Bologna, die altehrwürdige Hauptstadt der italienischen Region Emilia-Romagna hat – wie man überall lesen kann – drei Beinamen: la rossa, la grassa, la dotta. Rossa wie Rot sind Ziegelsteine und Gesinnung der Bewohner. Grassa wie Fett ist das reichhaltige Essen. Und Dotta wie Gelehrt ist die Stadt wegen der ältesten Universität Europas und ihrer fast 80.000 Studierenden. Kommt also mit auf einen kleinen Rundgang durch diese faszinierende Stadt. Zu essen und zu sehen wird es genug geben, versprochen.
1. Der Bauch von Bologna
Wahrscheinlich beginnen alle Rundtouren durch die Stadt hier. Aber kein Wunder. Direkt neben der Piazza Maggiore befindet sich nämlich das alte Marktviertel Quadrilatero. Zwar gibt es noch den Mercato delle Erbe in einer Halle, aber im Prinzip spielt sich das Marktleben von Bologna in kleinen Boutiquen ab. Und jene sind ganz konzentriert in den Gassen des Quadrilatero zu finden. Auf dem Foto seht ihr als Beispiel kandierte Früchte (zum Backen) bei Melega, aber nur ein paar Meter weiter gibt es ein ähnlich wunderbares Angebot bei Simoni, bei Tamburini, bei Paolo Atti, bei Gilberto… Da braucht ihr keine Adressen zu wissen, man kommt ohnehin an allen vorbei. Ziemlich genial auch der Mercato di Mezzo, eine ehemalige Markthalle, wo es im Stil der Foodhalls von Los Angeles oder London eher foodie-mäßig als haushalterisch zugeht. Nicht zu vergessen und direkt nebenan: Eine ehemalige Kirche, deren Etagen sich jetzt die Coop-Buchhandlung und das Eataly teilen.
2. Promenieren unter Laubengängen
Oberitalienische Städte besitzen ja diese angenehme Eigenschaft, reichlich mit Arkadengängen ausgestattet zu sein. Und Bologna macht da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Gut geschützt vor Sonne und Regen könnt ihr auf diese Weise durch die Stadt bummeln. Das gilt sowohl für die Via Zamboni auf dem Foto, die das Universitätsviertel mit der Innenstadt verbindet. Das gilt aber auch für Einkaufsstraßen wie die Via dell’Indipendenza oder die Via Oberdan.
3. Kunst und Kultur
Stimmungsvoll ist es in der Kirchenfamilie San Stefano (es sind insgesamt fünf einzelne Sakralbauten), aber auch in den benachbarten Straßen. Echte kunsthistorische Highlights sind in Bologna allerdings an anderen Orten zu finden. Und damit meine ich:
- die Pinakothek mit Werken von Raffael, Guido Reni und den Carraccis
- das mittlere Portal der Fassade von San Petronio (und im Innenraum den Meridian mit dem Einfallsloch für den Sonnenstrahl an der Decke – finde ich zumindest, also kulturell gesehen, nicht künstlerisch)
- die Terrakotta-Pietà in der Kirche Santa Maria della Vita
- die Arca des heiligen Dominikus in San Domenico
- das Marmorretabel in San Francesco
Derartige Tipps lest ihr bei mir selten, ich gebe es zu. Aber bei Gelegenheit kann man seine persönlichen Beziehungen zu kunstgeschichtlich versierten Menschen ja mal ausnutzen.
4. Die Mutterhefe besuchen
Einigermaßen erstaunt war ich, als ich lesen durfte, dass sie im Forno Calzolari jedes Jahr im Oktober den Geburtstag der Mutterhefe Gino feiern. Aber die Sache mit den Hefen ist natürlich unheimlich wichtig für Brot und Pizza, für Bier und Wein und damit für ziemlich wesentliche Erzeugnisse. Es gibt mittlerweile etliche Bäckereien in Bologna, die mit viel handwerklichem Geschick und einer eigenen Mutterhefe arbeiten. Meist stellen sie darüber hinaus auch noch Pizza her. Pizzeria in Bologna bedeutet deshalb in aller Regel, dass man sich vom Blech ein oder mehrere Stücke mitnimmt oder an Ort und Stelle verspeist. Der Forno Brisa auf dem Foto gehört zu jenen Kombinations-Orten echter Backkunst, ebenso Un Chicco und die bereits genannten Calzolari.
