Es gibt Weine, die kauft man sich einfach aus Neugier. Manchmal reizt einen das wunderbar geschmackvolle Etikett (ich wies neulich bei der Old World Winery darauf hin), manchmal fühlt man sich an irgendetwas Vergangenes erinnert, manchmal denkt man aber auch: “Nee, oder?!” So wie hier. Ihr seht auf dem Foto die Frauenpower von Alanna LaGamba, die mit der ehrlichen Selbsteinschätzung most important wine ever made auf dem Etikett daherkommt. Das ist in der Tat bold, aber auch witzig und plakativ, zwei Eigenschaften, die der deutsche Weinbau so gar nicht in sich trägt. Wenn ihr jetzt noch wüsstet, dass ich den Wein zwar in vielen Online-Shops gesehen habe, er aber fast überall ausverkauft war, würdet ihr vielleicht auch zugegriffen haben.
Frauenpower Vol. 2 von Alanna LaGamba
Alanna LaGamba kommt aus Toronto, und wie es diese jungen Menschen heutzutage so tun, ist sie vor ein paar Jahren nach Berlin gegangen. Dort traf sie auf einer Weinmesse Marto Wörner aus dem Rheinhessischen, der solche Sachen macht. Sie sagte zu, bei der Lese zu helfen, und jetzt haben wir den Salat. Alannas Erstlingswerk Mehr Frauen? Ja bitte! muss derartig explosive Eigenschaften besessen haben, dass ich bei einem Online-Store die feine Warnung fand (original in Großbuchstaben) “OPEN EXTREMELY COLD AND WITH CAUTION. RECOMMENDED TO OPEN OVER A SINK WITH GLASSES IN HAND.”
Ganz so offensiv scheint die Zweitausgabe des Vin de LaGamba nicht geworden zu sein, aber Inhalt und Bereitungsweise sind weiterhin ähnlich. Es handelt sich nämlich um Dornfelder (von dem Marto angeblich nicht wusste, was er damit anfangen sollte) und Silvaner. Früh gelesen, beim Dornfelder die ganzen Trauben ins Behältnis und anschließend zwei Wochen Kohlensäuremaischung, ein Teil allerdings Direktpressung wie beim Silvaner. Abgefüllt als PetNat, entsprechend nicht degorgiert, nicht geschönt, ungefiltert, ungeschwefelt. Und mit 9,5 vol% genau dort, wo ein crispy wine hingehört.
Wie schmeckt der Wein?
Ich habe alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten. Wein runtergekühlt und vorsichtig in der Spüle mit dem Flaschenöffner den Kronkork abgemacht. Und? Nichts passiert. Außer dass ein perlendes, purpurfarbenes Getränk ins Glas fließt. Ist also halb so wild. In der Nase gibt es deutliche Gäraromen der guten Sorte, die ich nicht als Stinkerle, sondern als halbfertig bezeichnen würde.
Am Gaumen gibt es das erwartete Brausen, dann aber sofort eine Frucht, die für mich eindeutig nach Holundermark schmeckt. Dazu kommt ein leicht grünbuschiger Frischetouch, und wenn man wartet, bis das Perlen ein bisschen nachgelassen hat, kann man den LaGamba-Wein auch in großen Schlucken trinken. Refreshing ist das, unkompliziert, leicht im Alkohol. Ich fühle mich an einen roten Vinho Verde aus Portugal erinnert wegen der Trockenheit und der Alkoholleichte. Vom Lambrusco Grasparossa kommt hingegen das kräftige Perlen und die dunkle Frucht. Die Flasche wird jedenfalls schnell leer. Am Boden gibt es jede Menge Weinstein und anderen Ausfall, aber lasst euch davon nicht beeindrucken. Wenn man sich auch nur einigermaßen geschickt anstellt, landet nichts davon im Glas.
Wo kann man ihn kaufen?
Ich musste ganz schön suchen, um den Wein noch aufzutreiben. Ich selbst hatte ihn bei der Vinoteca Maxima für 15,90 € gekauft, aber dort gibt es ihn nicht mehr. Weinfurore, 8greenbottles, Vinpur, überall schon weg. Gefunden habe ich den 2019er LaGamba schließlich bei Weinskandal und bei More Natural Wine. Es gibt allerdings auch schon den Nachfolgejahrgang 2020.
Falls ihr Spaß habt an einem solchen Wein und Frauen kennt, die das ähnlich sehen würden, ist das auch ein wunderbares Geschenk. Die liebe Mama, die große Schwester, die Frau vom Betriebsrat, die Freundin, die Mitstudentin – alle freuen sich über ein bisschen mehr Frauenpower. Und der Kollege mit den Flachwitzen liest erst ganz langsam und tut dann, was auf dem rückseitigen Schild der geschenkten Flasche steht: “Bitte vor dem Öffnen kräftig schütteln!”