[In Kooperation mit dem Weingut Waldemar Braun] Den besten Tag scheine ich mir nicht ausgesucht zu haben für meinen Besuch im Weingut Waldemar Braun. Eigentlich wollte ich schöne Sonnenschein-Fotos machen, und eigentlich wollte Patrick danach noch Reben pflanzen. Tatsächlich aber regnet es den ganzen Tag über, mal mehr, mal weniger. Morgens, als es weniger regnete, sind die Brauns trotzdem draußen gewesen und haben zumindest angefangen mit dem Pflanzen. Und auch jetzt fahren wir trotz allem in den Weinberg, denn hier bekommt man am meisten mit von der Philosophie des Weinguts. »Wenn du nur die Weine probierst«, sagt Patrick, »fehlt dir irgendwie die Hälfte«. Recht hat er.
Mit Patrick Braun im Weinberg
In Wirklichkeit macht der Weinberg zu dieser Jahreszeit sogar bei schlechtem Wetter bella figura. Alles ist ungeheuer grün, die Knospen sprießen, und fast könnte man das erste Mal zwischen den Zeilen mähen. »Ich wollte dir hier etwas Spezielles zeigen«, sagt Patrick und deutet auf einen Rebstock. Jener hat, nach der Kordon-Erziehung mit zwei Armen ausgestattet, jede Menge Knospen angesetzt, »Augen« auf Winzerisch. Patrick knipst mit den Fingern so viele Triebe ab, bis nur noch ein Trieb stehenbleibt, der unterste in der Achsel zwischen altem und neuem Holz.
»Das hat eine Menge Vorteile«, erklärt er. Zum einen treibt die Rebe bei der Kordon-Erziehung fast eine Woche später aus – gut bei Spätfrostgefahr. »Wenn ich jetzt jeweils nur ein Auge stehen lasse, haben wir nachher 40% weniger Ertrag, kleinere Trauben und Beeren, wir brauchen weniger Wasser und müssen keine Grünlese machen.« Alles top also, bis auf die geringere Menge. Aber bei einem Weingut, das auf Qualität setzt, ist das eh nicht so das Thema.
Die Reben für den Silvaner Quintessenz stehen hier an der Grenze zwischen Vögelein und Kreuzberg. Das Gelände ist ganz leicht in Richtung Nordwesten geneigt. Das hat den Vorteil, dass hier schön die Abendsonne drauf steht, aber ganz sanft, mehr indirekte Bestrahlung. Die Reben selbst sind 45 Jahre alt, »da brauchst du fast nichts zu machen«. Offenbar wissen sie selbst ganz gut, wie Silvaner geht.
Kleine Silvaner-Schau im Weingut Waldemar Braun
Das möchte ich natürlich ausprobieren und habe mir deshalb zwei Braun-Silvaner mitgenommen. Links seht ihr den »normalen« Vögelein-Silvaner des Jahrgangs 2022. Die Reben sind auch hier schon 40 Jahre alt, der Ausbau erfolgt aber ganz straight im Stahltank. »Für mich ist das der typische Nordheimer Silvaner«, mein Patrick, »apfelig, frisch, nicht gelbfruchtig oder gar tropisch.« Vor Corona ging fast die Hälfte davon nach Japan, und die Japaner sind ja nicht gerade für schlechten Geschmack bekannt. 11 € ab Hof übrigens.
Tatsächlich ist das ein ausgesprochen reintöniger Vertreter. Man spürt sofort die Muschelkalk-Mineralik, aber nicht zu streng, denn der warme Jahrgang hat dem Wein einen gewissen Schmelz mitgegeben. Schön trocken ist das Vögelein bei feiner Säureader, Walnuss, Birne, etwas Renette, ungemein sortentypisch, »einfach lecker«, wie wir Fachleute dazu sagen. Das Fläschchen besitzt die Neigung, sich schnell zu leeren.
Rechts daneben steht der Silvaner Quintessenz des Jahrgangs 2021. Hier ist wirklich alles anders. Der kühlere Jahrgang bringt eine frische, gar leicht grüne Kante mit, aber vor allem wurde der Wein ganz anders betreut. 45-50 hl/ha Ertrag bringen die alten Reben noch, also die Hälfte von dem, was sie hier dürften. Der Most wurde je zur Hälfte im Barrique, zur anderen im Stahl ausgebaut, die malolaktische Gärung wurde zugelassen, und zwecks Selbstfindung durfte sich alles ein ganzes Jahr auf der Vollhefe ausruhen. Die Füllung erfolgte erst jetzt im März. Patrick meint dazu, er möchte mit der Quintessenz zeigen, dass Nordheimer Silvaner auch ohne Südlage langlebig und nicht nur fruchtbetont sein kann.
Dieser Versuch kann als gelungen bezeichnet werden, würde ich sagen. In der Nase sind die laktischen Noten noch leicht spürbar, das Holz hingegen kaum, die Frucht eigentlich gar nicht. Weißdorn und Korianderkörner erschnuppere ich stattdessen. Im Mund kommt dann sofort ein ungemein gleitender Fluss und zugegeben deutlich mehr Druck, Dichte und Tiefe als beim einfacheren Wein. Das Holz dient dabei zur Strukturierung, weniger zur Aromatisierung. Die ganze Zeit gibt es ein spannendes Wechselspiel aus grünlich-pikanten und ruhig-reifen Noten. Das ist ein echt lagerfähiger Silvaner, der längst noch nicht all seine Geheimnisse preisgegeben hat. 22,50 € ab Hof.
