Die letzten beiden Tage war ich an der Nahe unterwegs. Ich hatte mir die Nahe nicht nur ausgesucht, weil hier großartige Weine erzeugt werden, sondern weil Naheweine trotz ihrer Qualität in Blindproben immer ein bisschen als „Restkategorie“ gehandelt werden. Schmeckt ein Riesling nicht würzig, voll und erdig (wie viele Pfälzer oder Rheinhessen), sondern straff und zitronig, aber nicht so schieferig wie ein Moselaner, dann liegt man mit dem Nahetipp oft nicht schlecht. Kaum jemand ruft von vornherein aus: „Ah, das ist Nahe!“, sondern man erschließt sich die Naheart quasi im Ausschlussverfahren.
Warum ist das so? Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Nahe nicht nur klimatisch zwischen den genannten Gebieten liegt, sondern vor allem eine enorm vielseitige Geologie besitzt. Mosel und Rheingau haben Schiefer, die Pfalz Kalk und Sand, Baden Vulkan und Granit. Und die Nahe hat alles. Ich habe deshalb beschlossen, Euch an dieser Stelle nicht nur ein paar nette Fotos der berühmten Lagen an der Nahe zu präsentieren. Sondern Euch schlimmerweise erst einmal ein bisschen etwas über Geologie zu erzählen. Erst die Pflicht, dann die Kür, so sagt man doch immer. Häufig werden nämlich in Weinbüchern oder Weinbeschreibungen in Online-Shops geologische Begriffe einfach so hingeworfen (oft genug aus einer anderen Publikation hineinkopiert), aber viele wissen gar nicht, was diese Begriffe eigentlich bedeuten.
Das möchte ich ein bisschen ändern, indem ich an dieser Stelle zumindest die wichtigsten Begriffe anspreche. Danach erschließen sich die Lagenfotos irgendwie viel leichter. Glaubt mir. Solltet Ihr Profis sein, seht es mir bitte nach, dass ich die geologischen Zusammenhänge hier nur extrem grob darstelle. Solltet Ihr hingegen total abgeschreckt sein von diesem naturwissenschaftlichen Zeug, geduldet Euch einfach bis zum zweiten Teil – dem mit den vielen schönen Fotos.
Jetzt aber zu dem, was im Nahe-Untergrund so los ist:
Gesteine
Unser guter Planet Erde war einstmals ein riesiger Feuerball. Weil es auch unter kühleren Bedingungen eine Weile dauert, bis so ein großer Körper abgekühlt ist, ist die Erde in ihrem Inneren immer noch feurig. Durch Spalten und Risse kommt dieses Feuer an bestimmten Stellen an die Oberfläche und erkaltet erst dort. Das sind die Vulkane. Dementsprechend nennt man solche Gesteine, die der Vulkan mit sich geführt hat, Magmatite. Typische Beispiele dafür sind Basalt und Granit, aber auch solche Bezeichnungen, die Ihr vielleicht schon einmal als Weinnamen gelesen habt: Porphyr, Pechstein oder Diabas.
Die zweite Kategorie von Gesteinen sind die Sedimentgesteine. Sediment wie Ablagerung. Diese Gesteinswerdung hat in der Regel etwas mit dem Gegenspieler von Feuer zu tun, mit dem Wasser. Fällt ein See oder gar ein Meer trocken, weil sich die Landmasse gehoben hat, trocknet alles aus, was sich einstmals in diesem Meer befand, und konzentriert sich am Boden. Es passierte in der Erdgeschichte relativ häufig, dass sich Seen und Meere veränderten, dass sich Landmassen hoben und senkten. Der Gehalt an einstmals organischer Materie kann dabei unterschiedlich hoch sein. Typische Beispiele für solche Sedimentgesteine sind Sandstein, Mergel und Kalkstein und all ihre Varianten.
Schließlich gibt es noch eine dritte Kategorie an Gesteinen, die sozusagen zwischen den Stühlen steht: die Metamorphite. Wie der Name andeutet, handelt es sich dabei um Gesteine, die vorher entweder Magmatite oder Segmentite waren, aber irgendwie verändert worden sind. Grund für diese Veränderungen waren oft Gebirgsbildungsprozesse, die unter großem Druck und hoher Temperatur ablaufen. Das passiert dadurch, dass Erdplatten gegeneinander drücken und sich in der Mitte oder an einer schwachen Stelle hochtürmen, dann manchmal auch wieder brechen und wild stapeln. Typische Beispiele für Metamorphite sind Schiefer und Gneis.