5. Shopping in der Innenstadt
Wen die ewig gleichen Ketten in deutschen Fußgängerzonen anöden, kommt in Bologna shoppingmäßig auf seine Kosten. Nun habe ich ausgerechnet die Miu Miu-Boutique auf dem Foto abgebildet, aber es sah halt entsprechend fotogen aus. Abgesehen davon werdet ihr eine ungeheuer große Zahl kleiner, inhabergeführter Läden finden. Ich war gleichzeitig irritiert und begeistert. Sind wir hier in den 1960ern? Funktioniert denn das alles? Sehen wir also ein aussterbendes Genre, oder ist das einfach Bella Italia für immer? Unter den vielen Läden, die ich persönlich besucht habe, möchte ich euch drei empfehlen: Aroma Caffè, das absolute Top-Geschäft der Kaffee-Weltmeister. Costa d’Amalfi, direkt daneben, mit herrlichen Sachen aus der neapolitanischen Gegend (ich habe dort den Oro di Baal gekauft, einen Wein, den ich bereits bei der RAW in Berlin probiert hatte). Die Drogheria dalla Pioggia, ein unglaublich vollgestopftes Gesamtkunstwerk.
6. Traditionelles Essen
Sternefresser sind schnell durch in Bologna. Einzig das I Portici kann ein mageres Sternchen aufweisen. Dafür gibt es eine großartige Auswahl an wirklich schönen Lokalen, in denen man vor allem traditionell essen kann. In Bologna wurde die Mortadella erfunden, die Tortellini zum Teil, die Lasagne, die Bolognese-Sauce, in der Nähe der Parma-Schinken und der Aceto Balsamico. Wer ein klassisches bologneser Menü essen möchte mit Spezialitäten wie Tortellini in brodo und Cotoletta alla bolognese, dem kann ich die Trattoria La Montanara empfehlen. Wunderbar auch der Siedewagen (mit Bollito misto) bei Da Bertino – ein Highlight. Aber auch sonst werdet ihr echte Probleme in Bologna bekommen, wenn ihr mal wieder richtig schlecht essen wollt. Sowas geht nämlich kaum.
7. So nah am Meer
Bologna befindet sich zwar keine 100 km von der Adria entfernt, aber bis vor kurzem soll Meeresküche noch keine große Rolle gespielt haben. Die üppige Fleisch-Wurst-Käse-Pasta-Gemüse-Dominanz der Region war Schuld daran. Seit 2016 hat gegenüber von San Francesco allerdings die Osteria Bartolini aufgemacht. Das ist die Niederlassung des legendären Fischrestaurants in Cesenatico. Hier gibt es ausschließlich lokale Produkte aus der Adria (Fischer Andrea Tosi wird extra auf der Speisekarte genannt), ultrafrisch und ohne Schnöselfaktor. Aber mit Belehrung, so wie das in der Dotta offenbar gern der Fall ist. Zum Gran Fritto di Pesce dell’Adriatico (14,50 € und reicht locker für zwei) gibt es keine Zitrone. Weil sonst die Knusprigkeit der Panade flöten geht. Die Weinkarte ist ausgezeichnet und bewegt sich, ohne das herauszustellen, sehr in Richtung bio/biodyn/natur.
