2018 war nicht nur ein extremer Jahrgang in Deutschland, sondern auch bei unseren Nachbarn in Frankreich. Der Osten des Landes hatte dabei denselben heißen und trockenen Sommer wie bei uns. Davor gab es allerdings das kühlste und nasseste Frühjahr seit langer Zeit. Die Erntemengen waren zwar überall hoch, die Winzer somit zufrieden, aber was ist mit den Weinen? Mittlerweile sind einige Weine auf dem Markt, von anderen konnte ich bei verschiedenen Veranstaltungen Fassproben trinken. Zudem hatte ich dort die Gelegenheit, mich mit etlichen Winzern auszutauschen. Und schließlich kam jetzt die Juni-Ausgabe der “Revue du Vin de France” heraus, die sich traditionell mit dem neuen Jahrgang beschäftigt. Zeit also für eine (vorläufige) Bestandsaufnahme mit einem Ritt durch alle Regionen.
Einmal durch ganz Frankreich
Ich werde an dieser Stelle tatsächlich alle Weinbauregionen in Frankreich durchhecheln und dabei immer ein paar Worte zu den Bedingungen des Jahrgangs verlieren. Nebst einer eher persönlich gehaltenen Einschätzung. Dann werde ich noch jeweils einen Wein vorstellen, den ich aus wie immer vollkommen objektiven Gründen als “Lieblingswein” bezeichnen möchte.
Ihr werdet mir verzeihen für diesen langen Text, aber anders schafft man dieses große Land nicht wirklich. Außerdem kann man sich beim Lesen ja auch auf eine Region pro Tag beschränken. Oder zwei. Los geht’s also mit Nr. 1 von 14, dem Elsass.
1. Alsace
Was man so aus dem Elsass hört, ähnelt in vielen Dingen unseren Erfahrungen in Deutschland. Nun ja, so weit liegt es auch nicht entfernt. Der Sommer war heiß und extrem trocken, viele Trockenschäden hatte ich schon im Juli bei St-Hippolyte (Foto oben) gesehen. Trotzdem war die Ernte extrem reichlich mit einem Hektardurchschnitt von 78 hl. Sie war auch die früheste jemals, denn mit dem Lesen der Trauben für den Crémant wurde bereits am 22. August begonnen. Herausgekommen sind durchaus heterogene Gewächse, die Roten gelegentlich überkocht und nicht so gut; Riesling, Gewürztraminer und besonders Pinot Gris scheinen aber durchaus gelungen. Vor allem von kalkigen Böden wie Rosacker, Furstentum und Zinnkoepfle.
Lieblingswein: Der Riesling Grand Cru Rosacker von der Domaine Mader, 24 € ab Hof, Bio. Der Boden hat hier eine bessere Wasserhaltekapazität, und das kam ihm in diesem Jahrgang sehr zugute. Der Wein ist mineralisch und momentan (Fassprobe, klar) noch sehr verschlossen, aber das Potenzial ist ganz zweifellos da. Außerdem möchte ich gern einen Riesling loben, und das geht ja in Frankreich nur im Elsass…
2. Beaujolais
Wahrscheinlich wird man den Jahrgang 2018 im Beaujolais objektiv noch nicht einmal heterogen nennen können, sondern, tja, eher mäßig. Viele Winzer haben sich offenbar davon verleiten lassen, dass es mal richtig schön heiß und trocken war. Die Folge sind dumpf-verbrannte Weine. Dazu kommen teils exzessive Erträge, die solche Weine paradoxerweise zusätzlich auch noch dünn haben werden lassen. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels: Wer eine vergleichsweise kühle Lage besaß und dem Wein viel Zeit beim Werden gönnte (sprich: jetzt noch nicht auf dem Markt), konnte durchaus feine Exemplare kreieren.
