Ladies & Gentlemen, es ist wieder mal soweit. Einmal im Jahr gibt es bei mir im Testlabor keine edlen Burgunder oder freakigen Orange Wines, sondern feine Rebsäfte aus dem Discounter. Dabei kann ich auf eine Auswahl zurückgreifen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar schien. Weine aus Deutschland gab es seinerzeit nur in sumpfsüß oder gar im Tetrapack. Mittlerweile stehen da Promi-Produkte von Günther Jauch und Fritz Keller, von VDP-Cracks wie Leitz oder Van Volxem. Und zwar nicht auf Fußhöhe, sondern in der Premium-Sichtachse im Regal. Drei Fragen werden mich diesmal umtreiben: 1. Sind die Weine gut? 2. Ähneln sie den “echten” Weinen der beteiligten Weingüter, oder ist da nur der Name aufgepappt? 3. Wer hat letztlich die Nase vorn, Aldi oder Lidl?
Die Wettbewerbsbedingungen
Ich habe alle sechs Weine bei Aldi und Lidl im Nürnberger Umland erstanden. Der günstigste Wein war der Lemberger der Felsengartenkellerei mit 3,89 €. Dann geht es in die Vier- und Fünf-Euro-Liga. Oben stehen die beiden Rieslinge der VDP-Güter, Leitz für 6,99 € und Van Volxem für 8,99 €. Die Weine habe ich dann in drei Duelle gepackt, denn “Best of Three” schien mir die einfachste Möglichkeit, zum Schluss einen Sieger küren zu können.
Getestet habe ich tatsächlich erst blind, um völlig losgelöst von Namen und Herkunft die Weine zu schmecken. Dann habe ich die Etiketten aufgedeckt, weil ich ja wissen wollte, ob die Discounter-Produkte den anderen Weinen des jeweiligen Weinguts ähneln. Letztere habe ich teilweise selbst im Keller, teilweise aber auch bei Veranstaltungen probiert wie der VDP-Weinbörse, der ProWein (beides nebenbei bemerkt Messen, bei denen Günther Jauch persönlich am Stand steht) oder auch als Fastaff-Guide-Tester. Jetzt aber los zum Test. Aldi ist immer links auf dem Foto, Lidl rechts.
Duell 1: Keller Spätburgunder vs. Felsengarten Lemberger
Zwei Rotweine stehen als erstes an, einer aus Baden und einer aus Württemberg. Ja, das Doppelnamen-Bundesland trennt da wirklich sehr scharf seine historischen Anbaugebiete. Fritz Keller ist Starwinzer, Sterne-Gastronom und nebenbei noch DFB-Präsident. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das alles ohne Double geht. Die Felsengartenkellerei hingegen ist eine große Genossenschaft am Mittleren Neckar, einer ziemlich prächtigen Weinregion mit spektakulär terrassierten Weinbergen. Beide Rebsorten gelten als edel. Der Spätburgunder wegen seiner Burgund-Beziehung ohnehin, aber auch der Lemberger als zweitliebste schwäbische Rebsorte hat in den letzten Jahren zunehmend an Ansehen gewonnen.
Helleres Rot bei Keller, Walderdbeere in der Nase, wirkt fast leicht klebrig. Im Mund ist das ein rauchig-pfeffrig-erdbeeriger Wein, dem irgendwie ein bisschen die Frische abgeht. Fritz sagt auf dem Etikett, “das ist meine Vorstellung von 100% Baden”. Schwer zu sagen, ob das ein Kompliment sein soll.
Die Farbe beim Lemberger wirkt etwas dunkler, aber für die Rebsorte nicht gerade kräftig. In der Nase zurückhaltend, ist der Wein im Mund glatt, mild, komplett gerbstofffrei und schmeckt ein bisschen nach dunkelroten Gummibärchen. Das ist nicht schlimm, aber das Gegenteil von kernig.
Begeistert bin ich von beiden nicht. Kellers Fritz ist zu sumpfig, der Lemberger aus dem Felsengarten ein Rentner-Roter. Aber ein deutscher Rotwein für weniger als 5 € lässt sich auch echt schwer realisieren. Ein Mini-Plus dennoch für Aldi.
