Rakete, habe ich gehört, soll auf Wienerisch nicht nur einen Flugkörper mit Rückstoßantrieb bezeichnen, sondern auch einen Zustand. Nämlich den des leichten Angeschickertseins. Genau dafür ist dieser Wein auch gedacht. Nicht für die Punkte im Weinguide, sondern für den Spaß. Shake resolutely, drink chilled, steht da auf dem Etikett auf gut Weanerisch, und nach dieser Gebrauchsanweisung werde ich auch handeln. Winzerin Jutta Ambrositsch, zu der ich gleich noch komme, heißt übrigens seit ihrer Heirat nicht mehr Ambrositsch, sondern Kalchbrenner. Der Einfachheit und der Markenkontinuität zuliebe bleibt es aber offiziell auch auf ihrer Website beim Weinbau Ambrositsch. Jetzt aber her mit der Rakete!
Jutta Ambrositsch Rakete
Das Weingut selbst ist noch eine relativ junge Geschichte. Jutta Ambrositsch hatte in Wien Grafikdesign studiert und auch in dem Bereich gearbeitet, als sie im Sommer 2004 einen kleinen Weingarten im burgenländischen Eisenberg hüten durfte. Ihre Eltern waren zu ihrer späteren Schulzeit dorthin gezogen. Wieder zurück in Wien, machte sie sich sofort auf, alte Weinberge zu finden. Zu jener Zeit war der Wiener Wein noch nicht ganz so hip, die ältere Generation fand oft keine Nachfolger, und so bekam sie ein paar wahrhaft interessante Parzellen zusammen.
Bis heute ist die Mehrheit ihrer 4 ha Weinberge im Gemischten Satz angelegt. Und bis heute hat sie kein Weingut, weil die ganzen Gerätschaften viel zu teuer wären. Also arbeitet sie mit Winzern wie Rainer Christ und Peter Bernreiter zusammen, in deren Keller sie die Weine ausbaut. Im Weinberg wird alles biologisch bewirtschaftet, allerdings nicht zertifiziert. Daneben führt Jutta noch einen Buschenschank in Residence, wie es offiziell heißt, also einen, der ab und an seinen Standort wechselt.
Die Rakete 2019 ist ein komplett unkonventioneller und unverkopfter Wein. Er besteht aus Rotburger, Sankt Laurent, Blauburger, Merlot und ein paar unbekannt gebliebenen weißen Reben, die halt auch im Feld stehen. Rotburger ist übrigens der Alternativname für Zweigelt, und Blauburger eine Kreuzung aus Portugieser und Blaufränkisch. Die Rakete wurde direkt aus dem Tank mitsamt der Feinhefe abgefüllt. Mal schauen, ob sie auch richtig abgeht…
Wie schmeckt der Wein?
Also erstmal Entwarnung bzgl. Rückstoß. Das Schütteln wirbelt zwar den feinkörnigen Trub vom Flaschenboden auf und verteilt ihn, aber es gibt keine Kohlensäure in meiner Flasche, die hochschießen könnte. Farblich haben wir es mit einem hellen Blaurot zu tun, sichtlich jung. In der Nase spüre ich viel Frucht, Kirsche, Himbeere, Cranberry, dazu die Hefigkeit. Alles macht einen sehr frischen, gerade erst zu Wein gewordenen Eindruck. Selbst wenn das täuscht, denn die Feinhefe dürfte die Rakete auch noch deutlich länger frisch halten.
Der erste Schluck im Mund lässt mich grinsen. Das ist nämlich ein, wie soll ich das ausdrücken, feinsäuerlicher Wein. Nicht abgesanftet, schaumgepolstert und vernettigt, sondern richtig trocken, richtig erfrischend, richtig leicht (11,5 vol%) – und halt feinsäuerlich. Meine Schwiegermutter, weit bevor ich sie kannte, liebte Radebeuler Wein, “weil der so schön sauer ist”. Mittlerweile ist Radebeuler Wein nur höchst selten sauer und will das auch auf Deubel komm raus nie mehr sein.
Ich sollte ihr die Ambrositsch-Rakete servieren. Nicht weil die Rakete wirklich sauer wäre, aber weil sie auf eine pikant-leichtfüßige Weise super animierend daherkommt. Die schneidet fetteres Essen durch wie nix (ich denke an Liptauer, Schmalz, Blunzen). Selbstverständlich gibt es bei einem solch frisch abgefüllten Wein wenig Würze, Tiefe und Tannine. Und richtig kalt muss er auch nicht sein, eher speisekammerkühl. Aber das ist doch mal ein kerniger Speisenbegleiter.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe die die Rakete von Jutta Ambrositsch bei Karl Kerler in Nürnberg, und zwar direkt ab Garage. Wer woanders wohnt, kann den Wein auch online bestellen. 13,95 € kostet das gute Stück.
Ein bisschen erinnert mich die Rakete übrigens an den Trollinger Booom vom Weingut Siegloch aus Württemberg. Primär allerdings wegen der ähnlich knalligen Namensgebung und der leichten, animierenden Art. Die Frucht schmeckt beim Wiener Exemplar nämlich ganz anders, viel rötlich-kirschiger. Mein Vorschlag deshalb: Probiert einfach beide zusammen. Ihr werdet garantiert nicht arm dabei, nur halt ein bisschen rakete.