Böden
Damit haben wir die Gesteine durch. Nun ist es aber so, dass – zumindest bei uns – die Vulkane und Gebirge nicht erst vorgestern an der Oberfläche herumspukten. Das bedeutet, dass nicht nur wir Menschen, sondern vor allem Flüsse und Bäche genügend Zeit hatten, die Oberfläche ein bisschen nach ihrem Gutdünken zu verändern. Wir sprechen dabei von Böden, die in der Regel nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden sind.
Da es in den Gesteinen immer Risse gab und gibt, konnte hier einerseits durch physikalische Prozesse eine gewisse „Zerbröselung“ stattfinden, die Verwitterung. Andererseits siedelten sich in diesen Rissen auch Pflanzen an, die nach ihrem Absterben auf diese Weise als Humus Teil der Bodenbildung werden. Endprodukt ist ein mehr oder weniger lockeres Gemisch aus mineralischer und organischer Substanz. Und diesen Boden bearbeiten wir Menschen zum Teil schon seit langer Zeit, in manchen berühmten Weinlagen seit mehr als 1.000 Jahren. Dass sich dadurch Struktur und Eigenschaften der Böden verändern können, liegt auf der Hand.
Das Beispiel
Wenn also in einem schlauen Buch steht, wie eine bestimmte Lage beschaffen ist, dann könnt Ihr jetzt vielleicht ein bisschen nachvollziehen, was gemeint ist. Ich nehme zur Veranschaulichung mal ein konkretes Beispiel und zitiere den Weinatlas Deutschland zur Niederhäuser Hermannshöhle: „schwarzgrauer Schiefer mit vulkanischem Eruptivgestein, Porphyr und Kalkstein, Konglomeratböden mit 15% Steinanteil und viel Feinerde, steinig-grusige Lehme“. Uff.
Also: Schwarzgrauer Schiefer ist ein Metamorphit. Vulkanisches Gestein wie Porphyr gibt es aber offenbar ebenfalls, genau wie den Kalkstein als Sedimentgestein. Das deutet auf ziemlich komplexe erdgeschichtliche Vorgänge hin, wie sie für das Anbaugebiet typisch sind. Ein Konglomeratboden besteht aus quasi zusammengebackenem Kies (dazwischen feineren Bestandteilen) und hat offenbar etwas mit einem Fluss zu tun, der diesen Kies einstmals mitgeführt hatte. Lehm wiederum ist die Bezeichnung für einen Untergrund, der aus mittelfeinen Partikeln besteht. „Stein“ und „Grus“ sind dabei Bezeichnungen für die Korngröße, also den Durchmesser der festen Partikel im Boden. Steine sind per Definition größer als Hühnereier, Grus liegt zwischen Erbse und Streichholzkopf. Na, war doch gar nicht so schwer (haha).
How to move on?
Solltet Ihr jetzt auf den Geschmack gekommen sein und Euch plötzlich sehr stark für die Geologie des Nahegebiets interessieren, dann gibt es dafür umfangreiche weitere Informationen. Einerseits könnt Ihr Euch beim rheinland-pfälzischen Umweltministerium eine 64-seitiges Heft über die Weinbergsböden in Rheinland-Pfalz herunterladen oder aber beim Landesamt für Geologie und Bergbau dasselbe tun mit einer etwas älteren, dafür nur auf die Nahe bezogenen Broschüre (Download in der Mitte der Seite unter „Wein und Stein – ganz Nahe“).
Ihr könnte die geologischen Einflüsse aber auch schmecken, und zwar unabhängig von der Art der Weinbereitung. Martin Tesch aus Langenlonsheim baut nämlich fünf trockene Rieslinge aus, die sich nur aufgrund ihrer (geologisch unterschiedlichen) Lagen unterscheiden. Die Farben der Etiketten geben dabei die Temperaturcharakteristik von Boden und Wein wieder. Vergleicht einfach den (blauen) Königsschild vom Kalk einmal mit dem (roten) Karthäuser vom Roten Sandstein, dann werdet Ihr verstehen, warum es einen Sinn hat, Unterschiede bei Gestein und Böden beim Wein zu berücksichtigen.
Martin Teschs winzige Spitzenlage, den Laubenheimer St. Remigiusberg, habe ich übrigens bei meiner Nahereise auch besucht. Aber davon mehr in Teil 2.
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