Duell 2: Riesling Leitz vs. Riesling Van Volxem
Zweimal Riesling von namhaften Betrieben. Riesling bedeutet in Deutschland die Königsklasse, auch wenn er deutlich mehr polarisiert mit seinem prägnanten Süße-Säure-Spiel als sagen wir ein Silvaner oder Grauburgunder. Das Weingut Leitz befindet sich im Rheingau, ist in den letzten Jahren mächtig gewachsen und hat deshalb aus eigener Erzeugung seinen Gutsriesling angestellt. Van Volxem ist als Weingut unter Bitburger-Gerolsteiner-Family-Man Niewo ebenso mengenmäßig ambitioniert unterwegs, macht das Ganze aber an der Saar. Bei Van Volxem stammen die Trauben allerdings von den (sieben) Friends, der Wein ist auch nicht als trocken deklariert (also feinherb).
Josi Leitzens Rheingau-Riesling besitzt einen haptisch edlen Schrauber, und auf dem Etikett gibt es wie bei Fritz Keller Rotgold. In der Nase wirkt der Wein sehr jung, apfelig in Richtung James Grieve. Im Mund ist das eindeutig Riesling, harmonisch trocken, sprich mit etwas Restsüße und durchaus knalliger Säure. Nicht leicht zum Essen zu kombinieren, aber keine Enttäuschung.
Die Van Volxem-Freunde werben mit Handlese auf dem Etikett. Ebenso edel-matter Schrauber, sehr heller Traubenton in der Nase, dazu ein bisschen Kokos-Bounty und etwas Aprikose. Im Mund ist der Wein milder, also ein bisschen süßer, aber ich schmecke tatsächlich den Van Volxem-Stil. Gleißende Traube und leckere Aprikose, achtet mal darauf. Es bleibt auch der einzige Wein der Runde, der mit zunehmender Temperatur die Spannung hält.
Bei diesem Duell liegt Lidl eindeutig vorn. Allerdings kostet der VV auch 8,99 €, und für diesen Preis fallen einem dann schon ein paar Nicht-Discounter-Weine ein…
Duell 3: Cuvée Jauch vs. Cuvée Hammel
Letztes Duell, Cuvée gegen Cuvée, Günther Jauch gegen die Liquid Love Edition von Hammel & Cie. Günther Jauch hatte ja vor einigen Jahren das Weingut Von Othegraven an der Saar übernommen. Seitdem macht Kellermeister Andreas Barth dort wunderbar zart-wilde Kabinette. Dieser Wein allerdings stammt von verschiedenen Rebsorten aus ganz Deutschland, meinethalben mal angeschnuppert von Jauch & Barth, ansonsten aber ein reiner Namenwein. Nicht ganz so prominent sind Hammel & Cie, ein alteingesessener Betrieb an der Pfälzer Weinstraße. Auch hier gibt es keine Infos zu den Rebsorten – es ist halt eine Cuvée.
“Was kann Günther Jauch?”, hatte ich in der Überschrift gefragt. Jedenfalls duftet er schon mal gut, aber lustigerweise komplett unmoselig und viel mehr nach Liquid Love. Blumig, traubig, muskatig, ich tippe auf Muskateller, ein paar aromatische Neuzüchtungen, dazu eine Basissorte. Rosenblüte an der Zungenspitze, ein bisschen seifig, null lagerfähig. Das ist ein Wein, der am besten kühl und frisch getrunken werden sollte. Ich lobe aber den Mut, hier einen (zugeschrieben) feminineren Touch mit hineinzubringen.
Und was kann Christoph Hammel? Die Pfalz ist ja die Heimstatt für saftig-erdige Weine, und das zeigt die Nase schon an. Aprikose, eher Blutorange sogar. Im Mund ist die Liquid Love-Edition süße-säure-mäßig etwas milder abgestimmt als das Jauch-Gewächs. Ich sage nicht behäbig, und ich denke auch nicht an Helmut Kohl, aber Günther hatte das ein bisschen zarter hinbekommen.
Beide Weine sind nicht schlecht und richtig massentauglich. Aber während sich Jauch an die Blumigkeit traut, steht der Hammel-Wein irgendwie zwischen den Stühlen: Nicht floral genug, um kinky zu sein, nicht kernig genug, um aus der Erde zu stammen. Vorteil für Aldi.
Das Fazit
Und damit sind wir beim Fazit. Drei Fragen hatte ich ja vorher gestellt, die ich in diesem Test beantworten wollte.
