“Seit mehr als 45 Jahren”, sagt der VDP in seiner Pressemeldung, laden die VDP-Weingüter die Fachwelt ein nach Mainz. Auf den Präsentiertischen stehen die Flaschen des neuen Jahrgangs, und das war mit 2018 nun wirklich ein ungewöhnlicher. Alles probieren konnte ich verständlicherweise nicht, aber ich habe mir wenigstens große Mühe gegeben.
VDP-Weinbörse: Die Eröffnung
Wie es sich für einen solchen Anlass geziehmt, kommt vor der praktischen die theoretische Arbeit. In diesem Fall heißt das die Eröffnungsrede des VDP-Präsidenten Steffen Christmann, die Laudatio von Georg Mauer für den neuen Träger der Silbernen Ehrennadel, Daniel Deckers, dann die Dankesrede von Deckers selbst, und schließlich noch die Sommelerie-Traubenadler-Verleihung durch Meininger-Chefredakteur Sascha Speicher. Hört sich anstrengend an? Nicht für Leute, die zuhören können.
Steffen Christmann brach noch einmal eine Lanze für die VDP-Lagenklassifikation. Das sei ein herkunftsbasiertes Konzept, da gehe es um Weinberge, und damit sei das doch wesentlich verständlicher als jeder andere Ansatz. Im Detail ist so etwas natürlich gar nicht einfach, was sicher alle bestätigen können, die schon einmal versucht haben, beliebige Dinge in die Kategorien “gut”, “mittel” und “schlecht” einzuteilen. Aber im Prinzip, finde ich, hat er völlig Recht. Diese Philosophie, so Christmann, schlösse ein, dass “einfache Weine auch als einfache Weine bezeichnet werden sollten”. Also keine Lagennennung und möglicherweise latent verbrauchertäuschende Bezeichnungen bei einem Tropfen für 3 €.
So ganz beiläufig erwähnte der VDP-Chef auch noch den Jahrgang 2018, das zweitheißeste und zweittrockenste Jahr der Geschichte mit der frühesten Ernte seit Anbeginn der Zeiten: “2018 ist sicherlich kein Jahrgang für Freunde ausgeprägter Merkmale, für Freaks. Dafür wird er dem allgemeinen Publikum vermutlich gut gefallen.” Und das ist bei einem Verband, der seine Produkte auch verkaufen möchte, ja nicht das unwichtigste Element.
Sehr lobenswert und fast schon verschwenderisch war die Ausstattung für uns Besucher. Nicht nur, dass wir saubere Gläser bekamen (das gibt es schon häufiger), sondern es lag auch ein dicker Katalog mit viel Platz für Notizen bereit, in dem alle Weine, Winzer und Adressen aufgelistet waren.
Schwarzriesling aus dem Taubertal
Weil man logischerweise bei 185 ausstellenden Winzern niemals durchkommt, habe ich mich ein bisschen stärker strategisch aufgestellt: Ich wollte auf jeden Fall möglichst alle Rotweine außerhalb des Spätburgunders probieren, dazu sämtliche Silvaner. Bei allen anderen Kategorien habe ich freier ausgewählt.
Wenn es um Nicht-Pinot-Rotweine in Deutschland geht, führt an Konrad Schlör aus Reicholzheim an der unteren Tauber kein Weg vorbei. Interessanterweise wissen das gar nicht so schrecklich viele Leute. Das hängt natürlich ein bisschen damit zusammen, dass der Schwarzriesling als Rebsorte kein gutes Image besitzt, genährt von den schlabberleicht-süßlichen Exemplaren aus dem Supermarktregal. Beim Weingut Schlör hingegen kommen unheimlich kernige Weine dabei heraus, die druckvoll sind ohne Anstrengung. 12 € kostet der links abgebildete Ortswein, und der ist richtig gut.
