[In Kooperation mit dem Weingut Kloster Eberbach] Der Eingang zum Weinparadies, so sieht er doch nach landläufigen Vorstellungen aus, oder etwa nicht? Eine alte Steinmauer umfasst den edelsten Teil der Weinberge, kultiviert bereits seit mönchischen Zeiten. Die Höhe von Mauer und Durchfahrt deuten darauf hin, dass wir es hier mit einem auch flächenmäßig bedeutenderen Weingut zu tun haben. Genauso ist es. Ihr blickt auf den Steinberg, eine der großen Lages des Rheingaus und Monopol von Kloster Eberbach. Viele haben über das Weingut schon berichtet, selten aber kamen solche Vokabeln darin vor wie »Experimentierfreude« oder gar »Wildheit«. Diesmal muss genau das aber sein. Und schuld daran ist der »Wild Ferment«…
Kloster Eberbach – Besuch im Steinberg
Bevor es aber in Gegenwart und Zukunft geht, erst einmal ganz weit zurück in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1136. Bernhard von Clairvaux gründete seinerzeit das Kloster Eberbach als Niederlassung der Zisterzienser. Alsbald begannen die aus dem Burgund entsandten Mönche mit dem Weinbau, so dass im Steinberg seit fast 900 Jahren Rebstöcke stehen. Im Jahr 1803 säkularisiert, gingen die Weinberge zunächst an den Herzog von Nassau, später an Preußen und 1945 schließlich an das neugegründete Bundesland Hessen. Seit 2003 hat der Staat Weinbereitung und Verkauf an eine GmbH abgegeben, deren Geschäftsführer mit Dieter Greiner der frühere Betriebsleiter ist. Mit dem bahnbrechenden Neubau der Steinbergkellerei im Jahr 2008 ist es mittlerweile möglich, die Erträge sämtlicher 218 ha quasi direkt in den Weinbergen zu verarbeiten.
Nicht zu allen Zeiten und bei allen Gelegenheiten lief es auf Kloster Eberbach immer ruhmreich ab. Manchmal gab es Munkel und Mankel, und auch qualitativ konnte die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht wirklich an die großen Zeiten anknüpfen. Vielleicht saß Dieter Greiner deshalb im Frühjahr 2018 in seinem Büro neben der Vinothek und grübelte darüber, wie man diesem Großbetrieb noch mehr Schwung vermitteln könnte. Vielleicht war es aber auch ganz anders. Fakt ist jedoch, dass am 1. April 2018 die Dame auf dem obigen Foto zunächst als Önologin auf Kloster Eberbach erschien: Kathrin Puff.
Ursprünglich aus der schönen Weinstadt Krefeld stammend, hatte Kathrin in Geisenheim studiert, später in Udine, arbeitete in der Toskana, ging kurz nach Neuseeland und dann nach – Thailand. Zehn Jahre leitete sie dort die Geschicke der Siam Winery von Khun Chalerm alias Chalerm Yoovidhiya, dem Mitinhaber von Red Bull. Klingt dieser Parcours nach der Behäbigkeit eines »weiter so wie immer«? Wohl kaum. Genau die Richtige also für Kloster Eberbach.
Was ist der Wild Ferment?
Schon in ihrem ersten Jahr begann Kathrin mit dem »same as it never was«. Steinberg-Außenbetriebsleiter Carsten Pfaff (übrigens auf dem Kloster geboren) war ihr Komplize dabei. »Ich habe zu Carsten gesagt, lass uns doch mal was ganz anderes machen«, erzählt sie, »ein bisschen so, wie es die Mönche früher gemacht haben – den Steinberg mit einem, tja, natürlicheren Wein glänzen lassen.«
Also gingen die beiden in das Gewann Hahnenschritt, aus dem ich das Foto oben aufgenommen habe. Dort wurden die Rieslingtrauben gelesen, als trüber Saft in einen Glasballon gegeben und jener wiederum an einer passenden Stelle mitten im Weinberg abgestellt. Die wilden Umgebungshefen des Weinbergs, nicht etwas des Kellers, machten sich nun ans Werk und ließen den Most angären. Wild Ferment eben.