Lieblingswein: Der Morgon Côte du Py von Louis-Claude Desvignes, 22 € ab Weingut, ein echter Klassiker. Jetzt kann man schon Blaubeeren schmecken und viel Stoff und Druck. Aber die sehr präsenten Tannine zeigen dann doch an, dass hier von vornherein auf eine lange Lagerzeit gesetzt wurde. Wie wär’s damit, mal einen Beaujolais Cru für 20 Jahre im Keller zu lassen? Dort liegt bei mir übrigens schon die 2011er Ausgabe dieses Weins.
3. Bordeaux
Bordeaux hat ein bisschen ein Luxusproblem: 2015 und 2016 waren schon sehr gute Jahrgänge, 2017 auch nicht übel, und jetzt kommt noch 2018. Das Gute dabei, so sagen zumindest Experten, sei die relative Preisstabilität. Obwohl es sich nach allgemeiner Einschätzung bei 2018 um einen sehr guter Jahrgang handelt, wird nicht mit spekulativen Preisen gerechnet. Zwischen Mitte Juli und Ende September musste das Bordelais einen Trockenrekord aushalten, aber wenigstens waren die Nächte kühler als z.B. 2003. Trotzdem hat die Witterung zu Rekordwerten bei Tanninen und beim Alkohol gesorgt. Insofern halte ich es persönlich für überdenkenswert, ob man einem Bordeaux-Jahrgang pauschal 18 Punkte geben sollte, wenn er von 15 vol%-Weinen geprägt ist… Aber gut, die Geschmäcker sind verschieden.
Lieblingswein: Die relativ gesehen kühleren Lagen haben sich am besten gemacht. Canon-Fronsac gehört dazu, und deshalb ist mein Lieblingswein aus dem Bordelais diesmal der Vrai Canon Bouché. Preislich liegen wir hier gemäß den vergangenen Jahrgängen immer so bei gut 20 €. Der Wein besteht aus Merlot und Cabernet Franc, ein sehr dunkler Stoff in 2018 natürlich – aber ein prima Pirat bei Pomerol- und St-Emilion-Proben. Vernünftigerweise in 20 Jahren, ich weiß…
4. Bourgogne
Im Burgund sieht es im Prinzip nicht viel anders aus als anderswo. Der Winter war regenreich (es war also Wasser im Boden), dann kam ein ideales Frühjahr, was wiederum nicht überall der Fall war, und dann der heiße Sommer. Im Frühjahr gab es mancherorts Peronospora-Probleme, vor allem im Mâconnais, später noch Hagel in Nuits-St-Georges, aber irgendwo hagelt es ja immer im Burgund. Jedenfalls sind die Winzer endlich mal mit der Erntemenge zufrieden. An der Côte de Beaune gehen viele Rote in die süßlich-fleischige Richtung, weiter im Norden hingegen waren die Weine ausgewogener. Rot war ein bisschen besser als Weiß, richtig sehnige Vertreter sind aber überall selten.
Lieblingswein: Das ist ein Roter, nämlich der Irancy Les Cailles von Stéphanie Colinot, 17 € ab Hof. Die Tochter des bekannten Weinguts Colinot hat sich sozusagen vorzeitig selbständig gemacht mit gut 3 ha und hier ihrer ersten Ernte. Irancy ist ja eine Appellation im Norden, die immer recht zünftig-herb daherkommt, und so hat die warme Witterung hier am besten gewirkt. Der Wein ist nämlich schön lebendig und präzise.
5. Champagne
Zum Jahrgang in der Champagne kann man natürlich schon etwas sagen, zu den Weinen selbst hingegen weniger. Klar ist, dass es durchgängig Jahrgangs-Champagner geben wird. Der Jahrgang war zunächt von viel Regen und Pero-Problemen geprägt, später von der Hitze. Am Ende ist eine der größten Ernten jemals dabei herausgekommen. Die Säure in den Trauben soll gerade beim Chardonnay und bei wärmeren Lagen ein bisschen niedrig sein. Pinot Noir und Meunier von nördlichen Ausrichtungen wie der Montagne de Reims dürften sich besser gehalten haben.
