(Fast) 100 Biowein-Einkaufstipps von der Millésime Bio 2022

Titel Biowein Millésime Bio 2022

Was bitteschön sind denn “(Fast) 100 Biowein-Einkaufstipps”? Habe ich euch hier etwa eine Liste mit 100 Weinen angehängt, die ihr kaufen sollt? Nein, habe ich nicht. In Wirklichkeit gibt es in diesem Artikel genau 61mal Biowein. Das nenne ich großzügig ausgelegtes kaufmännisches Runden. Die Weingüter und Weine, die ich euch gleich in knapper Form vorstellen möchte, gibt es alle bei der Millésime Bio 2022. Jene Messe, die weltgrößte ihrer Art für Biowein, soll vom 28.02.-01.03. dieses Jahres stattfinden. Zum Glück gab es Anfang dieser Woche schon die digitale Version, von der ich bereits berichtet hatte. Das Geniale dabei: Nicht weniger als 4.321 Weine waren dort bereits recherchierbar. Aus diesem Großangebot habe ich euch also 61 Exemplare ausgewählt, die ich kenne und sehr schätze. Einkaufstipps halt.

Wird denn die reale Messe überhaupt stattfinden?

Diese Frage in der Zwischenüberschrift würden die Veranstalter sicher auch gern beantworten können. Ursprüngliche Berechnungen vom Dezember (woraufhin die Messe auf diesen Termin verlegt wurde) sagten für Frankreich voraus, dass die Omikron-Welle bis dahin schon wieder gut abgeebbt sein soll. Es kann also sein, dass es das offizielle Go der Behörden gibt. Dennoch: Große (Einkaufs-)Unternehmen dürften in Anbetracht der dünnen Personaldecke doch eher vorsichtig sein, ihre Leute ausgerechnet zu einer Frei-Spuck-Veranstaltung zu schicken. Einzelselbständige Cavisten hingegen wissen, wenn sie ausfallen, verdienen sie auch kein Geld. Insofern mal abwarten, ob die Messe a) überhaupt stattfindet und b) wer sich dann auf den Weg dahin macht.

2 Alter Rebstock Biowein

Weil sich das alles so schrecklich unerquicklich anhört, habe ich mich lieber einmal durch das wunderbar recherchierbare Angebot gekämpft, das bei der Millésime Bio präsentiert wird. So habe ich das noch bei keiner anderen Fachmesse gesehen. Als Einkäufer und Berichterstatter finde ich so etwas natürlich großartig. Da kann man vom heimischen Schreibtisch aus schon mal abchecken, was interessant und wichtig ist, anstatt dann planlos vor einer wuselnden Menge von 1.400 Einzelständen zu stehen. Natürlich, das Probieren, das Diskutieren, das Verhandeln, die Zufallsentdeckung, all das wird dadurch keineswegs ersetzt. Aber als Ergänzung finde ich das ideal. Los geht’s also mit dem bunten Reigen. Lasst euch nicht stören am gewissen französischen Übergewicht; die Franzosen nehmen schließlich auch auf der realen Messe den Löwenanteil der Aussteller ein.

Biowein aus Österreich

3 Leutasch Tirol Best of Bio

Zunächst mal ein weingutsunabhängiges Shout-Out an Weinakademiker Branko Mucina, bei der Millésime Bio für Tastes of Austria unterwegs und damit für ein großes Portfolio an österreichischen Weingütern, die wirklich wenig Wünsche offen lassen. Ich muss wirklich sehr sehr lange zurückdenken, wann ich Branko das letzte Mal gesehen hatte. Beim Best of Bio-Tasting? Möglich. Jedenfalls wäre es mal wieder Zeit, sich in echt zu sehen und nicht nur in die Tasten zu hacken. Wäre für mich auf jeden Fall ein absoluter Pflichtstand in Montpellier.

Martin Diwald, Wagram

Martin Diwald kommt aus dem Wagram, einem außerhalb Österreichs nicht so wahnsinnig geläufigen Weinbaugebiet. Jedenfalls steht Wagram für Löss, und Martin steht für charakterstarke Weine. Zwei der Weine, die er mitbringen wird, stechen mir besonders ins Auge, und zwar aus ganz unberschiedlichen Gründen. Der Grüne Veltliner vom Löss ist die Vielfalt in Person, leicht (12,5 vol%), ganz trocken, dennoch schmelzig. Sowas kann man nicht nicht mögen. Und dann gibt es noch den Riesling Eisenhut, eine raspelscharfe Version. 19 € ab Hof.

