Schmidt ist nach Müller der zweithäufigste Familienname in Deutschland. Nimmt man noch die Varianten Schmitt und Schmid dazu, sind die ehemaligen Schmiede sogar ganz vorn. Ein Winzer namens Schmidt hat damit zumindest namensmäßig nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal. Souvignier Gris hingegen ist definitiv nicht der Schmidt unter den Rebsorten. Im Jahr 2015 waren laut offiziellen Angaben 2 ha in Deutschland damit bestockt. Auch wenn diese Zahl inzwischen gestiegen sein dürfte, haben viele Weinliebhaber/innen möglicherweise noch nie einen Souvignier Gris getrunken. Ich schon, wobei es sich in diesem Fall nicht um einen selbstbestimmten Akt handelte. Der Souvignier Gris vom Ökologischen Weingut Schmidt aus Baden stand nämlich als anonymes Getränk auf dem Tisch vor mir. Und zwar beim EcoWinner 2020-Wettbewerb Ende August in Oppenheim.
Souvignier Gris Lösskindl 2019 vom Ökologischen Weingut Schmidt
Mögt ihr komplizierte Geschichten? Ernsthaft? Gut, ich versuche trotzdem, es so einfach wie möglich zu halten. Martin Schmidt ist Winzersohn aus Eichstetten am Kaiserstuhl. Seine Eltern hatten 1987 ein eigenes Weingut gegründet, von Anfang an biologisch, seit 1993 als Ecovin-Mitglied. Martin wollte auch Winzer werden, gewann im Jahr 1999 sogar den Berufswettbewerb, aber das elterliche Weingut war dann doch ein bisschen zu klein für zwei im Saft stehende Generationen. Also ging Martin Schmidt als Önologe zum traditionsreichen Weingut Friedrich Kiefer. Das war selbst zwar auch nicht viel größer, aber es fungierte als Zentrum einer angeschlossenen Erzeugergemeinschaft. Auf diese Weise kamen jedes Jahr mehr als eine Million Kiefer-Flaschen auf den Markt.
Als im Jahr 2008 niemand von den Nachfahren das Weingut Kiefer weiterführen wollte, kauften es Martin Schmidt und seine Frau Helen, eine Ernährungswissenschaftlerin, kurzerhand (oder vermutlich eher langerhand). Fünf Jahre später übernahmen die beiden auch noch das elterliche Ökologische Weingut Schmidt und sind damit mengen- und variantenmäßig echte Player geworden. PiWis spielten bei den Schmidts schon immer eine Rolle. Souvignier Gris ist eine dieser pilzwiderständigen Sorten, eine Kreuzung aus Seyval Blanc und Zähringer, unempfindlich gegen Falschen wie Echten Mehltau, Verrieselung und Stiellähme.
Der Souvignier Gris Lösskindl, benannt nach den verdichteten Kalkanreicherungen im Lösslehm, ist nun ein Kaiserstühler Wein with a twist. Reben ohne Pflanzenschutz, spontan vergoren, ausgebaut im Holzfass, unfiltriert abgefüllt.
Wie schmeckt der Wein?
Souvignier Gris heißt nicht umsonst gris, denn die Beeren nehmen bei der Reife einen rötlichen Ton wie beim Gewürztraminer oder Grauburgunder an. Mit ein bisschen Maischekontakt kommt auf diese Weise ein mittelgoldener Wein mit leichten Orangestich heraus. In der Nase gibt es deutlich Frucht, reife Aprikose, aber auch etwas Florales, Orangenblüte, dazu Fenchel, Kräuter und zusätzlich geröstete Haselnuss vermutlich vom Holzausbau. Soll heißen: Da passiert eine Menge, und ich nehme an, dass sich diese Nuancen je nach weiterer Reife und Luftzufuhr auch noch wandeln werden.
Im Mund denke ich dann, ist das ein Orange Wine, ist das kein Orange Wine, ist das ein Naturel, ist das kein Naturel…? Irgendwie hängt der Lösskindl-Souvignier zwischen den idealtypischen Stühlen. Ich nehme einen gewissen Grip wahr, der aber nicht so gerbstofflastig ist wie bei strengeren Maischevergorenen. Weil der Wein mit einer “minimalst notwendigen Menge an Schwefel” abgefüllt wurde, was so viel heißt wie “mehr als nichts”, ist da auch ein Hauch an Naturel-Bratapfel.
Was aber ganz klar im Vordergrund steht, das ist die Reife nach Art der Kaiserstühler Sonne. Gelbe Frucht, die weit und reich daherkommt, mittlere Säure, und wegen der hohen Reife ein Süßegefühl, das analytisch aber nicht da ist (1,4 g RZ und 13,5 vol%). Mit etwas Luft und interessanterweise erst dann kommt auch noch ein stachelbeerigeres Aroma, das ein bisschen an Sauvignon erinnert. Aber der würzig-reife Kaiserstuhl-Stil setzt sich schließlich durch.
Wo habe ich ihn gekauft?
Wo ich den Wein gekauft habe, ist eine Standard-Zwischenüberschrift des Natürlichen Dienstags. Denn ihr wisst ja schon von weiter vorn, dass ich diesen Wein beim EcoWinner-Wettbewerb probiert habe. Allerdings blind. Weil er mir da aber gefallen hatte, hatte ich ein Kreuz an die Nummer gemacht und nachher gefragt, was das denn gewesen war. Ich war allerdings nicht der einzige, den dieser Wein beeindruckt hatte, denn der Souvignier Gris wurde nachher mit der Auszeichnung als EcoWinner bedacht. Rubrik Experimentelle Stillweine übrigens, also schon nicht unbedingt die Schoppenwein-Richtung.
Ab Weingut beim Schmidt- und Kiefer-Shop kostet der Lösskindl-Souvignier 2019 genau 13,65 €, was ich für einen mehr als angemessenen Preis halte. Bei der Beschreibung hatte ich ja gewisse Schwierigkeiten, diesen Wein in ganz fixe Kategorien einzuteilen. Vielleicht könnt ihr das beim Probieren ja nachvollziehen. Auf jeden Fall wirkt er ein bisschen konventioneller als der Pinot Orange von Brüder Dr. Becker, den ich ja vor ein paar Wochen schon vorgestellt hatte.
Was allerdings keinerlei Probleme bereitet, das ist der Einsatzbereich des Weins. Ich würde den Souvignier nicht zu kalt trinken und ihn mit Speisen Pasta mit Waldpilzen und Sahnesauce oder auch einem leicht mediterranen Gemüseauflauf kombinieren.
Wenn ich nicht gerade beim Ökoweingut Zang bestellt hätte, würde ich nach dieser tollen Beschreibung direkt beim Ökologischen Weingut Schmidt ordern 😁
Genau mein Ding!
Freut mich! Obwohl, das eine tun und das andere nicht lassen, sowas geht auch 😉. Es sei denn, es handelt sich um eine Palette bei Zang 😀