Silvaner aus dem Ei
Ich habe es tatsächlich geschafft, fast alle Silvaner durchzuprobieren. Die Stilvielfalt ist bei einer solch riesigen Querprobe natürlich entsprechend groß. Manche 2018er waren schon arg breit angelegt, es gab solche mit Nachsäuerungs-Rettungsversuchen, es gab erdig-würzige Vertreter, und es gab solche, bei denen die Balance auf natürliche Weise wunderbar stimmte.
Unter den “Großen” vergangener Jahrgänge haben mich ehrlich gesagt die beiden auf dem Foto am meisten beeindruckt. Und das nicht etwa deshalb, weil sie dem Idealtyp eines kraftvoll-strukturierten Großen Gewächses am nähesten gekommen wären.
Fast ist nämlich das Gegenteil der Fall. Niemand sonst hatte derart zarte, schwebende und irgendwie innerlich klingende Gewächse auf Lager wie Ludwig Knoll. Allerdings wurden die beiden Weine auch anders ausgebaut als alle anderen: Der Vinz zu 80% im Betonei und zu 20% in der Amphore, das Große Gewächs vom Stettener Stein wiederum im Betonei und im kleinen Holzfass. Vielleicht gibt es Jahreszeiten, in denen man mit intensiveren, wuchtigeren Silvanern liebäugelt. Aber nicht im Frühling – und das hier ist schon äußerst fein.
Lemberger aus Württemberg
Genau 39 Lemberger gab es bei der VDP-Weinbörse zu verkosten. 34 wurden auch so bezeichnet, fünf hingegen als Blaufränkisch. Vor gar nicht mal so langer Zeit hatten die hellen und wahlweise noch mit Holz zugekleisterten Lemberger ehrlich gesagt gegen die strukturierten Blaufränkisch-Exemplare aus Österreich keine ernsthafte Chance. Aber im VDP Württemberg scheint sich viel zu tun. Manchmal mag das mit der Betriebsübergabe an die nächste Generation zusammenhängen, sicher aber mit der gewonnenen Weltläufigkeit, dem besseren Austausch untereinander. Jedenfalls habe ich bei der Weinbörse nicht wenige Lemberger probiert, die ich mir auf Einkäuferlisten wünschen würde.
So wie diese beiden Weine aus dem Hause Wachtstetter, die ich exemplarisch nennen möchte. Ich glaube, es ist verzeihlich, wenn ihr noch nie etwas von den Großen VDP-Lagen in Pfaffenhofen namens Gaißberg, Mühlberg und Ochsenberg gehört habt. Das sind alles Parzellen innerhalb der im unseligen Weingesetz von 1971 arg ausgeweiteten Lage Hohenberg. Ebenso könnte ich mir vorstellen, dass “Glaukós” als Name nicht überall wissendes Nicken hervorruft. Glaukos heißt ein griechischer Meeresgott, in den sich ein Fischer nach dem Verzehr eines Wunderkrauts verwandelt hatte. Und gleichzeitig ist es der Name für ein ebenso schaumgeborenes Mineral, den Glaukonit, der grünlich schimmert und im Untergrund der Reben zu finden ist. Da soll noch einer sagen, bei einer VDP-Veranstaltung gäbe es nichts mehr zu entdecken… Schöne, frische und nachhaltige Weine sind die Wachtstetter’schen Lemberger übrigens.
Aus Ungeliebt mach Neu
Wie man eine ungeliebte Rebsorte in einen völlig anderen Kontext stellen kann, davon hatte ich schon im Zusammenhang mit dem Weinsalon Natürel in Köln berichtet. Ein ganz ähnliches Beispiel habe ich hier beim fränkischen Bio-Weingut Roth gefunden. Nun gehört die Parzelle, aus der dieser Wein stammt, wirklich einem Kirchenmann. Trotzdem ist es ganz sicher eine sehr gute Idee, diese Tatsache mit dem Konterfei von Don Camillo auch noch einmal zu unterstreichen.