Hannes Harkamp, Südsteiermark

Hannes Harkamp macht viele gute Weine, aber einer steht für all das, was das wirklich neue Österreich ausmacht. Es ist der Schaumwein Solera Reserve. Weißburgunder und Zweigelt, immer der neue Jahrgang ins große Holzfass gegeben, in dem schon die Jahrgänge davor lagern. Das ist genauso lässig wie kühn. 29 € ab Hof. Österreich hat enorm spannende Sachen zu bieten, für jeden Schrägheitsgrad.

Biowein aus Deutschland

Weingut Kranz, Pfalz & Weingut Zähringer, Baden

Deutschland ist natürlich auch ein schönes Weinland. Starten möchte ich mit einer Rebsorte, die als regionale Berühmtheit startete, dann weltweit explodiert ist, dann komplett verpönt war und jetzt zunehmend zu individuellen Interpretationen herangezogen wird. Ich spreche vom Chardonnay. Chardonnay kann alles, weil er alles aufsaugt wie ein Schwamm. Von Chablis bis Kalifornien, vom Stahl bis zum Barrique. Der Arzheim RF vom Weingut Kranz ist dabei die florale und zitrussige Version, mit Druck und Spannung. Der Chardonnay SZ vom badischen Weingut Zähringer geht hingegen eher in die reife, gelbfruchtige Richtung. Aber beide sind richtig gut und kosten mit 18 € bzw. 22 € weniger als ein Ortswein im Burgund.

Weingut Riffel, Rheinhessen

4 Riffel Rheinhessen Biowein

Die Riffels sind auf Zack und hören das Gras wachsen. Anders kann man es wohl nicht sagen. Eigentlich gibt es immer irgendwelche interessante Neuigkeiten bei ihnen. Diesmal habe ich allerdings keinen ganz neuen Wein in ihrem Programm entdeckt. Der Osterberg ist ein Teil des Rochusbergs und deshalb eigentlich nach Büdesheim statt nach Bingen ausgerichtet. Und es handelt sich um eine Große Lage, die noch nicht so bekannt ist. Von hier kommt ein Riesling von eher burgundischem Format, gut im Stoff, niedrig im Restzucker. 27 € ab Hof und mehr als eine Entdeckung wert.

Weingut Staffelter Hof, Mosel

5 Staffelter Hof Mosel Biowein

Biowein an der Mosel ist immer noch alles andere als häufig. Natürlich liegt das auch an den Rahmenbedingungen mit extrem steilen Lagen und oft Marktpreisen, die nicht wirklich das Abschuften widerspiegeln, das man als Biowinzer hier leisten muss. Der Staffelter Hof um Jan Klein (rechts im Bild) geht deshalb gleich andere Wege. Nur noch zur Hälfte gibt es hier den klassischen Moselriesling. Aus der anderen Hälfte entstehen Freakweine, Spaßweine, ungeschwefelte und naturtrübe Naturals. Sowas geht international wie geschnitten Brot, vor allem wenn es so gut ist. Der Kiss Kiss Maddies Lips, den ich schonmal als Purple Rain-Edition vorgestellt hatte, ist diesmal wieder ein sprudelnder Rosé aus Frühburgunder. Fe-fi-fo fun for me.

Sektmanufaktur Strauch, Rheinhessen

Die im Rheinhessischen ansässige Sektmanufaktur Strauch versteht sich, der Name verrät es bereits, ebenfalls auf Sprudel. Alles klassische Flaschengärer, fair bepreist, und alles auch trocken bis noch trockener. Der Zero Brut Nature aus Weißburgunder ist wirklich richtig knackig für 19,50 €. Genauso spannend finde ich den Crémant Chardonnay Brut, der vom Restzucker her sogar ebenfalls als Brut Nature durchgehen würde. 30 Monate Hefelager, 17,90 €. Was ist da los, die Deutschen sind beim Schaumwein ja fast so gut wie die Engländer!

Weingut Sturm, Mittelrhein

Biowein vom Mittelrhein. Das mir vorher unbekannt gebliebene Weingut von Quereinsteiger Martin Sturm hatte mich mit ihrer wunderbaren Georgien-Reminiszenz Remember Tbilisi richtiggehend geflasht. Es gibt aber auch trockenen Riesling Kabinett, aus Bioanbau (logisch), aus der Steillage, federleicht (11,5 vol%). Sowas können nur „wir“. 11,90 € ab Hof, dazu bitte sofort ein Flammkuchen.