6. Corse
Das ist tatsächlich, das Foto deutet es an, die einzige französische Weinregion, in der ich noch nicht war. Dabei hat sich Korsika in den letzten Jahren zu einer superinteressanten Destination gemausert. Weintechnisch, versteht sich, touristisch war es das ja schon immer. Wärme gab es hier im Sommer auch, aber bis Ende August frische Nächte. Vor allem die Roten sind dadurch ebenso frischer und ausgewogener geworden als in den Jahren zuvor. Und damit sind wir beim (nur kurz anzureißenden) Thema, der korsischen Weinrevolution. Die mit Abstand größte Gruppe der zum RVF-Test eingereichten Weine war diejenige von IGP und Vin de France. Hier verstecken sich nämlich die neuen Spitzenweine aus alten Rebsorten und Gemischten Sätzen, und alle namhaften Winzer sind dabei: Clos Canarelli, Comte Abbatucci, die Arenas, Vaccelli, Yves Leccia, Mariotti Bindi, Clos Canereccia, Clos Fornelli…
Lieblingswein: Das ist leider der vielleicht teuerste aller korsischen Weine, aber er ist auch so gut. Es handelt sich um den VdF Ministre Impérial rouge vom Comte Abbatucci, 70 € bereits ab Hof, Biodyn. Ich habe die Weine bei der ProWein probieren können, und gerade die Roten haben mich wirklich umgehauen: Was für eine Tiefe und Eleganz! Der Graf Abbatucci möchte übrigens Jean-Charles genannt werden, und an seinen Händen kann man sehen, dass er täglich im Weinberg unterwegs ist. Jetzt muss ich nur noch selbst einmal nach Korsika kommen…
7. Jura
Aus dem Jura kamen zwar in den vergangenen Jahren immer tolle Weine, aber die Erntemengen waren immer schrecklich gering. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, welche Hektarertragszahl mir Stéphane Tissot genannt hatte, aber ich fürchte, es war eine einstellige. 2018 war endlich mal wieder quantitativ ein wenig besser, aber im Sommer auch nahezu mediterran. Ende August hatte ich im Jura viele braune Hänge gesehen, an denen eigentlich belaubte und benadelte Bäume stehen sollten. Einer Rebsorte haben diese Bedingungen am wenigsten ausgemacht, nämlich dem Trousseau. In Portugal als “Bastardo” und in Spanien als “Merenzao” bekannt, hält der Trousseau auch heißere Sommer aus.
Lieblingswein: Mein Lieblingswein ist trotzdem kein Trousseau, sondern eine Trouvaille sozusagen. Es handelt sich um den Arbois Chardonnay Arces der Domaine de la Touraize, 12 € ab Hof, Bio. Das ist nichts Freakiges, sondern etwas mit Anspruch Gemachtes bei einem gleichzeitig guten Preis. Im großen Holz wurde der Wein vergoren und ausgebaut, und das prägt ebenso wie der Jahrgang, der den Chardonnay intensiv und gleichzeitig rund werden lässt. Sehr sauber und trotzdem mit Persönlichkeit, ein Burgund-Konkurrent.
8. Languedoc
Im Languedoc war 2018 sehr heterogen, und zwar sowohl hinsichtlich der natürlichen Verhältnisse als auch hinsichtlich der Weinqualität. Des öfteren habe ich die Warnung davor gelesen, blind in großen Mengen einzukaufen. Vielmehr sollte man auch bei bekannten Winzern lieber erst probieren. Ja, kann gut sein. Andererseits gibt es natürlich auch noch eine andere Seite: Möchte ich einen Winzer unterstützen, weil ich ihn und seine Philosophie (natürlich auch die Weine) mag, ist es nicht ratsam, ihm gerade in schwächeren Jahrgängen die kalte Schulter zu zeigen. Wein funktioniert ja nicht nur nach Punkten und Marktprinzipien, sondern auch aufgrund der Emotionen und der persönlichen Bindungen. In jedem Fall dann, wenn man seinen Wein nicht anonym im Supermarkt kauft, sondern direkt vor Ort oder bei einem Händler des Vertrauens. In jedem Fall eine Sache, über die man länger diskutieren kann.