Zusätzlich handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Müller-Thurgau, sondern um ein maischevergorenes Exemplar. Allerdings wurde in offenen Bütten vergoren und die Maische nur ganz zart heruntergedrückt, so dass sich weder die Farbe noch die Phenolik eines “richtigen” Orange Wines einstellen. Bei nur 12 vol% ist dies ein Müller, der schön fest bleibt und nicht die (für mich) etwas unangenehmen Muskatnoten ausströmt.
Wie ist denn jetzt der Jahrgang 2018?
Und da sind wir auch schon beim neuen Jahrgang, der im Allgemeinen eben nicht mit besonders festen Weinen punkten kann. Wie ich bereits weiter oben bei den Silvanern schrieb, ist die stilistische und qualitative Bandbreite wirklich erheblich. Man kann aber merken, dass manche Regionen merklich kühlere Bedingungen besaßen als andere (auch mal mit ein bisschen Regen im August). So fand ich die Weine vom oberen Nahetal und von der Saar zwar schön fruchtig, aber immer noch mit sehr guter Spannung ausgestattet. Die Kabinette der “von-Vons” Hövel und Othegraven haben mir wirklich schon viel Spaß gemacht. Immerhin begann aber auch dort die “früheste Ernte jemals” am 21. September, während ein paar fränkische Winzer schon am 24. August in den Weinberg mussten. Um die Trauben für ihre hochwertigen Lagenweine zu ernten, nicht etwa für Federweißen.
Interessanterweise heißt es ja oft von kühleren, als problematischer angesehenen Jahrgängen, dass sie “Winzer-Jahrgänge” seien. Eben weil Erfahrung und Fingerspitzengefühl dann noch mehr den Ausschlag geben als in einfachen Jahrgängen, wo alles ohne Zutun ausreift. 2018 wird aber nach dem, was ich probiert habe, ebenfalls ein solcher “Winzer-Jahrgang” sein. Man brauchte Glück, Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um richtig gute, spannende Weine zu machen. Die Menge war ja zum Glück (jedenfalls aus heutiger Sicht) da, und das wird bedeuten, dass die Verbraucher keine Angst haben müssen, von ihrem Lieblingswein nichts mehr abzubekommen.
Wenn ich der Frau von gegenüber glauben darf (die ihre Erkenntnis von Fenster zu Fenster über die Straße mitteilte), wird ja 2019 wieder ein Jahrgang “mit ständig 40 Grad”. Wollen wir es nicht hoffen.
Hi Matze!!!
Schön zu hören, dass Dir die Saar und die Nahe am besten gefallen haben. Ging mir auch so auf den VDP GG Verkostungen dieses Jahr im Januar und Februar. Von Othegraven fand ich auch mega was die Kabi’s anging. Ich teile Deine übrige Einschätzung, dass 2018 in der Breite dazu neigt in die Breite zu gehen, viel aufgesäuert wurde und der Jahrgang eher nix für ambitionierte Weintrinker ist!
Grüße Jens
Ja, wenn einem der “klassische”, sprich für Deutschland eher strengere und nördlichere Stil gefällt, war 2018 sicher eine Herausforderung. Interessanterweise ist mir eher das Heterogene als das Gemeinsame aufgefallen, also ganz unterschiedliche Erntezeitpunkte und Philosophien. Mal schauen, vielleicht wird es diesmal ja ganz neue Jahrgangs-Stars geben…
Abgesehen davon wissen wir ja auch, dass Leute, die Ätna-Hochlagen, Nordhang-Roussillon und messerscharfe Kabinette mögen, eher in der Minderheit sind. Das mag den Weinschreibern, Sommeliers und vielleicht auch den Winzern gefallen, aber die meisten Leute wollen ihren Wein ja weiterhin weich, fruchtig und stark. Bis die Mehrheit auf schlanke Weine steht, ist die Aventgarde schon wieder bei …Aromasorten, sage ich mal 😉
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