Weingut im Zwölberich, Nahe

6 Zwölberich Biowein

Hartmut Heintz’ Weingut im Zwölberich ist eines der größten biodynamischen Weingüter in Deutschland. Dementsprechend umfangreich ist das Biowein-Portfolio, auch aus dem Barrique, wie ihr vom Foto oben unschwer erraten könnt. Dem Auxerrois wird dabei ein ganz besonderer Platz eingeräumt, gilt das Weingut doch als absoluter Auxerrois-Pionier. Neben jenem finde ich aber auch den 2019er Langenlonsheimer Königschild Riesling Spätlese äußerst gelungen. Das ist ein knapp feinherber Wein mit ordentlich Zug und viel Eleganz. Und einer der besten, die hier je gemacht worden sind.

Biowein aus Spanien

Barbadillo, Andalusien

Ehrlich gesagt war mir der Sherry-Gigant Barbadillo vorher nie als Produzent von Biowein aufgefallen. Aber ähnlich wie in Sauternes dreht sich auch in dieser enorm traditionellen Gegend der Wind der Weinvorlieben. Barbadillo ist nämlich bei der Millésime mit zwei trockenen Weißen vom Albariza-Boden vertreten, die zehn Monate lang in Fässern ausgebaut wurden, in denen vorher Manzanilla lag. Ohnehin finde ich diese Mix-Geschichten enorm spannend: “normaler” Wein, Spielen mit Oxidation, Solera-Einflüsse, Flor-Einflüsse, da tut sich was im Weißweinbereich…

Biowein aus Frankreich

Barmès-Buecher, Elsass

Das Elsass ist eine der bedeutendsten Biowein-Regionen überhaupt. Gefühlt sind hier alle Spitzenerzeuger mindestens Bio. Das Weingut Barmès-Buecher ist einer meiner Favoriten dort, preislich immer auf dem Teppich, stilistisch total präzise. Ihr Riesling Rosenberg 2019 stammt von 44 Jahre alte Reben, 0,5 g RZ, 19 €, angegebene Lagerfähigkeit 15 Jahre. Das sagt alles. Auch der Pinot Gris aus dem Rosenberg ist vollkommen durchgegoren, 21 €, 93 Punkte im aktuellen Guide der RVF. Ihr wisst ja, dass ich kein Punkte-Freak bin, aber ich ziehe als Referenz den Grünen jetzt einfach ein paarmal heran.

Paul Ginglinger, Elsass

Das Weingut kenne ich schon seit, puh, gut 15 Jahren. Die Riesling Grands Crus Pfersigberg und Eichberg gibt’s hier für 22 € ab Hof, sogar der einfachere Riesling Drei Exa 2020 (14 €) bekommt 92 Punkte im RVF-Guide. Sehr sehr solide.

Elisa Klur, Tack & Glou, Elsass

7 Elisa Klur Tack & Glou

Mein erstes Videomeeting bei der digitalen Millésime Bio 2022 hatte ich mit Elisa Klur von Tack & Glou. Oder vielmehr, Elisa ist Tack & Glou, gleichzeitig Goldschmiedin /Schmuckdesignerin und Winzerin in Katzenthal. Das Meeting war sehr nett und interessant, ihr könnt es von unserem Screenshot oben sicher ahnen. Wie schon im letzten Beitrag geschrieben, macht Elisa von 1,8 ha eine bunte Mischung komplett ungeschwefelter Weine aus Top-Lagen. Es gibt den Riesling Ô Grand R aus der Grand Cru-Lage Wineck-Schlossberg, Orange Wine, PetNat, Pinot Noir. Alles wird auch im RVF-Guide gelistet und sehr gut bewertet als eines der ganz ganz wenigen französischen Naturel-Güter. Soll heißen: Die junge Frau weiß, was sie tut.