Lieblingswein: Das ist diesmal ein Wein, der nun wirklich für Solobepunkter nicht groß zu nennen ist, aber seinen Zweck hervorragend erfüllt. Es handelt sich um den Picpoul de Pinet Bréchallune von La Croix Gratiot, 11 €, in Umstellung befindlich, die gehobene Cuvée des Hauses. Das ist ein Weißer, der beispielsweise super zu den Austern von Bouzigues passt, weil er schön tonal ist, leicht salzig, nicht zu anstrengend und dennoch hinreichend komplex.
9. Loire
Die Loire ist der längste Fluss Frankreichs, und dementsprechend ausgedehnt zeigt sich auch das Anbaugebiet. Aber auch hier gab es fast überall dasselbe Schema: Erst nasses Frühjahr, dann Peronospora, dann heißer und trockener Sommer, dann aber zum Glück ein idealer September. Die Erntemenge war durchgängig hoch, aber die sonnig-heißen Sommermonate haben natürlich charakterlich die Weine ebenso geprägt. Viele Cabernet Francs sind sehr dunkelfarbig und tanninreich, die Pinot Noirs marmeladig, die Gamays ohne Frische. Am besten haben es die Muscadets von der Küste getroffen oder auch die Chenins aus dem Saumur, das mit seinem Kalkboden der Hitze besser widerstanden hat als das schieferige Anjou. In der RVF wird noch besonders darauf hingewiesen, dass Bio- und Biodyn-Winzer offenbar mit einem gesünderen Boden mehr Frische und damit Finesse in die Weine bringen konnten.
Lieblingswein: Das ist ein Roter aus einer Region, die nicht ganz so stark unter der Hitze gelitten hat. Der Côte Roannaise Perdrizière der Domaine Sérol ist ein reiner Gamay aus Bioanbau und extrem dichter Bestockung (8.500 Rebstöcke pro Hektar; die Parzelle selbst ist 1,5 ha groß). Der Granitboden gibt neben der Säure noch eine fruchtige Intensität dazu. Sehr pur, sehr energetisch, 17,80 € ab Hof und damit einer der teuersten Weine des Weinguts. Ich habe aus den Appellationen Côte Roannaise, Côtes d’Auvergne, Côtes du Forez oder auch Saint-Pourçain über die Jahre immer wieder tolle und preiswürdige Weine getrunken. Nur scheint es schwierig zu sein, diese “Zwischengegend” zwischen Loire, Beaujolais und Zentralmassiv international zu vermarkten.
10. Provence
In der Provence gibt es eine weiterhin zunehmende Tendenz zum (technischen) Rosé. Der feiert hellfarben, sommerlich-mediterran und vielleicht auch ein wenig feminin-frisch anmutend in aller Welt große Erfolge. Bei den Roten tut sich die Provence (außer Bandol vielleicht) hingegen schwer, ein eigenes Profil zu finden. Und mediterrane Weiße sind im Moment gerade nicht so stark angesagt. In der Hinsicht hat sich 2018 nichts geändert, ansonsten aber schon. Nach einem Jahrgang 2017, der historisch trocken, aber auch historisch mistralreich war, kam 2018 die große Windstille. Im Verbund mit der zu der Zeit noch herrschenden Feuchte sind wenig große Weine entstanden. Aber es ist ja auch nicht jeder Jahrgang für die Ewigkeit gedacht.
Lieblingswein: Das ist ein Wein, der den Jahrgang reflektiert, und zwar der Bandol Cuvée du Falun der Domaine Ray-Jane, bio-zertifiziert und 18 € ab Hof. Heißt es in der RVF, aber ich bin mir nicht sicher, da diese Cuvée sonst immer für etwa 25 € verkauft wurde. In jedem Fall ist das ein luftiger Vertreter seiner Art, aus nicht-entrappten Trauben, floral und von seiner Struktur her ein bisschen an die Weine vom Château des Tours erinnernd. Nur ist es hier Mourvèdre und nicht Grenache, also sind die Fruchtaromen natürlich anders, eher Brombeere als Kirsche.
