Andi Weigand hat seine Etiketten überklebt. Und es waren berühmte Namen, die dort standen, jedenfalls im fränkischen Kontext. Im Jahrgang 2018 steht dort nicht mehr Kalb, Echter-Berg und Küchenmeister, sondern Bochen, Herrleiten und Scheckenbach. Und es sind auch bezeichnungstechnisch keine Franken-Geschöpfe mehr, sondern Landweine vom Main. Ob er das willentlich gemacht hat, in bewusster Opposition zum Establishment? “Ha, da habt ihr euren theuren Frankenwein, das gehet mir grad am Gesäße vorbei!” Oder ob die Gewächse in diesem Jahrgang aus Versehen allzu wild daherkamen, endgültig tief in Naturel-Gefilden verankert? In jedem Fall wurde es Zeit, dass ich einen Wein von Andi Weigand hier beim Natürlichen Dienstag vorstelle – und als mittlerweile zehnten Beitrag der SILVANER-SCHAU.
Silvaner Herrleiten 2018 von Andi Weigand
Andi stammt aus Iphofen, wo sich das elterliche Weingut befindet, das er seit dem Jahr 2013 betreut und zunehmend wegführt vom Franken-Schoppen. Vater Werner hatte zwar auch schon herbizidfrei gearbeitet, aber mittlerweile ist das Weingut Mitglied bei Naturland und wird komplett biologisch bewirtschaftet. Andi hatte vorher in Geisenheim studiert und dort vermutlich jede Menge sinnvoller Dinge gelernt, vor allem aber seinen Weinhorizont in praktischer Hinsicht immens erweitert. Coche-Dury, Ganevat, Dagueneau, so heißt es. Wenn man auf diese Weise so weit über den Tellerrand hinausgeschaut hat, ist es irgendwie gar nicht so leicht, einfach wieder zurück zu irgendetwas zu gehen. Man kann ja nicht so tun, als hätte man das alles nie gesehen, nie erfahren. Oder vielmehr, man könnte schon so tun, aber das würde einen mit der Zeit mürbe machen. Also geht es eher darum, aus dem Mitgegebenen und dem neu Erfahrenen einen eigenen Weg zu finden.
Diesen eigenen Weg konnte ich bereits im letzten Jahr bei der ProWein schmecken. Aber das war noch der Jahrgang 2017. Hier steht jetzt also der ehemalige Echter-Berg vor mir, Version 2018: Die Parzelle Herrleiten ist die steilste des ganzen Weinguts und auch noch direkt nach Süden ausgerichtet. Allerdings sind die Reben bereits 45 Jahre alt, wurzeln also tief genug, um trockene Phasen relativ gut zu überstehen. Iphofen bedeutet Keuper, und diese blättrig-staubig-schwefelige Unterlage findet dann auch ihren Weg in den Wein.
Die Trauben für den Herrleiten werden vor der Gärung in offenen Bottichen eingemaischt. Der Saft nimmt dabei die Phenole auf und auch einen großen Schluck Sauerstoff. Dann werden die Trauben gepresst, spontan vergoren, und der Wein darf über einen Zeitraum von elf Monaten im großen Holzfass zu sich finden.
Wie schmeckt der Wein?
Logischerweise war ich nach der ganzen Vorgeschichte sehr gespannt darauf, wie sich der Wein nun präsentieren würde. Im WRINT-Podcast hatte Christoph vor einiger Zeit ja schon den Bochen “vorgetestet”. Ins Glas fließt ein mittelgelber Wein, leicht trüb. Bei dem bewusst oxidativen Ansatz hätte ich ihn sogar noch dunkler erwartet. In der Nase denke ich spontan, “Volltreffer, das ist was für den Natürlichen Dienstag!”, denn es gibt apfelmostige Noten, von vielen verschmäht, von manchen geliebt. Dazu kommt ein feinfruchtiger Touch, grüne Pflaume und frische Traube auf säuerliche Art. Nach dem ersten Schluck muss ich erst einmal aufs Etikett schauen. Sind das tatsächlich nur 12,5 vol%, und das im Jahrgang 2018? Ja, so ist es wohl.
Ich spüre eine mittlere, gut passende Säure, dazu einen gewissen Grip von der Maischestandzeit – und einen Körper, der nun überhaupt nicht mager daherkommt. Deshalb der Blick auf den Alkohol. Ich habe das Gefühl, dass hier jede Menge Stammwürze vorhanden ist, und wenn ich den Wein trocknen würde, hätte ich einen guten Löffel voller Aromen übrig. Frisch geöffnet dominieren Bratapfel, rauchige und malzige Noten, eine wirklich dichte Materie. Das schmeckt wie ein durchaus wilder Wein von einem Winzer aus dem Languedoc. Trotzdem ist mir das in diesem Zustand ein bisschen zu klobig.