Jean-Louis & Fabienne Mann, Elsass

Es gibt viele Manns im Elsass, das hier sind Jean-Louis & Fabienne, Vignoble des 3 Terres. Sie haben unter anderen den Gemischten Satz Ortel zu bieten, 47 Jahre alte Reben, vollkommen trocken. Ebenso trocken und wirklich mal wieder eine Empfehlung wert ist ihr Muscat aus Eguisheim. Im Freundeskreis hatten wir zur Corona-Lockdown-Phase letztes Frühjahr mal eine Fernweinprobe mit elsässischen Spitzenweinen gemacht. Zu unserer aller Überraschung war es dabei der Muscat Grand Cru Goldert von Zind-Humbrecht, der uns besser gefallen hatte als sämtliche Rieslinge, Marcel Deissens oder Pinot Noirs. Zeit also, diese Rebsorte mal wieder genauer unter die Lupe zu nehmen. 21 € für den Muscat Eguisheim von Jean-Louis und Fabienne Mann, 91 Punkte im RVF-Guide.

9 St-Emilion

Château Anthonic, Bordeaux

Bordeaux und Biowein, das war lange Jahre so ähnlich wie Feuer und Wasser. Durch die massive Wurschtigkeit, mit der die Weingüter dort ihre Böden malträtierten (bei weitem nicht nur mit Bordelaiser Brühe), musste man für die Zukunft mit dem Schlimmsten rechnen. Ohnehin war Bordeaux in innovativen Restaurantkreisen derartig out, dass sich besternte Avantgarde-Schuppen damit rühmten, keinen einzigen Bordeaux auf der Karte zu haben. Ich möchte jetzt nicht übertreiben und behaupten, das habe sich alles um 180 Grad gedreht. Aber tatsächlich sind neben den Pionieren, die es dort natürlich genauso gab, mittlerweile extrem renommierte Weingüter auf Bioanbau und wesentlich schonendere und durchdachtere Konzepte umgestiegen. Auf dem Foto oben seht ihr beispielsweise einen Weinberg bei St-Emilion.

Mit dieser Entwicklung wird Bordeaux auch wieder zunehmend interessant für mich. Denn dass man mit der dortigen Historie und den dortigen Rebsorten großartige Weine machen kann, dürfte ja niemand ernsthaft bezweifeln.

Ende letzten Jahres hatte ich an einer Masterclass mit der hochgeschätzten Romana Echensperger teilgenommen. Vorgestellt wurde unter anderem das Château Anthonic, Moulis-en-Médoc. Jenes gilt als einer der Pioniere im Bereich der Agroforst, also dem sich positiv beeinflussenden Anpflanzen von Rebstöcken und Bäumen in einer Parzelle. Probiert hatten wir den kleinen, für den frühen Konsum gedachten Les Aigles, macération carbonique, 12,50 €. Der „Normale“ 2019 von Anthonic für 24 € steht mit 92 Punkten im RVF-Guide. 7.000 Stöcke übrigens pro Hektar, ganz schön dicht.

Château Chillac, Bordeaux

Ein Weingut, das ich überhaupt nicht kannte. Winzer Laurent Cassy ist gleichzeitig Präsident der Winzervereinigung Nouvelle Aquitaine, und er hatte einfach Kontakt mit mir aufgenommen. Sein 55 ha großes Weingut liegt in Entre-deux-Mers. Das ist die Region, in der eine Folge von Kim & Co spielte, sah toll aus, sie fuhren mit Bonanzarädern herum. Aber zurück zur Sache. Laurent Cassy machte mich darauf aufmerksam, dass sie zusätzlich zum normalen Biowein diesmal auch ungeschwefelte Naturels dabei hätten. Reinsortig Cabernet Sauvignon oder Malbec, jeweils 15 €, die kleine Cuvée für 10,50 €, Ausbau im Beton, das kommt ja auch wieder in Mode. Spannende Entwicklung.

Châteaux der Lurton-Familie, Bordeaux

8 Bordeaux

Claire Villars-Lurton und Gonzague Lurton führen ein kleines Imperium von hochklassigen Bordeaux-Weingütern. Die Weine sind in den letzten Jahren noch einmal deutlich besser geworden, verbinden Bioanbau und Topanspruch. Alle pflegen zudem den eleganten Stil, nicht das Pompöse, was mir persönlich sehr gut gefällt. Und alle Weine gibt es auch bei der Millésime Bio. Ich spreche von Château Durfort-Vivens, Margaux, 95 Punkte für den 2019er im RVF-Guide. Cabernet Sauvignon-dominiert, 30% Ausbau in der Amphore, 70% im neuen Holz, 55 € ab Hof. Château Ferrière, ebenfalls Margaux, ist ähnlich strukturiert, preislich ein bisschen darunter. Schließlich gibt es noch Château Haut-Bages Libéral aus Pauillac. Alle hatten offenbar auch äußerst vielversprechende 2020er bei den Primeurproben angestellt. Jedenfalls macht sowas durchaus (wieder) Lust auf das hochklassige Bordeaux.