11. Rhône
Die Rhône zieht sich als Anbaugebiet von den steilen Hängen hinter Lyon bis zur Ebene um Arles, ist also auch durchaus vielseitig. Frühreif und sonnig war es im Norden, frühjahrsfeucht zunächst im Süden. Während sich der Norden also über einen schönen Jahrgang freuen konnte, war im Süden nach zwei extrem trockenen Jahren 2016 und 2017 eher ein “millésime de plaisir” angesagt. Vorher musste allerdings überlegt werden, was man gegen den Pilzdruck tun kann. Viele Winzer setzten massiv auf Fungizide, bei anderen waren die Erntemengen dafür minimal: Marcoux gerade einmal 10 hl/ha und Rayas insgesamt nur mit 500 Litern. Es wird also keinen 2018er Rayas geben. Im Norden gedieh die Syrah gut, der Viognier weniger – wobei es sich bei letzterem meiner privaten Meinung nach ohnehin um eine schrecklich überschätzte Rebsorte handelt.
Lieblingswein: Da greife ich diesmal in die Vollen und wähle den Cornas Mère Michel der Domaine Johann Michel, 70 € ab Hof, aber auch ein künftiger Superstar in Frankreich. Johann Michel hat dafür nämlich die Trauben aus ganz jungen Reben genommen, 2013 erst gepflanzt. Diese Reben stammen aus Massenselektion der Serine, also der alten Variante der Syrah. Bei aller Energie ist das ein unheimlich eleganter Wein, und wenn ich nur einmal die Zeit nach vorn drehen möchte, dann hier – um zu sehen, wie sich dieser Wein auf seinem Reifehöhepunkt macht.
12. Roussillon
Im Roussillon sieht es ähnlich aus wie im Languedoc, was bei zwei benachbarten Regionen natürlich auch nicht wirklich verwundert. Feucht war es im Frühjahr auch hier, im Sommer aber nicht so heiß wie woanders. Zudem ist man die Hitze hier im Süden auch viel mehr gewohnt, also sowohl die Menschen als auch die Reben. Die Weine sind relativ leichtgewichtig geworden, was der Frische und Fruchtigkeit natürlich gut tut. Andererseits bedeutet das eine deutlich geringere aromatische Intensität als 2017. Vor allem Maury (sowohl trocken als auch VDN) und Collioure sollen sich aber schön zugänglich zeigen.
Lieblingswein: Weil ich viele Lieblingswinzer wie Gauby, Matassa etc. nicht probieren konnte, votiere ich für einen ganz anderen Wein. Es handelt sich um den Tourbat Les Vignes de mon Père, einen Weißwein mit der Herkunftsbezeichnung IGP Côtes Catalanes von der Domaine Gardiés. Jean Gardiés verlangt für dieses bio-zertifizierte Schmuckstück mutige 30 € ab Hof, und das, obwohl praktisch niemand die Rebsorte kennt. Tourbat kommt vermutlich aus Spanien und wurde zur Zeit des Königreichs Aragón auch in die zugehörigen “Kolonien” verbreitet, zum Beispiel nach Sardinien. Die Rebsorte ist sehr eigen und hat starke Säurewerte, was bedeutet, dass man ihr eine längere Flaschenlagerung zugute kommen lassen sollte. Deshalb hat Jean Gardiés sie auch im kleinen Holz ausgebaut, was ebenso lange zur Einbindung braucht. In dieser Kombination ist das natürlich kein Wein, den ich heute schon aufmachen würde, eher ein fantastisches Potenzialgewächs für Weininteressierte.
