Wein Goutte aus dem mittelfränkischen Hüttenheim ist ein derart ungewöhnliches Projekt, dass ich gar nicht weiß, womit ich anfangen soll. Jedenfalls kommen Emily und Christoph weder aus Franken noch aus Winzerfamilien, und ihre Natural Wines sind bereits vor Abfüllung ausverkauft. Deshalb gibt es hier beim ersten Natürlichen Dienstag des Jahres keinen Traubenwein, sondern einen Apfelwein, Version PetNat. Und der ist alles andere als ein schlechter Ersatz…
Wein Goutte und Cidre
»Wein Goutte«, das klingt einerseits nach Weingut, und andererseits bedeutet das französische goutte auf Deutsch Tropfen. Dass hier so spitzfindig zwei Sprachen beieinander stehen, ist kein Zufall, denn Wein Goutte sind Emily Campeau und Christoph Müller. Emily stammt aus dem französischsprachigen Teil Kanadas, Christoph aus Württemberg. Kennengelernt hatten sich die beiden auf dem Weingut Weninger im Burgenland. Beruflich erst in der Küche unterwegs, war Wein quasi die zweite Erweckung für beide. Nachdem sie ihre Kräfte gebündelt hatten, suchten sie nach einer Möglichkeit, sich weinmäßig zu verwirklichen.
Wie sie ausgerechnet nach Hüttenheim kamen, welche Weine sie machen und womit sie sich sonst noch so beschäftigen, will ich an dieser Stelle gar nicht so sehr ausbreiten. Denn einerseits geht es ja hier um Cidre. Andererseits möchte ich Wein Goutte noch besuchen und davon berichten. Insofern, wie sagt man so schön, no doppel-moppel!
Cidre selbstgemacht
Schnell also zum Cidre, dem Getränk aus vergorenem Apfelsaft. Und aus nichts sonst. Dass und wie so etwas funktioniert, hatte ich zum ersten Mal gesehen, als ich in der englischen Grafschaft Herefordshire an der Grenze zu Wales unterwegs war. Oben seht ihr die Leute von Gregg’s Pit, wie sie zerstoßene Äpfel pressen. Alles passiert draußen auf der Streuobstwiese. Im Hintergrund seht ihr die Stahltanks, die ebenerdig in der Holzhütte stehen.
Natürlich wollte ich so etwas auch selbst ausprobieren. Schließlich wachsen Äpfel, zumal robuste Mostäpfel, bei uns praktisch von allein. Und wenn man nicht gerade auf konstant große Mengen angewiesen ist, kann man Natural Cider in unseren Breiten wirklich komplett unbehandelt machen, vom Baum bis zum fertigen Getränk. Mein eigenes Experiment hätte auch fast funktioniert, hier könnt ihr davon lesen.
Mit meinem Wunsch, auch ohne eigene Weinberge und eigene Technikberge ein vergorenes Obstgetränk herzustellen, bin ich übrigens nicht allein. Isabelle Legeron von der RAW WINE erzählte mir vor ein paar Wochen, dass sie total beeindruckt davon sei, was besonders in Kanada in dieser Hinsicht alles passieren würde. Sie war gerade dort zur RAW WINE Montreal, und an allen Ecken und Enden würden junge Leute anfangen, sich den meist lange vernachlässigten Apfelbäumen zu widmen. Einer der Vorreiter der Craft Cider-Kultur war sicherlich Michel Jodoin, der es mittlerweile wie Jörg Geiger bei uns auf stattliche Mengen bringt.
Und so sind Emily und Christoph auch neben ihrem Wein Goutte vom Cidre-Virus infiziert und haben einfach zwei Cidres gemacht aus den Äpfeln, die sie bei sich in Hüttenheim finden konnten. Einen stillen und einen sprudelnden, diesen hier. Nach Art eines PetNats wurde der Most noch während der Gärung in die Flasche gefüllt, 10 mg SO2/Liter dazu, verschlossen mit einem verstärkten Kronkork – und abgewartet.
Wie schmeckt der Cidre?
Wer sich näher mit Cidre beschäftigt, wird wissen, dass ein reinsortiger Ausbau früher unüblich war. Vielmehr hat man Apfelsorten mit den Elementen sharp, bittersharp, bittersweet und sweet miteinander kombiniert. In der Normandie oder dem Westen Englands ist traditionell die Vorliebe für bittersweet größer, also etwas süßer und vor allem tanninhaltiger. In Deutschland, im Osten Englands und auch in Kanada schätzt man diesen Stil weniger, die Apfelweine sind säurehaltiger und gerbstoffärmer.
Letztere Richtung nimmt auch der Apfel-Cidre von Wein Goutte. Insofern ist das für mich geschmacklich eine, tja, original fränko-kanadische Interpretation. Die Perlage wirkt so gleichmäßig und dezent, dass man fast glauben könnte, da sei eine permanente Kohlendioxid-Quelle auf dem Boden versteckt. A propos dezent, in der Nase ist das ein ausgesprochen feinduftiges Exemplar mit lediglich einem leichten Kellertouch.
Mit 7 vol% besitzt der Apfel-Cidre einen leicht höheren Alkoholgehalt, als ihr es vielleicht von französischen Exemplaren gewohnt seid. Das liegt aber unter anderem daran, dass er richtig durchgegoren ist. Trotz des Alkohols wirkt der Cidre im Mund enorm leicht. Die Säure ist fein lebendig, aber keinesfalls überbordend, süße und bittere Töne schwingen nur ganz leise im Hintergrund mit. Weil eben auch die Apfelsaftsüße fehlt, ist das ein unglaublich guter und vielseitiger Speisenbegleiter. Man merkt, dass die Wein Goutties in diesem Bereich zu Hause sind. Sie wollten offenbar nicht nur ein schräges Natural-Exemplar kreieren, sondern vielmehr den Natural-Ansatz dafür benutzen, ein elegantes und komplett sauberes Tischgetränk zu erschaffen. Mit dem halben Alkoholgehalt von Wein.
Wo kann man ihn kaufen?
Wo ihr genau diesen Apfel-Cidre von Wein Goutte kaufen könnt, darüber bin ich mir selbst nicht im Klaren. Emily und Christoph hatten mir eine Flasche mitgebracht, als sie hier in Bamberg waren. Die Mengen sind selbstverständlich gering, aber es lohnt sich absolut, entweder bei einem der Wein Goutte-Partner nachzuschauen oder die Goutties selbst anzumorsen.
Wer jedenfalls denkt, in Franken würde sich im Bereich Wein & Artverwandtes nichts Interessantes tun, sollte wohl besser mal wieder vorbeischauen…