1. Sind die Weine gut?
Gut ist ja eine relative Kategorie, die nicht zuletzt mit Erfahrungswerten und Erwartungshaltung zusammenhängt. Keiner der getesteten Weine ist jedenfalls richtig schlecht, wie ich das vor einigen Jahren bei einer überraschend masochistischen Probe schon mal verspürt hatte. Die Weißen wirkten mir diesmal ein wenig schmackhafter als die Roten. Dass wir es hier mit absoluten Massenweinen in sechsstelliger Flaschenanzahl zu tun haben, darf nicht verwundern, wenn es um Deutschlands größte Weinhändler geht. Individuell interessant fand ich dabei die Entscheidung von Günther Jauch, seinen Wein so blumig gestalten zu lassen, wie man das bei Namen und Etikett niemals erwarten würde. Und der Van Volxem-Wein, der ist wirklich gut.
2. Ähneln sie den “echten” Weinen der beteiligten Weingüter?
Ja und nein, wobei das keine ausflüchtende Antwort ist, sondern jeweils sehr unterschiedlich pro Weingut. Bei Fritz Keller und Günther Jauch sind die eigenen Weine sehr, teilweise extrem anders. Der Keller’sche Wein ginge vielleicht noch als unterste Sortimentsabrundung durch, aber bei Von Othegraven gibt es total andere Weine als hier unter dem Jauch-Etikett. Beim Hammel-Wein erkenne ich schon den Pfalz-Stil, aber bei aller (liquiden) Liebe, das ist natürlich auch kein Spitzenweingut. Noch weniger trifft dies auf die Felsengartenkellerei zu, die aus berückender Landschaft solide Genossenschaftstropfen holt. Van Volxem hat seine Freunde schließlich gut im Griff. Und bei Leitz ist das schlichtweg der Gutsriesling, der halt in einer etwas größeren Menge hergestellt wird.
3. Wer hat die Nase vorn, Aldi oder Lidl?
Die leichteste Frage zum Schluss. 2:1 für Aldi, simple as that. Allerdings stammt mein Siegerwein von Lidl. Der wiederum war auch der teuerste Wein in der Verkostung. Und das wiederum lässt mich persönlich fragen, weshalb man dann überhaupt Wein im Discounter kaufen muss. Aus Bequemlichkeit vermutlich. Was brauchen wir, hm, mal wieder Appetit auf Packwurst, dann die Schokoriegel, Klopapier, vom Grabbeltisch den Akkuschrauber für Vattern – na, und dann noch den Wein. Sowas ist nicht gut, sauber und fair, dürfte aber der wesentliche Grund sein.
Mir persönlich hat der Test jedenfalls wieder viel Spaß gemacht, weil ich einfach notorisch neugierig bin. Als nächstes werde ich allerdings dann doch eher einen Vin Jaune aus dem Jura aufmachen; den habe ich mir nämlich verdient.
Das war sehr interessant und auch lustig geschrieben!
Danke fürs probieren – mir fehlt noch der franz. Prominente Depardieu der hat doch auch Weine. Nicht bei den o.g. Märkten.
Den habe ich in der Tat auch schon probiert. Ähnelt ein bisschen der Körperfülle seines Namensgebers 😉 . Wen ich noch nicht geschafft habe, ist Gottschalk von Netto. Aber der Lockdown ist ja noch lang…
Ich war so frei. Habe alle 3 Gottschalks im WeinSpion.
Interessant, hatte ganz vergessen, dass das ja US-Weine sind. Zinfandel Rosé halbtrocken finde ich zwar ziemlich grässlich, aber es ist halt auch so wahnsinnig typisch Amerika… Lustig übrigens, dass ohne Gold auf dem Etikett beim Discounter nichts mehr zu gehen scheint. Die haben jedenfalls erkannt, dass ein auffälliges Etikett mehr als die halbe Miete ist 😉
Stimmt. Soll ja im Regal auffallen. Wobei, wenn’s alle machen… 😉
Booah, Uli Kutting!
Bist Du Freizeitmasochist? Alle drei?
Irgendwo hört’s auf. KEIN Netto vom Netto…
Herrn Gottschalk kann ich mir weder im Fernsehen noch auf der G…bärentüte noch im Glas geben.
Schönen Abend!
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