Château Fougas, Bordeaux

10 Fougas Maldoror Biowein

Preislich ein wenig darunter ist das Château Fougas ausgerichtet, einer der wenigen echten Biowein-Halbklassiker in französischen Hypermarchés. Die Cuvée Maldoror hatte ich bei meinem letzten Elsass-Besuch für 9,95 € im Auchan gekauft. Regelmäßig auch hochgelobt in den Guides, hat die RVF der 2019er Version 92 Punkte gegeben. Man muss allerdings eine pflaumigere Merlot-Dominanz mögen, reifer, ein bisschen neuweltiger wirkend als die Lurton-Cabernets.

Château Jean Faux, Bordeaux

11 Jean Faux Bordeaux Biowein

Bei Château Jean Faux war ich schon bei meinem Millésime Bio-Besuch 2020 quasi zu Gast. Und ich kann mich nur wiederholen, das sind tolle Weine, vor allem die Weißen Les Pins Francs und Sainte-Radegonde. Super gastronomisch, gleichzeitig pikant und entspannt. Mit ihrem früh zu konsumierenden Roten C’Pas Faux aus 100% Merlot haben die Collottes beim Millésime-Concours mitgemacht und gleich mal die Goldmedaille gewonnen. Wundert mich überhaupt nicht. Wein am Limit hat zum Beispiel Les Pins Francs für 17,90 € am Start. Überwindet euch und trinkt mal einen weißen Bordeaux.

Bertrand-Bergé, Languedoc

Täusche ich mich, oder hat der Super-Languedoc-Boom vom Anfang der Nuller-Jahre auch ein bisschen nachgelassen? Jedenfalls gehören die Weinbergspreise gerade in der Ebene von Languedoc und Roussillon zu den günstigsten Frankreichs. 2020 kostete in der AOP Rivesaltes ein Hektar durchschnittlich 7.500 € gegenüber zum Beispiel 850.000 € für die einfachsten Champagne-Lagen. Nur falls ihr ein neues Betätigungsfeld sucht. Cool Climate rules irgendwie, und auch im Languedoc zieht sich alles Angesagte in die relative Höhe, Terrasses du Larzac vor allem.

Bei der Millésime Bio gibt es ein paar interessante Güter aus den Randbereichen. Von der Domaine Bertrand-Bergé finde ich Les Mégalithes am interessantesten. 90 Jahre alte Carignan-Reben, 15 € ab Hof, 92 Punkte im Grünen für die 2019er Version. Wir sind übrigens im Inland-Teil von Fitou, eine wildromantische Gegend, wenn ihr mal schauen mögt.

Domaine de Cazaban, Languedoc

Cabardès, eine noch etwas abgelegenere Appellation bei Carcassonne, also schon halb in der Cassoulet-Gegend. Die Domaine de Cazaban bringt einen ganz erstaunlichen Biowein mit zur Messe, Naissance d’un Grand Blanc. 100% Grenache blanc vom Schiefer, Barrique, Bâtonnage, also alles sehr burgundisch. Wer dafür keine 30 € ausgeben möchte, bekommt für 10 € einen sehr schönen und durchaus gehaltvollen Rosé. Gibt’s bereits bei sechs Sterne-Restaurants in Frankreich.

Domaine de Cébène, Languedoc

Cébène, das ist ein Weingut in Faugères, und das wiederum bedeutet Schiefer in der Höhe. Les Bancèls ist Syrah- und Belle Lurette Carignan-dominiert. Beide Rotweine stammen von nach Norden ausgerichteten Hängen, sehr geringe Erträge, beide etwa 20 €. Das ist die neue, kühle Languedoc-Version.

Während ich mich virtuell umsehe, chattet mich ein Winzer an, getarnt als Besucher (ja, sowas gibt’s): Ob ich mich für seine brandneuen Piwi-Weine aus dem Languedoc interessieren würde. Die Stöcke seien allerdings erst 2019 gepflanzt. U.a. Soreli, Floréal und Artaban, Sorten, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Weniger Pflanzenschutz, mehr Umweltschutz, die Piwis in Frankreich entwickeln sich rapide; das wird noch spannend.

