerweile sechs Quertest-Artikel). Hier folgt also meine kleine private Riesling-Gala und 2008er Quertest Nr. 7.
Emrich-Schönleber/Nahe – Riesling Monzinger Halenberg trocken
Genau dieser Wein hatte vor fast zehn Jahren seinen Flight gewonnen. Ganz gegen meine Gewohnheit besaß ich davon zwei Flaschen, also konnte ich sie mit hineinnehmen. »Halgans« heißt der Wein mittlerweile, mit 21,50 € ab Hof ist er übrigens kaum teurer geworden. Zum Monzinger Halenberg an sich muss man glaube ich nur wenig sagen. Wesentlich kleiner und homogener als das Frühlingsplätzchen, auch ansonsten top, neigt leider ein bisschen zur Sommertrockenheit. Aber das war 2008 noch nicht so das große Thema.
Im Glas ist das der mit Abstand hellste Wein, so hell sogar, als würde er aus einem aktuellen Jahrgang stammen. Frisch im Glas perlt der Halenberg sogar noch leicht. Und, was soll ich sagen: auf seinem Höhepunkt, seit wahrscheinlich einem Jahrzehnt. Saftig, Zedratzitrone, idealtypisch Riesling, relativ leichtfüßig gehalten, präsente Säure, präsentes Restzuckerschwänzchen allerdings auch. Fast alle Welt liebt solche Rieslinge. Natürlich ist das kein Monster an Tiefe, aber schlicht saftig, reif und lecker.
Pichler-Krutzler/Wachau – Riesling Wunderburg
Zweiter Wein im Test: die Wunderburg von Pichler-Krutzler. Die Wunderburg ist eine ehrlich gesagt sehr kleine Sublage des Dürnsteiner Kellerbergs, weshalb der Ertrag mittlerweile (soweit ich weiß) auch in Letzteren geht. Am 20. November (!) gelesen, knapp zehn Stunden Maische, dann Spontangärung und Ausbau im Edelstahl. Schon damals ein ziemlich wertvoller Wein, 32 € hatte ich dafür hingelegt.
Allein farblich sind wir hier in einer anderen Kategorie als beim Halenberg. Das zeigt auch die weitaus dunklere Nase, die älter, reifer, tiefer und malziger daherkommt. Das einzige, was die beiden Weine eint, ist ihr Restzuckergehalt, der ähnlich hoch liegen dürfte. Ansonsten gibt es hier viel mehr Orange, Orangenschale auch, viel Ausgewogenheit, vielleicht gar ein erdiger Einschlag. Mit 13,5 vol% ein Prozentpunkt über dem Halenberg, und das merkt man der ganzen Erscheinung an.
Zusslin/Elsass – Riesling Bollenberg
Der Bollenberg besteht aus drei Hügeln zwischen Westhalten und Orschwihr, und obendrauf befindet sich ein ziemlich ausgedehntes und auch ziemlich einmaliges Trockenrasengebiet. Ein bisschen erinnert es mich deshalb an die Kleine Kalmit, nur halt fünfmal so groß. Die Domaine Zusslin ist ein Klassiker im Elsass: seit 1691 in Familienbesitz, seit 1997 biodynamisch bewirtschaftet. Den Wein hatte ich damals für grotesk günstige 12,50 € erstanden, mittlerweile ist er mit 27,50 € dort angekommen, wo seine Mitbewerber auch liegen.
13,5 vol% haben wir auch hier, aber schon in der Nase kann man spüren, was dabei eine Rolle gespielt haben dürfte. Der Bollenberg besitzt nämlich mit seiner gereiften Honignote einen deutlichen Botrytisanteil. Auch im Mund sind wir hier in einer anderen Welt. Weder Stärke noch Restsüße drängen sich als Elemente auf, sondern der Wein wirkt im Gegenteil unheimlich straff, säurebetont, fast sehnig. Es hört sich komisch an, aber wenn man sich die Botrytis wegdenkt, sind wir hier eher bei dem gerade richtig angesagten Riesling-Purismus. Die Aromenfarbe geht wieder in Richtung Zitrone, der Wein wirkt kühler und alles andere als überlagert. Das ist wirklich stark, da hätte ich gern mal den Grand Cru Pfingstberg vom selben Weingut.
