Das Sekthaus Raumland im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim macht die bekanntesten und (da ist sich alle Welt mal einig) besten Schaumweine in Deutschland. Bio-zertifiziert, lang bis ultralang auf der Hefe gereift, metikulös von Anfang bis Ende. Für mich sagt das nur eins aus: Es geht viel, wenn man es wirklich will. Weil wir uns hier beim Natürlichen Dienstag befinden, wollte ich nicht »bloß« einen der exzellenten Sekte vorstellen, sondern eine leicht ungezähmte Version, den Ancestrale Blanc. »Unsere Interpretation eines PetNat«, schrieb mir Marie-Luise Raumland – und ich war schon sehr gespannt!
Der Ancestrale Blanc vom Sekthaus Raumland
Zu den Raumlands ist wahrscheinlich schon alles von Belang geschrieben und gesagt worden. Wer die gesamte Story einmal hören möchte, dem sei dieser Link zu Christophs Podcast empfohlen. Zwar schon knapp anderthalb Jahre alt, aber immer noch interessant.
Jünger als der Podcast ist unser Ancestrale, denn er stammt aus dem Jahrgang 2021. Die Trauben dafür, zwei Drittel Riesling und ein Drittel Muskateller, kamen allerdings nicht aus Rheinhessen, sondern aus dem Asselheimer Goldberg in der Pfalz. Asselheim befindet sich nördlich von Grünstadt, eine recht windige und eher kühle Lage. Die Lese fand am 22. Oktober statt, also extrem spät für Trauben, aus denen ein Sprudler werden soll. Im Jahrgang 2021 gab es allerdings keineswegs Hochreife, sondern eine immer noch knackige Säurefrische.
Nach der Handlese wurden die Trauben zunächst gepresst und konnten dann vergären. Bei der méthode ancestrale (die auch als rurale bezeichnet wird) ist es ja nicht so wie bei der traditionellen Sektherstellung, dass erst ein Grundwein vollständig vergoren wird und dann zur Zweitgärung noch einmal auf die Flasche kommt. Vielmehr wird bereits der noch gärende Most abgefüllt und das Ergebnis als PetNat bezeichnet. Früher machte man das pi mal Daumen, weshalb nicht wenige Flaschen später explodiert sind. Heute misst man natürlich vorher die Werte, um zu wissen, wie viel Druck maximal entstehen kann.
Der Raumland-Ancestrale wurde deshalb mit 24 g/l Restzucker abgefüllt, was bei vollständiger Vergärung 6 bar Druck wie beim Zweitvergärer-Schaumwein ergeben würde. Der einzige Unterschied zum »klassischen« PetNat besteht bei der Raumland-Interpretation darin, dass man sich entschloss, den Ancestrale zu degorgieren, um auf diese Weise den Hefetrub zu entfernen.
Wie schmeckt der Wein?
Solltet ihr zufällig mal in Rheinhessen unterwegs sein und das Sekthaus Raumland besuchen wollen, werdet ihr feststellen, dass sich jenes nicht etwa in einem alten Dorfhaus, sondern in einem modernen Kantenbau befindet. Ähnlich kantig wirken die Werte des Ancestrale. Mutige 11 g Säure bei 10,5 vol% warten auf euch, gepuffert allerdings durch einen sich noch knapp innerhalb des Brut-Bereichs befindlichen Restzucker.
In der Nase hat unser Schäumer wenig wilde Mostaromatik zu bieten als vielmehr Kräuteriges, Heu, Haselnuss une ein bisschen Toastbrot. Im Grunde genau wie ein hefegereifter Sekt. Was mich besonders überrascht, sind die lediglich dezenten Muskateller-Noten, ist doch diese Rebsorten ansonsten für ihre ziemlich durchdringende muskatige Traubigkeit bekannt.
Im Mund perlt der Ancestrale lebhaft, das sah frisch eingeschenkt noch gar nicht danach aus. Die Fruchtsäure kann man wahrhaftig nur als prononciert bezeichnen, das ist ein Wachmacher in jeglicher Hinsicht. Es gibt Apfel, Traube (aber ohne das Parfümierte), grüne Pflaume und Limette, alles ist extrem sauber und pur. Interessanterweise braucht der Ancestrale sogar ein wenig Luft und darf für mich keinesfalls eiskalt sein. Die Kombination von Frucht- und eleganten Brioche-Noten ist nämlich sehr reizvoll und sollte nicht gefrostet untergehen.
Für mich ist es sehr beeindruckend, was hier erschaffen wurde. Kein Mensch würde darauf kommen, dass dieses spannungsgeladene und fein strukturierte Getränk nur eine einzige Gärung durchgemacht hat. Wer wilde Naturweine liebt, wird vielleicht das »dreckigere« Element ein bisschen vermissen. Seriöse Schaumweinproduzenten sollten aber aufmerken: So geht das auch!
Wo kann man ihn kaufen?
Den Ancestrale Blanc vom Sekthaus Raumland kann man natürlich direkt ab Hof kaufen. Dort kostet er genau 19 €. Man kann neben ein paar anderen Online-Händlern aber auch beim Shop von »Grapeful Me« vorbeischauen. Um den Ancestrale zu kaufen, aber auch wegen ein paar zusätzlichen Infos.
Ihr werdet auf dem Flaschenetikett nämlich nicht nur das Foto von »Raumland Manufacture« sehen (neben dem trockenen gibt es auch noch einen fruchtsüßen Ancestrale mit 8,5 vol%). Sondern euch wird auch ein rundes Bapperle auffallen, auf dem der Name Luisa-Sophia Sedlmayr steht. Luisa-Sophia ist (oder jetzt fast schon: war) Auszubildende beim Sekthaus Raumland und steckt auch hinter der Grapeful Me-Website. Der Ancestrale ist also sozusagen ihr Projekt, und die Raumlands haben die Umsetzung möglich gemacht.
Ich finde das großartig, zumal Luisa-Sophias Name auch dick auf jeder Flasche zu sehen ist. Für mich ist das ein Zeichen von Wertschätzung und gegenseitiger Unterstützung, von dem sich viele andere Arbeitgeber gern eine Scheibe abschneiden können. Ich behaupte nämlich frechweg, dass der Fachkräftemangel in Deutschland kleiner wäre, würde man überall so oder so ähnlich miteinander umgehen.
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