Interessanterweise ändert sich das mit zunehmendem Lufteinfluss. Ganz klar, so ein ohnehin oxidativ bereiteter Wein baut da nicht ab, im Gegenteil. Nach fast einer Woche (!) in der geöffneten und wiederverkorkten Flasche finde ich, dass der Herrleiten nun bereit für mich ist. Das Monolithische ist verschwunden, die Aromen sind weiter aufgefächert, die reife Würze aber ist geblieben und lässt den Wein tatsächlich, ja, erhaben wirken.
Wo habe ich ihn gekauft?
Oben auf dem Foto seht ihr einen Blick aus dem Julius-Echter-Berg hinunter auf den flachen Teil des Kronsbergs. Natürlich ist das nicht Andis Parzelle, aber sie vermittelt ein wenig die Steilheit in dieser doch eher sanft welligen Landschaft.
Gekauft habe ich den Herrleiten bei Rot Weiß Rosé in Würzburg, genauer gesagt im Online-Shop, wo er wie beim Weingut selbst 16 € kostet.
Zum Schluss noch ein Tipp für die gepflegte Klugscheißerei beim Weingespräch: Ich hatte hier ja bislang von dem Herrleiten gesprochen, weil ich den Wein meinte. Die Parzelle selbst heißt aber die Herrleiten. Das kommt nämlich vom mittelhochdeutschen Līte, was wiederum mit Lehnen zu tun hat. Die Leite ist also die Gelehnte, die Geneigte oder schlicht der Berghang.
In jedem Fall ist der oder die Herrleiten aus dem Julius-Echter-Berg von Andi Weigand ein Wein für Leute, die keine Angst vor dem Naturel-Touch haben. Und für solche, die es schätzen, dass Weine sich auch entwickeln dürfen. Zwei Gruppen, die, so ist zu hoffen, eine gewisse Schnittmenge besitzen…
Hallo Matthias,
hab davon 18 Flaschen gekauft, weil der mich fasziniert hat. Von “die” Kalb hatte ich aus 17 auch schon mal einen fruchtigen Schwung, der 19er wurde m.E. noch tief gediegender als die Fruity-Träuble-Variante zuvor, von der ich noch eine letzte Flasche (für einen letzten großen Vergleich) hab.
Was mir aber immer noch nicht klar ist: Warum hat er seine Dark-Side-Etiketten aus der Line alle so mit Druckeretiketten überklebt? Ich find das schaut furchtbar aus (aber bringt ihn natürlich ins Gespräch). Ist dir der nähere Background da bekannt?
Andreas
(Slow Food in der Region Bamberg)
Genau weiß ich das auch nicht. Eventuell hatte er schon alles abgefüllt, und dann hat er doch nicht die AP-Nummer bekommen. Oder aber er wollte seinen Stammkunden zeigen (das alte Etikett scheint ja leicht durch), dass das doch die Weine aus den Lagen sind, die sie kennen und nicht eine ganz neue Linie. Ist aber spekulativ, vielleicht sollte ich ihn doch besser selbst fragen… 😉
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hatte er die Etiketten noch, da sie jahrgangsneutral sind – die Infos stehen auf dem Rückenetikett. Nun sind seine neuen Weine Landweine und entsprechend darf er die Lagen nicht mehr draufschreiben.
Mal schauen, ob er mit den alten Gewann-Namen durchkommt. Er war sich da noch nicht so sicher. Auf jeden Fall hat es auch den Effekt, dass man die Weine noch als Übergang zu älteren Stil und deren Herkunft ableiten kann.
Ja, das finde ich auch sehr nachvollziehbar. Deshalb scheinen die alten Namen auch noch durch auf dem Etikett.
Das mit den Parzellennamen ist ja oft nicht so ganz einfach. Ich erinnere mich noch an das Bezeichnungs-Hickhack bei Florian Lauer. Unterstenbersch…
Ja, sowas kommt ja häufiger vor, dass noch alte jahrgangsneutrale Etiketten da sind. Aber es erklärt nicht, warum die alten Etiketten (= nicht mehr verwendbar) vorn auf den Flaschen pappen, da sie ja eh überklebt werden mussten. Ich denke (wie du ja auch schreibst), dass dieses Halbtransparente die Käufer darüber informieren soll, von welchem ehemaligen Wein man die Herrleiten herleiten kann 😉
Okay, jetzt Spekulation beendet 😉 . Andi sagt in der Tat, dass er die Etiketten nicht wegwerfen wollte, weil er sie noch hatte. Das mit dem durchscheinenden Echter-Berg wäre allerdings keine Absicht gewesen, darauf wollte er gar keinen Bezug nehmen. Er findet nämlich die Herrleiten-Parzelle in der Tat viel spannender als den Echter-Berg als Herkunftslage, die ja doch ziemlich ausgedehnt ist.
Die Herrleiten kann man von Līte herleiten. 😀
🙂
Dank euch für den Dialog dazu! Hab ich mit Interesse verfolgt! Grüße aus Bamberg! Andreas
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