Zimmerling/Sachsen – Riesling Pillnitzer Königlicher Weinberg R
Zum Schluss, tja, immer noch so etwas wie ein Exot. Riesling aus Sachsen. Zwar ist der Riesling mittlerweile die wichtigste Rebsorte an der Elbe, aber mit gerade einmal 67 ha kommen die Sachsen über alle Weingüter hinweg auf weniger Flaschen als das Monzinger Frühlingsplätzchen allein. Immer ein Hingucker sind bei Klaus Zimmerling die Etiketten seiner Frau Małgorzata Chodakowska. 20 hl Hektarertrag, im Boden mit dem Zweiglimmergranodiorit auch ein eher seltenes Schätzchen. Mit anderen Worten: Ich war sehr gespannt.
Schon beim Öffnen denke ich allerdings, hm, sitzt der Kork nicht ein wenig locker in der 0,5-Liter-Flasche? Es folgen eine fast in Richtung Amber tendierende Farbe, Kellermuff in der Nase und ein sowas von eindeutiger Kork, puh. Sehr sehr schade. Soweit ich weiß, verwendet Klaus Zimmerling mittlerweile Schrauber auch für seine hochwertigen Weine. In diesem Fall wäre das die Rettung gewesen. Was ich allerdings neben dem Kork wahrnehmen kann: Der Sachse hätte weniger Säure und mehr Süße gehabt als seine drei Brüder, eher in Richtung feinherb. Aber gut, so ist es halt.
Fazit Riesling-Gala zum Fest
Jajaja, ich weiß. Würde man mich nach meinen beiden weißen Lieblingssorten fragen, würde ich aus regionalen Gründen natürlich den Silvaner und aus objektiver Neigung (äh) den Chenin Blanc nennen. Aber niemand, der weinmäßig halbwegs bei Verstand ist, kann den Riesling ausklammern, wenn es um Topsorten geht. Genau das beweist er hier gleich doppelt.
Bei der Riesling-Gala hatten die Weine a) zu brillieren und b) mit Speisen zu harmonieren. Gerade letzteres finde ich besonders herausfordernd bei einer Rebsorte, die doch eher exuberant daherkommt. Tatsächlich aber (und das hat mich selbst gewundert) fand ich die ausdrucksstärksten Rieslinge am spannendsten für die einzelnen Gerichte. Nur einmal, als ein Gang namens »Pot of Thailand« von den Weingütern scharf gedacht wurde, sich aber als wunderbar mildwürziger Sud entpuppte, funktionierte das nicht ganz so perfekt. Ansonsten aber: Ja, zur Not kann man auch etwas zum Riesling essen.
Meine eigene kleine Riesling-Gala sollte mich dann von der Haltbarkeit der Rebsorte überzeugen. Beim Sachsen war leider der Kork weniger haltbar als der Wein, und der Wachauer wirkte zumindest nicht mehr taufrisch. Der Halenberg hingegen ließ die Sonne lachen, das ist ein Leckerschmecker vor dem Herrn. Und der ernsthafte Elsässer war einfach von vornherein auf Haltbarkeit ausgerichtet. Festliche Weine Part I erledigt, würde ich sagen. Mal schauen, was noch kommt. Rein preislich wird es (Plan heute) übrigens von 2,19 € bis 1.400 € gehen. Feiern kann man ja sehr unterschiedlich…
Immer wieder interessant mitzubekommen, wieviel Feinde der Riesling hat. Zu sauer oder süß oder aromatisch/anstrengend/intensiv.
Zum Glück hat er noch wesentlich mehr begeisterte Freunde, in allen seinen Facetten. Welche Rebe kann sonst so viel (klar, Chenin Blanc)?
Naja, ich kann das schon verstehen, dass Riesling polarisiert. Es ist nun mal eine der fruchtbetontesten und säurereichsten Rebsorten. Das heißt (wenn wir nur mal bei Weiß bleiben), möchtest du einen Wein machen, bei dem du stärker mit dem Ausbau spielst, der aber aromatisch zurückhaltender sein soll, kommst du automatisch eher auf so etwas wie Chardonnay. Es ist halt eine andere Philosophie. Ich muss ja (um mal ein von mir oft verwendetes Beispiel zu nennen) die Musik von Beethoven nicht lieben, um anzuerkennen, dass es sich um große Kunst handelt. That having said, wenn es um fruchtsüße Weine geht, gerade um leichtfüßige, sehe ich tatsächlich kaum Konkurrenz…
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