Kellergeheimnisse
Gibt es denn auch Geheimnisse im Keller? Nun ja, ein bisschen. Das Kellergebäude liegt zwei Straßen entfernt vom Weingut im Ortskern, ein Neubau, teils in die Erde eingelassen. »Das war eine ganz schöne Investition für uns«, gibt Patrick zu, »aber es hat sich auch gelohnt. Hier gibt es einfach viel mehr Platz und bessere Bedingungen bei der Anlieferung«.
Neben den Stahltanks erspähe ich auch Holzfässer, was natürlich keine Überraschung ist, nachdem ich den Quintessenz-Silvaner probiert habe. »Allier Mi Fin 03« steht auf einigen. »Ja«, erklärt Patrick, »die stammen tatsächlich aus dem Jahr 2003. Mein Vater Waldemar hat die aber top-gepflegt, sieht man wahrscheinlich…« Sieht man in der Tat. Hat er selbst denn eine bestimmte Vorliebe bei den Fässern? »Also ich stehe unheimlich auf Allier-Eiche. Man hat mir mal gesagt, ich wäre Teil der Milupa-Generation«, grinst Patrick. Er mag den Holzeinfluss gern ein bisschen weicher, nicht so rauchig oder nach geschrotetem Kaffee, wie das andere Fässer zum Teil mitbringen.
Patrick und die Burgunder
Auch wenn das hier die Große Silvaner-Schau ist, muss man eins ehrlicherweise zugeben: Franken kann auch anders. Die Burgunderfamilie nimmt zwar bislang nur knapp 20% der Rebfläche des Weinguts Braun ein, mausert sich aber zunehmend. Also nochmal zurück in den Weinberg. Auf dem Foto seht ihr Weißburgunder-Reben, direkt links würde sich der Quintessenz-Silvaner anschließen. Auch hier sieht alles grün, gepflegt und durchdacht aus. »Das hat vor allem mit Udo und Marcel zu tun«, sagt Patrick. Udo und Marcel? »Ja, Vater und Sohn, sie heißen auch Braun, aber wir sind nicht wissentlich verwandt. Vor 20 Jahren kam Udo auf uns zu. Er hatte 6 ha Rebflächen geerbt, aber keine Lust auf Kellerarbeit. Seitdem arbeiten wir zusammen. Die organische Düngung mit Kompost, die Abkehr vom Glyphosat, die ganzen weinbaulichen Ideen, davon ist unheimlich viel auf Udos Initiative zurückzuführen.«
Und die Burgunder? »Mochte ich immer schon. 1995 hatten wir bereits mit Chardonnay angefangen, damals noch im Versuchsanbau. Aber ich muss zugeben, dass mir früher der Weißburgunder besser gefallen hat, weil der so fein und elegant sein kann. Meine Liebe zum Chardonnay habe ich erst später entdeckt. Der hat mehr Kante, Säure, Mineralität. Aber vielleicht sollten wir einfach beide probieren«.
Weißburgunder & Chardonnay
Gesagt, getan. Links seht ihr den Weißen Burgunder 2022 aus genau jener Parzelle auf dem Foto. 12 € ab Hof, also zur mittleren Reihe gehörend. Und rechts steht der Chardonnay Quintessenz, mit 25 € der nominelle weiße Spitzenwein des Weinguts Braun.
Dem Weißburgunder liegt laut Patrick eine »klassische Idee« zugrunde, also kaum Maischestandzeit, Stahltank, langes Hefelager, fertig. Mein Eindruck: Das ist ein absolut verständlicher Wein, schöne Frucht, schöne Floralität, wirkt fein und vielseitig. Für den warmen Jahrgang besitzt der Wein eine sehr gute Frische und bewegt sich qualitativ auf einem Level mit dem Silvaner. Für welchen der beiden man sich entscheidet, hängt schlichtweg davon ab, welche Rebsorte man glaubt lieber zu mögen.
Der Chardonnay Quintessenz 2021 signalisiert hingegen mehr Anspruch vom ersten Moment an. »Der genießt auch bei uns eigentlich eine ständige Aufmerksamkeit, sogar bis zum allerletzten Moment. Den Trester bekommt nämlich der Schwager zum Brennen, da darf man sich keine Blöße geben«, lacht Patrick. Wie beim Silvaner Quintessenz gibt es hier ebenfalls zur Hälfte Stahl, zur Hälfte Barrique, davon etwa ein Viertel neu. Der Jahrgang bringt auch beim Chardonnay einen kantigeren Ton mit hinein. Das hat irgendwie einen Touch saure Reneklode, ohnehin eine schön präsente Säure, dann aber auch Fenchel, Lindenblüte und extraktsüße Ananas. Wenn man mich nach einer Speisenbegleitung fragt, würde ich bei Extremwerten eher zu Schweinebraten als zu Austern neigen. Das ist nämlich eine kraftvolle, lagerfähige und durchaus individuelle Interpretation.
Und genau so wollen wir unsere Winzerweine doch haben, oder etwa nicht? Selbiges gilt nämlich auch für den Blauen Silvaner, den ich beim Weininsel-Artikel bereits vorgestellt hatte.
Gut also, dass es solche Winzer wie Patrick Braun gibt, die es schaffen, das heimatliche Terroir und die eigenen Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen. Solltet ihr demnächst mal wieder in Nordheim sein, voilà, klingeln, anklopfen, eintreten beim Weingut Waldemar Braun!
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