Ein einziger Glasballon ist aber vielleicht doch etwas zu wenig. Deshalb diente der Inhalt nur als Grundlage für die beiden Barriquefässer. Aufgefüllt wurden sie mit dem Saft aus der eigentlichen Lese, die etwa zwei Wochen später stattfand. Alles blieb jedoch weit weg vom Keller und gärte in diesem kleinen Gebäude am Rand des Weinbergs zu Ende, der Alten Schmiede. Oder jedenfalls so lange, wie die wilden Hefen das wollten. 2018 war ein heißes Jahr mit viel Stoff, da blieb die Gärung bei etwa 10 g Restzucker pro Liter stehen. Bei anderen Jahrgängen wurde es trockener. Abgefüllt wird der Wild Ferment in eine Sechs-Liter- und ein paar Drei-Liter-Flaschen für die Versteigerung. Der Rest kommt in Magnums – kleiner geht’s beim Wild Ferment nicht.
Wild Ferment-Probe: 2018, 2019, 2020, 2021
So, jetzt wird’s wirklich exklusiv. Bei meinem Besuch auf Kloster Eberbach konnte ich nämlich alle bisherigen Wild Ferments probieren. 2020 und 2021 existieren nur als Fassproben, und 2022 gärt noch. Das sind definitiv Weine mit Zeit. Ob aber nur die Herstellungsmethode besonders ist oder ob sie auch besonders schmecken, darauf war ich wahnsinnig gespannt.
Wild Ferment 2018: Immer noch leicht hefig, geschmacklich der reifste Wein. In der Nase süße Zitrone und getrocknete Kräuter, Salbei, am Gaumen extrem viel Feuer, kraftvoll, gleichzeitig schmelzig. Die Fruchtsüße ist leicht spürbar, es gibt aber auch etwas Ätherisches, Eukalyptusartiges. Wirklich individuell und langsam zu genießen.
Wild Ferment 2019: Wow, der macht seinem Namen alle Ehre! Wilde Nase, ein bisschen Stinker, dazu Flieder, dann unheimlich viel Grünpikanz, extrem expressiv, da passiert wahnsinnig viel. Am Gaumen ist der Wein pikant, fordernd, gleichzeitig reif und mit einer grünen Kante wie Efeu und Engelwurz. Ein wahrhaft spannendes Produkt, nichts für Leute, die harmlosere Weine bevorzugen. Einer für Jahrzehnte.
Wild Ferment Fassprobe 2020: Das totale Kontrastprogramm und trotzdem alles andere als langweilig. In der Nase leicht rauchig, praktisch ohne Frucht. Im Mund vergleichsweise dezent, sehr fein und elegant, minimal Zimt vom Holz, die flächige Säure trägt allerdings auch hier. Weniger Extrakt als 2019, dafür salzig, straff und präzise.
Wild Ferment Fassprobe 2021: Rauchzitrone in der Nase, weniger Würze als 2020, dafür mehr grüne Kräuter. Jene scheinen ohnehin das Merkmal des Steinbergs zu sein. Am Gaumen noch leichter als 2020, mehr Holzeinfluss, frisch in Richtung Limette und Grapefruit, sehr schönes Potenzial in feinfruchtigem Stil.
Das sind großartige Rieslinge, die so gar nicht nach Konformität oder Marketing schmecken. Die Reifekraft des 2018ers, das brachial Langlebige des 2019ers, der präzise Fluss des 2020ers, die Frische des 2021ers – alles super individuell und nicht »bloß« der Deckel auf dem GG-Topf. Gratulation, ganz objektiv!
Assmannshäuser Höllenberg – der zweite Gigant
Das Weingut Kloster Eberbach ausschließlich auf den Riesling und Kloster Eberbach selbst zu reduzieren, wäre ein Fehler. Deshalb folgen jetzt noch zwei meiner Lieblingsweine aus dem großen Portfolio. Gut, der Steinberg mit seinen 32 mauerumschlossenen Hektaren ist natürlich schon eine Ansage und gemeinsam mit Kloster selbst und Vinothek selbstverständlich einen Besuch wert.
Rein optisch noch spektakulärer zeigt sich jedoch der Assmannshäuser Höllenberg. Ums Rüdesheimer Eck herum schon fast im Mittelrhein, ist hier jeder einzelne Meter extrem steil. Im Seitental befindet sich die ebenfalls zu Kloster Eberbach gehörende Domäne Assmannshausen, die aus dem Höllenberg seit Jahrhunderten Spätburgunderweine holt. Vor einiger Zeit war ich bei einer Verkostung, bei der ich Exemplare bis zum Jahrgang 1882 probieren konnte. Zeitreisend und beeindruckend, lest meinen Bericht darüber.
