Natürlicher Dienstag #123 – Mark Angeli La Lune

Mark Angeli La Lune

In einem längeren Interview mit der Revue du Vin de France wurde Mark Angeli gefragt, was er denn seinen Eleven beibringen würde. Der legendäre Winzer von der Loire ist ja bekannt dafür, oft von jungen Leuten um Rat gebeten zu werden. “Nun”, antwortete er, “als Neowinzer habe ich eigentlich alle Fehler gemacht, die man so machen kann. Ich sage ihnen also nicht, wie sie ihren Wein zu machen haben, denn das können alle individuell für sich entscheiden. Aber ich helfe ihnen dabei, diese Fehler zu vermeiden.” Kein Fehler war es sicherlich, diesen formidablen Chenin Blanc gemacht zu haben, den ich euch heute vorstellen möchte.

Mark Angeli Chenin Blanc La Lune 2012

Bonnezeaux Weinberg

Das Weingut von Mark Angeli, das er mittlerweile gemeinsam mit seinem Sohn Martial leitet, befindet sich in Thouarcé, im Herzen des Anjou. Oder vielmehr, es befindet sich etwas außerhalb des Ortes auf dem Hof La Sansonnière. Mark muss nur die Straße überqueren und den Feldweg hochgehen, um zu seinen 7,8 ha großen Parzellen zu kommen. Wie nicht unüblich an der Loire, stehen die alten Chenin-Stöcke als Buschreben da. Eigentlich sind wir an diesem Südhang mitten in der Spitzenlage Bonnezeaux, die allerdings nur für Süßweine gilt. Relativ früh hatten Mark Angeli und sein Kollege Richard Leroy beschlossen, die Appellation zu verlassen und ihre Weine lediglich als Vin de France auf den Markt zu bringen.

Obwohl gerade in amerikanischen Publikationen hartnäckig immer wieder von La Lune als seiner Spitzencuvée geschrieben wird, ist genau das Gegenteil der Fall. Gut, es gibt hier nur große Weine, aber relativ gesehen ist La Lune noch der kleinste. Er stammt aus drei verschiedenen Parzellen auf Schieferboden mit Lehmanteil, den ihr oben auf dem Foto sehen könnt. Das gesamte Weingut wird biodynamisch als polykultureller Hof betrieben, also auch mit anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie einem unglaublich intensiven Sonnenblumenöl. Mit jenem fährt übrigens auch Marks Traktor. Die Trauben werden in dieser Spitzenlage eigentlich immer reif bis hochreif. Es gibt an der Loire ja mittlerweile verschiedene Philosophien des Erntezeitpunkts, und Mark liegt da immer zwischen Thibaud Boudignon, der sehr früh, und Nicolas Joly, der sehr spät liest.

Bei der Weinbereitung wird wenig eingegriffen. Die Trauben vergären spontan und werden über zwölf Monate in gebrauchten 400 Liter-Fässern der Küferei Atelier Centre France ausgebaut. Ich hatte mich wegen der Größe auch erst gewundert, aber es gibt da tatsächlich acht verschiedene Größen zwischen 225 und 600 Litern. Alles aus Allier-Eiche übrigens.

Wie schmeckt der Wein?

Entscheidend für die Art des Weins sind drei Komponenten. Zum einen verzichtet Mark Angeli bei all seinen Weinen auf die Filtration. Dann gibt er zur Abfüllung immer nur einen geringen Anteil vulkanischen Schwefels hinzu, den er jeweils auf dem Etikett vermerkt. Im Fall des 2012ers La Lune sind das 36 mg/l. Und schließlich lässt er den reifen Most einfach so lange gären, wie dieser möchte. Seine Philosophie ist es sozusagen, dem Jahrgang seinen Lauf zu lassen. Der trockenste Wein, den ich von ihm probiert habe, hatte gar keinen Restzucker, der süßeste immerhin 27 g. Mittlerweile sind die Werte ebenfalls immer auf dem Etikett angegeben, bei meinem 2012er allerdings noch nicht. Jetzt aber endlich zu der entscheidenden Frage: Wie schmeckt denn das gute Stück?

Farblich sieht der 2012er La Lune jedenfalls schon sehr gereift aus. Ein mittleres Goldgelb fließt ins Glas. In der Nase ist das ein unglaublich komplexer Wein. Ich notiere: Walnuss, Quitte, Kastanienhonig, Gewürze wie Kurkuma, getrocknete Aprikose, gebackener Apfel mit Zimt, hohe Pikanz und Mineralitätsgefühl, vollkommen sauber und offenbar auf dem Höhepunkt. Am Gaumen wird mir klar (als ob es das vorher nicht gewesen wäre), weshalb ich diese Chenin-Hochkaräter so liebe.