Domaine de la Réserve d’O, Languedoc

12 La Réserve d'O Languedoc Biowein

Jetzt sind wir wirklich in den Terrasses du Larzac, also dort, wo Olivier Jullien schon immer war. Von der Réserve d’O kenne ich die normale Cuvée, ein wunderbar ausgewogener Wein, sehr frisch und sauerkirschig für den Süden… Bei der Millésime gibt es dafür den Bachi-Bouzouc, laut Winzerpaar eine Hommage an Captain Haddock von Tim & Struppi, 100% Grenache, 17 €. Ich traue es ihnen sogar zu, aus dem alkohollastigen Grenache einen feinen und eleganten Wein hinbekommen zu haben.

13 Vouvray Clos du Bourg Huet

Patrick Baudouin, Loire

Loire, die Traumregion. Patrick Baudoin ist ein Großmeister der edelsüßen Loireweine, also richtig old school. Bei der Millésime gibt es aber auch seine trockenen Anjou-Chenins. Clos des Bruandières 2019 und, ganz neu aus demselben Jahrgang, der Ronceray Les Zersiles. 54 Jahre alte Reben auf perfektem Quarts-du-Chaume-Terroir, reif, wuchtig, ewiglebend. 35 € der erste, 50 € gar der zweite. Für die wirklich festlichen Momente.

Fabien Duveau, Loire

Ein ganz neuer Name für mich, aber er besitzt dieselben Lagen wie Clos Rougeard, Le Bourg und Les Poyeux. Von letzterem kommt sein trockener Chenin, ausgebaut im Barrique, auch als Langläufer gedacht. Den würde ich sofort probieren wollen in Montpellier.

Domaine Haute Févrie, Loire

Haute Févrie, das ist Muscadet, also im Prinzip Meeresfrüchtebegleiter, aber auf die ganz feine Art. Château-Thébaud heißt die Lage, purer Granit, die Reben 50-75 Jahre alt, der Hektarertrag bei 20 hl, der Wein verbrachte 34 Monate auf der Hefe und hat ein Lagerpotenzial von 15 Jahren. Sagt der Winzer. Und kostet 14 €, so sieht’s hier aus.

Domaine des Huards, Loire

Romorantin ist wieder da, die ideale Sorte für Ziegenkäse. Die Gendriers haben auf der Millésime nicht nur den Romo dabei, der an sich schon sehr schön ist, sondern auch ihren Spitzenwein François 1er. Gefühlt ewig habe ich den schon nicht mehr getrunken. 75 Jahre alte Reben, um die 20 €, ein echter Charakterkopf.

Terra Vita Vinum, Loire

Terra Vita Vinum, das klingt wie der Kunstname einer riesigen Genossenschaft, weshalb ich beim letzten Mal darum zunächst einen Bogen gemacht hatte. Tatsächlich sind es aber nur zwei Leute im Anjou, Luc Briand und Bénédicte Petit, die auf der ehemaligen Domaine Richou Biowein produzieren. Am schönsten ist vielleicht ihr komplett trockener Chenin Grand Vau, frische Zitrusfrüchte und viel Energie. 18 €.

Lothringen

14 Côtes de Toul

Oben seht ihr ein Foto von der Côtes de Toul in Lothringen. Tatsächlich gab es da vor der Reblauskrise im 19. Jahrhundert beachtlich viele und offenbar auch beachtlich gute Weine. Zwei Bio-Weingüter aus dem aktuellen Lothringen sind bei der Millésime Bio dabei, Claude Vosgien und die Domaine Lelièvre. Beide haben zwar mehr zu bieten als trockenen Rosé, aber der Gris de Toul ist ja irgendwie der signature wine für die Region. Macht auch wirklich Spaß und ist sehr originell. Solltet ihr auf jeden Fall probieren, 9,50 € bei Vosgien, 11 € bei Lelièvre.

Clos Cibonne, Provence

15 Clos Cibonne

Aus der Provence ist mir nur ein einziges Weingut wirklich aufgefallen, dafür ein ganz Besonderes. Clos Cibonne ist nämlich frisch zertifiziert und deshalb zum ersten Mal dabei. Berühmt ist Clos Cibonne für Rosé von der uralten und seltenen Rebsorte Tibouren und natürlich auch für die ebenso altmodischen Etiketten. Es gibt den „normalen“ Rosé (18 €), die Cuvée Spéciale des Vignettes (23 €) und den einzigen roten Tibouren, den ich überhaupt kenne (22 €). Eine Zeitreise der besonders angenehmen Art.