8. Modernes Essen
Traditionell fleischlastig, gediegen und üppig – das ist das Essen in Bologna. Aber es geht auch anders, und dafür dürften die vielen Studierenden sorgen. Vegetarisch oder vegan ist hier nichts milde Belächeltes, sondern auf vielen Speisekarten zu finden. Zu den hip-bewussten Restaurants gehört È Cucina Leopardi, gegründet von dem aus Film, Funk und Schallplatte bekannten Koch Cesare Marretti. Wer mittags einen Gang wählt, bekommt zusätzlich Vorspeise, Nachspeise, Wein, Wasser und Caffè und zahlt dafür ziemlich kommunistische 10 €. Zwei Gänge kosten mit allem Drum und Dran 20 €. Gekocht wird immer frisch, die Küche ist panitalienisch, das Geschirr geschmackvoll, der Service jung und professionell, die Atmosphäre kreativ und der Laden natürlich immer bumsvoll. Einfach rechtzeitig da sein oder warten (es gibt Sofa und Kicker).
9. Auf den Torre Asinelli
Das Titelfoto habe ich vom Torre Asinelli gemacht, einem Geschlechterturm vom Anfang des 12. Jahrhunderts, der auf allen Stadtansichten zu sehen ist. Außer natürlich, wenn man selbst draufsteht. Weil sich dieser Turm mitten in der Altstadt befindet, ist es natürlich ein Must, hier hochzugehen. 498 Holzstufen trennen euch vom traumhaften Blick, aber ihr habt 45 Minuten Zeit für eine Besichtigung – das ist leicht zu schaffen. Weil das Treppenhaus eng ist und der Platz oben begrenzt, gibt es Slots, in denen jeweils eine kleine Gruppe den Turm für sich allein hat. Um eingelassen zu werden, geht ihr am besten zum Tourismusbüro an der Piazza Maggiore und tragt euch dort am Schalter für einen Slot ein. Wer nur kurz in der Stadt ist, kann auch online im Voraus buchen, und zwar hier.
10. Ein Weinchen zum Abschluss
Wie bitte, fragt ihr euch, schon so viel über Bologna und kein Wort zum Wein? Doch, hier kommt ja noch etwas. Vorweg sollte ich vielleicht bemerken, dass man in Italien super Wein trinken kann (die Restaurants erheben nur sehr kleine Aufschläge auf Flaschenweine), das selbständige Herumstöbern in Regalen ist aber eher unitalienisch. Stattdessen geht man in eine Enoteca. Hier gibt es fachkundige Beratung, viele Weine offen zum Probieren und in aller Regel auch kleine Häppchen dazu.
Besonders empfehlen kann ich euch in Bologna die Enoteca Faccioli mitten in der Innenstadt mit vielen naturbelassenen Weinen, aber auch Klassikern aus ganz Italien. Noch größer, dafür aber etwas konventioneller ist das Angebot in der Enoteca Italiana. Das Medulla ist eine echte kleine Weinbar ohne Essen, dafür mit echten kleinen Schätzchen. Gute Weine und Craft Beers gibt es im LOrtica (ja, das wird so geschrieben), noch etwas mehr Punk-Attitüde im Pollaio. Bei San Stefano findet ihr die Vineria Favalli, die Enoteca Bibe hingegen hat auch Olivenöl sowie süße und salzige Häppchen im Angebot – Stichwort Aperitivo. Nicht wenige dieser Läden machen erst abends auf (vormittags haben von allen nur die Italiana und Favalli geöffnet). Schaut also besser erst einmal im Internet nach, bevor ihr vor verschlossenen Türen steht.
Mein Fazit
Traumhafte Zeiten warten auf Genießer in Bologna. Mir hat es jedenfalls ausgesprochen gut dort gefallen. Die Unterkunftssituation kann zu den (häufigen) Messezeiten allerdings sehr angespannt sein. Wer es sich also aussuchen kann, sollte lieber die messefreien Wochen wählen. Bologna ist dreimal am Tag per Direktzug mit München verbunden. Über sechs Stunden dauert die Fahrt, was natürlich kein Pappenstiel ist. Aber dafür durchquert man die Alpen und hat bei schönem Wetter wunderbare Ausblicke. In Bologna, so verrät die Statistik, kann im Winter durchaus eine Nebelglocke über der Stadt hängen. Allerdings muss das nicht der Fall sein, denn wir hatten jetzt im Januar sieben Tage eitel Sonnenschein.
Auf also nach Bologna, schlauer werden, dicker werden, röter werden! Oder so…
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