13. Savoie
Das ist das kleinste Weinanbaugebiet, das in den französischen Guides regelmäßig gesondert behandelt wird. Hier gibt es aber mit der Mondeuse eine rote Rebsorte, die unter kühleren Bedingungen oftmal ein bisschen krautig-unreif daherkommt. Übrigens habe ich erst vor kurzem erfahren, dass DNA-Tests erwiesen haben, dass Mondeuse und Refosco mitnichten identisch sind, wie es oft behauptet wurde. Aber das nur nebenbei. Die historischen Mondeuse-Lagen haben vom heißen Sommer im Allgemeinen profitiert, wobei natürlich auch hier die Winzerkunst zwischen Traube und fertigem Wein steht. Die Tatsache, dass die savoyardischen Winzer betonen, im Jahrgang 2018 nirgends chaptalisiert zu haben, deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass dies ansonsten eher die Regel als die Ausnahme ist.
Lieblingswein: Auch die Mondeuse konnte in einem solchen Jahr überreif und unfrisch geerntet werden, aber bei meinem Lieblingswein ist das nicht so. Die Mondeuse Les Montagnes Rousses der Domaine des Côtes Rousses, 18 € ab Weingut, ist ein anspruchsvoller “vin de soif”. Frische Früchte, die viel eher rot als schwarz sind, floral, ein sehr natürlicher Touch und ein guter Fluss – so mag ich das. Winzer Nicolas Ferrand bezeichnet sich übrigens als “Paysan-Vigneron”, und überall, wo in Frankreich paysan draufsteht, ist Haltung drin.
14. Sud-Ouest
Fast alles hat einmal ein Ende, und das gilt auch für diesen Artikel. Zum Schluss also noch ein kurzer Blick auf die ausgedehnte Region zwischen Zentralmassiv, Pyrenäen und Atlantikküste, in Frankreich unter der Bezeichnung Sud-Ouest bekannt. In weiten Teilen des Südwestens war die Blüte verrieselt, was an sich nicht schön ist, sich aber durch die geringere zu erwartende Erntemenge nicht selten positiv auf die Qualität auswirkt. Zusätzlich wurde es nach der nassen Periode sonnig, und die Nächte blieben frisch bis zum Ende der Ernte. Ein sehr gutes Jahr also, und zwar für Rot- und Weißweine wie für edelsüße Exemplare. Letztere mussten allerdings ohne Botrytis auskommen, die Trauben sind also eher sonnengetrocknet eingebracht worden. Die Tageshitze hat die Alkoholwerte allgemein steigen lassen, die kühlen Nächte die Säure bewahrt. Kein Leichtwein-Jahrgang also, und die kühleren Gegenden wie Irouléguy, Jurançon und Marcillac stehen am besten da.
Lieblingswein: Es gibt ganz tolle Cahors, das schon einmal vorweg, aber die Preise sind da mittlerweile auch nicht mehr mager. Die Spitzenweine gehen um die 30 € weg, La Marguerite von Cosse-Maisonneuve kostet gar 55 € ab Hof. Qualitativ berechtigt, keine Frage. Für meinen Lieblingswein müsste ich allerdings weniger tief in die Tasche greifen, denn der Irouléguy Espilako Xuria der Domaine Espila kostet 15 €. Ein baskischer Wein, der Name lässt es vermuten, bereitet aus den Rebsorten Petit Manseng, Petit Courbu und Gros Manseng. Das ist ein gleichzeitig vollmundiger, stoffiger und säurefrisch-knackiger Weißwein. Die Eleganz wird später noch dazukommen. Es ist doch immer wieder toll, welche Entdeckungen man weintechnisch machen kann. Nur schade, dass der französische Südwesten nicht gerade um die Ecke liegt…
Und damit verabschiede ich mich schreiberisch ein bisschen abrupt vom Weinjahrgang 2018 in Frankreich. Jedenfalls so lange, bis die besseren Weine dann auf den Markt kommen.
Ein vorzüglicher Überblick zu einem manchmal etwas vorschnell gelobten Jahrgang!
Dankeschön! Wobei ich zugeben muss, dass ich persönlich mittlerweile mehr Schwierigkeiten mit zu heißen Jahrgängen (und Weinen) habe als mit zu kühlen. Es ist aber eh fraglich, ob es solche Jahrgänge wie 1984, 1965 oder 1968 noch einmal geben wird. Also nicht nur von den klimatischen Bedingungen her, sondern auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den Weinjahrgang…
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