Montirius, Rhône

16 Montirius Biowein Betontanks

Die Rhône war meine erste französische Liebe überhaupt. Diplomarbeit Carpentras 1996, allein im Zimmer des Berufsschulwohnheims, aber es gab Kühlschrank und Kochplatte. So ging das los mit dem Wein bei mir. Wesentlich aktueller ist mein Besuch bei Montirius, einem relativ großen Biodyn-Weingut, gelegen mitten in der Natur. Ich hatte mir zunächst mit Winzer Eric Saurel unterhalten und mir dann die Parzellen in Vacqueyras und Gigondas angeschaut. Eric Saurel bevorzugt aus stilistischen Gründen einen Ausbau im Beton, also Mikro-Oxidation ohne Holztouch. Das sieht zwar nicht immer so schmuck aus wie im Barriquekeller, führt aber im konkreten Ergebnis zu sehr eleganten, puren Rhône-Gewächsen. Den Jardin Secret, 100% Grenache, 18 Monate Ausbau im Beton, habe ich dort nach dem Probieren gekauft. 16 € ungefähr.

Biowein von der Genossenschaft, Südrhône

17 Cairanne

Die südliche Rhône bedeutet für mich nicht nur persönliche Erinnerungen und sehr gute Weine. Ich finde die Region auch deshalb so faszinierend, weil sie ideale Bedingungen für mediterrane Rotweine bietet: sommertrocken, windgeprägt (= kaum Pilzkrankheiten), viel Sonne und im hügligeren Terrain relativ hohe Tag-Nacht-Temperaturunterschiede. Soll heißen: Hier ist Biowein für alle möglich. Das haben auch die dortigen Genossenschaften begriffen, deshalb gibt es u.a. jene aus Cairanne, aus Nyons (das berühmte Olivenöl!) und Saint-Pantaléon auf der Millésime Bio. Ich hatte schon einmal sechs von diesen Genossenschafts-Bioroten gegeneinander getestet: Damals war Vaison-la-Romaine vorn, aber alle erfüllten meine Erwartungen vollauf.

Domaine Saint-Germain, Savoyen

Letztes Gut aus Frankreich: die Domaine Saint-Germain aus Savoyen, Alpen also. Bei der Millésime Bio hatte ich bereits die immens kernigen Roten aus den autochthonen Rebsorten Mondeuse und Persan (sehr selten) getestet. Mein Favorit dabei: Le Pied de la Barme, 15,50 € ab Hof, ein Bergwein par excellence.

Biowein aus Italien

18 Italien Fiat 500

Loacker, Südtirol und Toskana

Loacker, das muss ich zugeben, kenne ich als Namen erst einmal von den Süßwaren in italienischen Supermärkten. Aber Unternehmensspross Rainer Loacker wollte etwas ganz anderes aus seinem Leben machen und ist einer der großen Ökopioniere der Region geworden. Seit über 40 Jahren macht die Tenuta Loacker Biowein, mittlerweile sind es Rainers drei Söhne. Und das nicht nur in Südtirol, sondern auch in der Toskana. Von dort kommt der Corte Pavone Rosso di Montalcino, 16,50 € ab Hof, schön energisch und – wie so viele italienische Weine – ein exzellenter Speisenbegleiter.

Luretta, Emilia-Romagna

Das zweite italienische Weingut, das ich hier kurz vorstellen möchte, heißt Luretta und befindet sich in der Emilia. Es ist übrigens auch im Slow Wine Guide gelistet, einem Weinführer, den man als Italienfan besitzen sollte. Mein Tipp dabei: der weiße Boccadirosa aus 100% Malvasia Aromatica di Candia. Ein ganz ähnliches Exemplar aus der Gegend hatte ich schon einmal bei meinem Natürlichen Dienstag vorgestellt.

Und damit bin ich tatsächlich durch bei meinem Parfoceritt durch Biowein und Bioweinmesse. Sollte nach nicht weniger als 3.466 Wörtern allerdings auch mal der Fall sein. Trotz der nicht gerade unaufwändigen Fieselarbeit für diesen Artikel muss ich aber zugeben, unterwegs so richtig Lust auf einen schönen Wein bekommen zu haben. Ich mache auf… hm, den kleinen Auxerrois vom Zwölberich. Passt super zum Essen, und bei so einem Montagswein geht die Woche schon mal gut los.

19 Südrhône

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