Die neuen Höllenberg-GGs sind seit der Ankunft von Kathrin Puff deutlich präziser, kühler und nachhaltiger geworden. Bei den heißen Jahrgängen 2018 und 2019 ging es ja tatsächlich darum, die Hitze dieser Schieferhalde ein wenig zu bändigen, damit Frucht und Feinheit ihren Weg finden. Herausforderung angenommen und bewältigt, würde ich sagen. Ohnehin bin ich ja nie ein großer Freund hochprozentiger und röstnotengeprägter Spätburgunder gewesen, denn wenn eine Rebsorte Eleganz in Großbuchstaben schreiben kann, dann diese. Insofern gefällt mir der aktuelle Höllenberg mit seinem pikanten, schwarzkirschigen Fruchtkern und der hohen Ausgewogenweit ausgezeichnet. Wer dasselbe in einer früher zugänglichen Version haben möchte, es gibt auch eine »B-Version« aus Erster Lage namens Crescentia (24 € im Online-Shop), die ich wärmstens empfehlen kann.
Noch mehr Zukunft in Kloster Eberbach
Kathrin sagte mir bei unserem Gang durch den Steinberg, dass sie aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung in den letzten Jahren nur noch die Schattenseite über den Trauben entblättern würde. Damit vermeidet man Sonnenbrand, eine nicht zu unterschätzende Gefahr in heutigen Zeiten. Auch ansonsten schreitet Kloster Eberbach langsam aber stetig in Richtung Zukunft. Begrünt sind die Rebzeilen im Steinberg ohnehin alle, künftig soll der ganze Betrieb Rebsorte für Rebsorte auf biologische Bewirtschaftung umgestellt werden.
Da passt der neue Wein auf dem Foto oben perfekt ins Bild. Es handelt sich um die Cuvée Achtsam (9,80 € im Shop), die aus den Piwi-Rebsorten Muscaris und Hibernal besteht. Robust sind jene, was Pflanzenschutz fast überflüssig macht, und wenn man weiß, wie man damit umgeht, können die Weine aus ihnen auch sehr gut gelingen. Die Cuvée Achtsam ist meiner bescheidenen Meinung nach einer der schönsten Piwi-Weine, die ich je probiert habe. Logisch, sonst wäre es auch nicht mein Tipp. Es handelt sich um eine feinherbe Interpretation mit viel Frische und einer leichten Fruchtsüße. Ich rieche und schmecke Aromen nach Orangenblüte, Stachelbeere, Cassis, Jasmin – und zum Schluss kommt noch ein kleiner Bitterton nach Pampelmusen-Endocarp wie weiland in Hongkong. Das ist gleichzeitig lecker, floral und latent tropisch. Kein Wunder, dass Kathrin dazu »thailändische Gerichte mit mittlerer Schärfe« empfiehlt. Lasst euch einfach darauf ein.
Zum Schluss: Wie kommt man ran an den Wild Ferment?
Zum Schluss noch einmal zurück zum Wild Ferment, denn auch das ist natürlich eine Sache für die Zukunft. Warum? Weil die 2018er Ausgabe erst jetzt im September herauskommt (oben nochmal das Etikett davon) und der 2019er erst nächstes Jahr. Wenn ich von derartig spannenden, individuellen Weinen berichte, bleibt die Frage natürlich nicht aus, wie und wo man jene kaufen kann.
Genau das ist nicht so einfach. Die Mengen sind ja äußerst gering, die Besonderheit umso größer. Deshalb gibt es den Wild Ferment nicht im Online-Shop oder in der Vinothek. Im März bei der VDP-Versteigerung kamen in diesem Jahr zum ersten Mal fünf Doppelmagnums des 2018ers unter den Hammer. Gerechnet hatten die Eberbacher mit einem defensiven Taxpreis von 200 €, geworden sind es dann unglaubliche 1.500 €. Beim nächsten Termin am 2. März 2024 werden dann die 2019er versteigert. Vielleicht erreichen auch einige der in den nächsten Wochen erscheinenden »normalen« Magnumflaschen den Zweitmarkt, in einem Restaurant zum Beispiel. Wenn jemand von euch etwas darüber weiß, könnt ihr mich gern informieren.
Denn wie bereits geschrieben, der Wild Ferment ist nicht einfach ein Luxuswein, sondern auch geschmacklich ein explizites Statement. Nicht nur für Kloster Eberbach, nicht nur für den Rheingau, sondern (ich glaube, das muss man schlicht so unbescheiden sagen) für die gesamte Rieslingwelt.
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