Der Wein ist einerseits stoffig und vollmundig, aber nicht übertrieben (13 vol%), gleitet samtig dahin. Die hohe Reife wird dabei von einer rieslinghaft hohen Säure gepuffert. Zusätzlich gibt es alle Noten aus der Nase noch einmal, dazu Würze und einen langen Abgang. Ganz trocken ist der La Lune 2012 nicht, es geht vermutlich in Richtung eines sec tendre. Intensität und Tiefe werden meiner Erinnerung nach vom Blanderies noch getoppt, aber zu beschweren gibt es da schlichtweg gar nichts.

Wo kann man ihn kaufen?

Ich hatte den La Lune 2012 von Mark Angeli in Paris gekauft, und zwar direkt bei Lavinia, Boulevard de la Madeleine. Seinerzeit hatte er 21,80 € gekostet, aber sowohl der Preis als auch der Laden sind Erinnerungen aus der Vergangenheit. Nachdem Corona und wirtschaftliche Turbulenzen zur Schließung des Flagship-Stores geführt hatten, existiert Lavinia in Paris heute nur noch in einem bescheideneren Ambiente.

In Deutschland hingegen gab bezüglich französischer Spitzenweine die erfreuliche Entwicklung, dass Sébastien Visentins Passion Vin mittlerweile einen Online-Shop besitzt. Dort könnt ihr den La Lune 2017 für 38,50 € und die 2019er Ausgabe für 36,50 € erstehen.

Mark Angeli La Colère des Raisins

Zum Schluss wollte ich euch noch das hier zeigen, ein im Copyshop hergestelltes und gebundenes Büchlein namens La Colère des Raisins. Die Wut der Trauben sozusagen. Dazu muss man wissen, dass in Frankreich John Steinbecks “Früchte des Zorns” den Titel Les Raisins de la Colère trägt, eine geschickte Anspielung also. Das Büchlein oben gab uns Mark Angeli mit auf den Weg, als wir bei ihm waren. Es ist nämlich von ihm. Der Inhalt: Eine Sammlung an philosophisch-politisch-ironischen Texten, an praktischen Erfahrungen in Weinbau und Keller, Ausschnitte aus Studien zu Pestiziden, Zeitungsartikeln. Ein besonderer Winzer, ganz ohne Zweifel, mit ebenso besonderen Weinen.

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3 Antworten zu Natürlicher Dienstag #123 – Mark Angeli La Lune

  1. Karl Brunk sagt:

    Hallo Matthias,
    Ich kann auch friedlich. Fällt mir bei dem Wein auch nicht schwer. Die Chenins dort sind wirklich ein Genuss und Du beschreibst seine Komplexität ja auch sehr liebevoll. Besonders den laaangen Abgang;)) So muss das sein, um als Spitzenwein durch zu gehen.
    Für mich ist der Chenin wegen seiner unglaubliche unterschiedlichen Ausdrucksstärke bei den verschiedenen Untergründen eine Ampelrebsorte. Dazu die Spannung von ganz trocken (da macht der Grauschiefer bei Angeli es noch spannender) und über die Tendre, Moelleux bis zu den leichten Doux bringt eine enorme Spannweite. Und in allen Variationen kann der Chenin überzeugen.
    Auch interessant ist deine Erwähnung der “philosophisch-politisch-ironischen Texte”. Da zeigt sich so ein wenig, was ich in meinen Andeut- und Anspielungen mit der Nähe von politischer Denk- und Lebensrichtung und dieser Art von absolut konsequentem Anbau meine. Ist bei Mosse ja ähnlich spannend.
    Apropos La Lune : den gibt es auch im Amphorenausbau!
    viele Grüße
    Karl

    • Matze sagt:

      Ja, ich muss sagen, dass ich diese oftmals politische, manchmal eher künstlerische und manchmal auch nur plauderische Art unabhängiger französischer Cavisten schon oft genossen habe. Das gehört für mich irgendwie zur französischen Weinkultur dazu. Ich bin aber auch ein ideales “Opfer” 😉 : Komme sichtlich von woanders her, verstehe Französisch gut genug um zu wissen, worum es geht, kann mich aber nicht gut genug ausdrücken, um mitzuhalten oder gar dagegen zu argumentieren. Wie gesagt, immer unterhaltsam, und wenn ich kann, gehe ich da in jeder Kleinstadt hin. Man hat ja seine Adressen… 😉

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