Das hier ist definitiv der heißeste Scheiß, und man sieht es ihm auch an. Auf dem Etikett eine Mandarinente in kräftigen Farben, gekeltert aus der alten Rebsorte Koshu, ausgebaut in der Amphore, unbehandelt abgefüllt. Selbst in Japan ist so etwas keineswegs gewöhnlich, weshalb die Weine von Grape Republic im Handumdrehen vergriffen sind. Aber wie schmeckt ein solcher Wein, und welche Story steckt hinter ihm?
Grape Republic Amphora Koshu
Grape Republic, das ist die Geschichte von zwei Freunden, Kazuomi Fujimaki und Takayuki Taira. Fujimaki-san arbeitete im Nachtgewerbe, und Taira-san hatte einen irren Parcours als Koch in Belgien und Italien hinter sich, als sie sich kennenlernten. Gemeinsam bauten sie dann Schritt für Schritt eine kleine Kette italienischer Restaurants auf. Mit Wein hatten sie lediglich als Konsumenten und Gastgeber zu tun. Taira erzählt in einem enorm interessanten Interview im japanischen Food-Magazin Foodion, wie sie auf die Idee mit dem Weingut gekommen sind.
Es war im Jahr 2011, als die beiden unterwegs waren, um Hilfsgüter in die vom Erdbeben betroffenen Regionen im Norden des Landes zu bringen. Weil die Strecke von Tokio so weit war, machten sie einen Zwischenstopp bei Tairas Mutter in Yamagata. Seine Großeltern waren kleine Traubenbauern, aber die Produktion von Tafeltrauben lohnte sich zunehmend nicht mehr. Auf dem Weg zurück nach Tokio meinte Fujimaki plötzlich, “ich möchte Winzer werden!” Er hatte ohnehin schon seit langem ein Faible für vin naturel, und diese Begegnung, so berichtete er nachher, sei ihm wie ein Wink des Schicksals vorgekommen. Im ersten Jahr ernteten sie 100 kg Trauben, ein bisschen zu wenig vielleicht für ein Business. Dann aber ging es Schlag auf Schlag. Sie lernten die Winzer und flying winemaker Alex Craighead und Yuki Nakano kennen, kauften Trauben auch von anderen Bauern dazu, erweiterten die Rebfläche auf 3,5 ha und bauten ein kleines “echtes” Weingut.
Wie schmeckt der Wein?
In Japan ist es im Sommer tropisch heiß und regnerisch, dafür scheint im Winter wunderbar die Sonne. Genauso brauchen es Trauben natürlich nicht, weshalb sie in der Regel zwar groß, aber zuckerarm werden. Japanische Weine, die mehr als 12 vol% auf die Waage bringen, machen mich deshalb immer ein bisschen skeptisch, denn natürlich hat man auch im Land der aufgehenden Sonne von Chaptalisation und allen möglichen önologischen Tricks gehört. Diese Befürchtung braucht man bei Grape Republic nicht zu haben. Der Amphora Koshu besitzt gerade einmal 9,5 vol% und ist vollständig trocken. Handlese, spontan vergoren, unbehandelt, unfiltriert, gemäß Analyse mit 9 mg natürlichem Schwefel ausgestattet.
Im Glas zeigt sich ein trübes Orange mit leicht gelblichem Stich. Die Nase ist dann typisch naturel mit einem kleinen Stinker, hefigen Noten und wenig bis gar keiner Frucht. Koshu ist ja eine Rebsorte, die so überhaupt nicht zum Vordergründigen neigt. Das hatte ich schon bei meinem großen Koshu-Test festgestellt. Im Mund perlt der Wein ganz leicht, und dann kommen doch tatsächlich richtige Orangennoten, und zwar Schale und Fruchtfleisch. Die Säure ist schön präsent, die Tannine spürbar und der Körper zwar leicht, aber gut eingefasst. Angenehmerweise ist dieser frische und sommertaugliche Wein auch noch komplett sauber ohne essighafte Flüchtigkeit oder gar Mäuseln. Begleitende Speisen könnten hier in Japan grgrillter Fisch wie Makrele sein oder auch Yakitori, aber ich denke spontan ebenso an portugiesische Suppen wie Caldo Verde oder Alentejana. In jedem Fall ist das ein optisch und gustativ wirklich überzeugendes Produkt. Den will ich nachkaufen, beschließe ich.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft hatte ich den Amphora Koshu von Grape Republic im Shop Festivin, einer absolut ungewöhnlichen Shop-Weinbar-Kombination im zweiten Untergeschoss des Luxus-Kaufhauses Isetan. Ich werde bei meinem Weinbar-Guide noch näher darauf eingehen, versprochen. Sommelier Yoshikazu Okada hat ständig neue Weine am Start, die Stammkundschaft liebt die Abwechslung. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf Frankreich, aber von Italien über Slowenien bis nach Australien oder gar Deutschland (Brand Bros!) ist hier alles vertreten. Der Koshu von Grape Republic ist derzeit der einzige japanische Wein im Programm. So viele (und so gute) echte vins naturels gibt es aus japanischen Anbaugebieten nämlich gar nicht, wenngleich die Szene der Mikro-Weingüter enorm in Bewegung ist.
Grape Republic macht mittlerweile acht Weine und einen Cider. Irgendwie habe ich zum ersten Mal bei einem japanischen Weingut das Gefühl, dass es auch international richtig abgehen könnte. Jedenfalls dann, wenn die anderen Weine von Grape Republic ähnlich gut sind und wenn die Japanerinnen und Japaner nicht immer die ganzen Flaschen allein austrinken würden. Meine Flasche war nämlich die allerletzte beim Shop Festivin. 34 € kostet der Amphora Koshu dort umgerechnet, ebenso ab Hof. Das ist natürlich nicht wenig, aber in punkto Exklusivität und Coolness ist so etwas in der Welt der Naturweine kaum zu toppen. Und wer weiß, vielleicht gibt es die Weine von Grape Republic irgendwann auch einmal außerhalb Japans zu kaufen…
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