Natürlicher Dienstag #125 – Domaine St-Nicolas Reflets

St-Nicolas Reflets

L’Île-d’Olonne, so heißt der Ort, aus dem mein heutiger Wein für die jubiläumswürdige 125. Ausgabe des Natürlichen Dienstags stammt. Île bedeutet Insel, also übersetzt die Olonne-Insel. Tatsächlich handelt es sich aber um keine echte Insel, zumindest um keine mehr. Früher hingegen waren die um den Ort herum liegenden Salinen eine flache Lagune. Wir sind nur zwei Kilometer Luftlinie vom Atlantik entfernt, weit weg von bekannteren Weinbaugebieten. Genau hier wachsen jedoch die Reben der Domaine St-Nicolas, die Thierry Michon zusammen mit seinen Söhnen Antoine und Mickaël betreibt. Deren Roten namens Reflets mit einer ziemlich einzigartigen Zusammensetzung an Rebsorten habe ich zehn Jahre lang im Keller gelagert, um ihn heute zu probieren.

Reflets 2010 von der Domaine St-Nicolas

Gegründet wurde das Weingut im Jahr 1960 von Thierrys Vater Patrice. Thierry selbst stieg 1984 mit ein, und seit dem Jahr 1993 (zertifiziert 1998) wird der gesamte Betrieb biodynamisch bewirtschaftet. Ich hatte Thierry Michon bei einer Messe einmal im Spaß gefragt, ob es wirklich nötig wäre, schlichtweg überall Mitglied zu sein. Auf dem Rücketikett finden sich nämlich die Label EU-Bio, AB, Biodyvin, Demeter und Vigneron Indépendant. Mehr Commitment geht kaum. “Ach”, lachte er, “ich hab mir gedacht, schaden tut’s auf keinen Fall. Und irgendein Label kennt eigentlich jeder und kann etwas damit verbinden.”

Mit 40 ha ist das Weingut relativ groß, aber die Hektarerträge sind lächerlich gering für die an sich fruchtbare Gegend. Der kleinste Wein von St-Nicolas, passenderweise Le Vin de Thierry genannt, wird mit 28 hl/ha geerntet, alle anderen liegen noch darunter. Das war auch ehrlich gesagt der Wein, der mich bei meinem Besuch am meisten beeindruckt hat. Aus Chenin und der lokalen Rebsorte Grolleau Gris gekeltert, war das wie ein Biss in einen salzigen Apfel. Eine wahnsinnige Mineralität, man glaubt die Gischt des Atlantiks auf den Traubenschalen schmecken zu können. Mittlerweile wird auf St-Nicolas viel Wert auf solche Ansätze wie Permakultur und Kreislaufwirtschaft gelegt. Für alle, die an den Stränden bei Les Sables d’Olonne Urlaub machen und sich für Wein interessieren, ist ein Besuch auf dem Weingut ein absoluter Pflichttermin.

Les Sables d'Olonne

Jetzt aber zu den Reflets, dem “zugänglichen Rotwein”, wie Thierry sagt. Er stammt aus einer leicht nach Südosten geneigten Parzelle mit Urgestein und Schiefer im Untergrund. Mein 2010er Exemplar besteht aus 60% Pinot Noir, 30% Gamay, 10% Cabernet Franc, spontanvergoren, acht Monate Ausbau im Fuderfass, mit wenig Schwefel unfiltriert abgefüllt.

Wie schmeckt der Wein?

Die Rebsortenzusammensetzung ist sehr ungewöhnlich – aber eben nicht ungewöhnlich für die Fiefs Vendéens, das nach den Lehnshöfen (Fiefs) der Klöster benannte Gebiet. Jenes umfasst zwar über 480 ha, aber das täuscht über die tatsächlichen Verhältnisse hinweg. In Wirklichkeit nämlich sind das vier weit zersplitterte Bereiche, und die Domaine St-Nicolas ist der einzige wirklich namhafte Betrieb im Unterbereich Brem an der Küste.

Pinot vom Schiefer und vom Salzatlantik – das schmeckt definitiv anders als im Burgund oder in Baden. An der Nase spüre ich viel Kirsche mit Kirschkern, ein bisschen Holzlaktik und einen leicht wilden Touch. Ich hatte auch schon Rote von Thierry Michon, die in ihrer flüchtigen Note über meine Wohlfühlgrenze hinausgingen. Dieser hier ist aber eindeutig auf der guten Seite.

Am Gaumen kommt zunächst eine sehr passende Säure, die den Wein frisch erhält. Dann staune ich über die immer noch als mindestens medium einzustufenden Tannine. Richtig lebendig ist auch noch die Frucht. Es gibt Süßkirsche, Cranberry, rote Pflaume, ein bisschen Salbei, ein bisschen dunkle Steine. Wenn man mich blind fragen würde, hätte ich am ehesten auf einen reinsortigen Grolleau getippt, auf diese Kombination von fruchtig, kernig und samtig. Jedenfalls ist das ein sehr schöner Wein, der mir in diesem Zustand ausgezeichnet gefällt. Mit den Jahren scheint sich die etwas wilde Naturel-Note immer besser eingebunden zu haben. Allerdings hatte ich den Wein seit seinem Kauf auch wirklich gut gelagert.

Wo kann man ihn kaufen?

Auch wenn das Weingut eine etwas exzentrische Lage besitzt und nur großzügig zum Anbaugebiet Loire gezählt werden kann, gibt es die Weine von St-Nicolas in Deutschland zu kaufen. Ich selbst hatte den Reflets der Domaine St-Nicolas in Liège bei Vive le Vin gekauft, wo es ihn mittlerweile aber nicht mehr gibt. Dafür könnt ihr den 2018er derzeit bei Vinocentral und den 2019er bei Passion Vin erwerben. Kostenpunkt 16,90 € bzw. 17,90 €, und beides sind sehr gute Weinhändler mit einem ausgesprochen interessanten Programm.

Beim 2019er sind die Michons übrigens auf 85% Pinot Noir gegangen und haben den Gamay-Anteil damit deutlich reduziert. Persönlich finde ich das ein bisschen schade. Aber natürlich kann ich auch verstehen, dass man stärker auf eine Rebsorte setzt, die als deutlich hochwertiger gilt. In jedem Fall ist das ein Wein, den es sich lohnt zu probieren. Egal ob als Speisenbegleiter oder Blindtest-Rater.

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