Zweiter Teil des Mammutvorhabens. Diesmal geht es um Winzer und deren Weine aus anderen Teilen der Welt, seien sie so nah wie die Wachau oder so fern wie Kalifornien. Ich muss zugeben, dass ich die einzelnen Stände nicht in einer sinnvollen Reihenfolge aufgesucht habe, sondern einfach auf den Winzer zugestochen bin, vor dem sich gerade keine Traube an Menschen befand. Auf diese Weise konnte sich meine Zunge nach 30 Rieslingen am Stück immer mal wieder bei einem anderen Geschmack erholen.
Domaine Guillot-Broux, Burgund
Ein für mich neues Gut aus dem Mâconnais, das aber schon seit Jahren in den französischen Weinguides gelistet wird. Außerhalb von K&U habe ich die Erzeugnisse mit dem seltsamen Tier auf dem neo-altmodischen Etikett noch nie gesehen. Die Weine (alles 2011er) besitzen aber jede Menge Charakter. Der Mâcon-Cruzille Les Genièvrières (18,90 €) kommt erst laktisch und butterig bei mir an, präsentiert dann aber einen feurigen Kern. Der Mâcon Blanc Les Combettes (ebenfalls 18,90 €) wirkt deutlich straffer und eleganter, bleibt aber dennoch im “reiferen” Stil des südlichen Burgund. Als ich den Winzer frage, ob der Wein auch eine AOC habe (auf dem Etikett steht nur “Les Combettes”), meint jener, ja, die habe er natürlich. Aber die Herkunft hätte einen derart miserablen Ruf in Frankreich, dass man damit besser keine Werbung machen würde. Er verkauft seine Weine meist an die Gastronomie, und wenn die Leute sich da den Lagennamen merken würden, sei ihm das wesentlich lieber.
Rotweine gibt es auch von Guillot-Broux, und zwar zunächst den Mâcon-Cruzille Beaumont (17,50 €), einen reinsortigen Gamay. Hui, das ist aber ein ausdrucksvoller Geselle! Enorm pointiert, viele Sauerkirschnoten, deutlich Tannin. Kein Wunder, der Wein wurde auch nach der “burgundischen Methode” vinifiziert, also eine längere Maischegärung und anschließend elf Monate Ausbau im Holz. Damit – und natürlich auch wegen der sorgfältigen Weinbergspflege, der geringeren Erträge und einfach der Gesamtkonstellation – sind wir hier meilenweit von schlaff-fruchtigen Beaujolais-Exemplaren aus derselben Rebsorte entfernt. Mir fällt unwillkürlich bei diesem Wein der Begriff “Nördliche Krone” ein. Ich werde weiter hinten noch erklären, was ich damit meine, erinnert mich rechtzeitig daran (Okay, war ein Witz, wir sind ja hier nur semi-interaktiv). Der zweite Rote des Weinguts ist der Bourgogne La Myotte (29,90 €), ein reinsortiger Pinot Noir vom selben Terroir, dem Emmanuel Guillot den mies beleumundeten Mâcon-Namen jetzt endgültig vorenthalten wollte. Süßholz in der Nase, erst dann Himbeere, am Gaumen auch fest und säuerlich, dazu Kirschkern, aber mit einem weniger präsenten Tannin als der Gamay. Interessante Weine, ich sagte es ja schon.
Weingut Muster, Steiermark
Drei Weine probiere ich diesmal nur von den Musters, die wie immer ein sehr breites geschmackliches Spektrum an Weinen aufweisen können. Zunächst gibt es den Gelben Muskateller vom Opok (2010, 13,80 €), wobei mit “Opok” ein verfestigter Mergelboden bezeichnet wird, das Wort ist slawischen Ursprungs. Der Wein selbst ist schlichtweg köstlich – wunderbar parfümiert und fruchtig, dazu sehr lebendig und ansprechend, obwohl analytisch knalltrocken (unter 1 g Restzucker). Sowas sollte ich öfter trinken, sage ich mir, und irgendwie sage ich das jedes Jahr bei diesem Wein oder dem Muskateller von Rebholz, und genauso seltsam kaufe ich dann doch wieder einen Riesling. Das muss sich jetzt einfach mal im Bewusstsein verankern.
Der zweite Wein ist gleich der “große Muster”, nämlich der Sgaminegg (2010, ohne Listenpreis), eine Cuvée aus Sauvignon blanc und Chardonnay. In heißen Jahren mag ich den Sgaminegg nicht so, aber die 2010er Ausgabe zeigt, was in den Reben schlummert. Der Wein wurde ohne Schwefelzugabe vinifiziert (biodynamisch und Demeter-zertifiziert sind Sepp & Maria Muster eh) und präsentiert sich wahnsinnig kühl, streng und mit deutlicher Säure. Ich fühle mich an den Leroy-Aligoté erinnert, auch dies ist ein Wein für Leute, die wissen, dass edle Weine auch manchmal erobert werden wollen und vor allem Zeit zur Reife brauchen. Die Sache ohne Schwefel funktionierte laut Maria Muster übrigens deshalb, weil der Jahrgang an sich schon so karg war, der Boden zusammengebacken und die Trauben deshalb so robust. In warmen Jahren würden sie das lieber nicht versuchen. Ebenso unschwefelig kommt die Gräfin daher (2011, wieder nicht in der Liste…), ein reiner Sauvignon blanc, aber mit den Traubenschalen für ein paar Wochen im Holzfass vergoren und deshalb mit zarten Tanninen ausgestattet. Dies ist also ein so genannter “Orange Wine“, aber nach 22 Monaten Reifung (ergo kann der Wein noch nicht lange abgefüllt sein) bleiben da nur ganz zart-herbe Noten, dafür aber viel sanft-marillige Frucht. Nicht so extremistisch jedenfalls, wie man erst glauben könnte. Mir hatte der Wein schon letztes Mal gefallen, und das hat sich nicht geändert.
Weingut Muthenthaler, Wachau
Von Handarbeit zu Handarbeit, aber vom Süden in den, tja, zentralen Norden Österreichs. Martin Muthenthaler bewirtschaftet Steillagen am kühlen Rand des Anbaugebiets, ein Stück entfernt von der Donau. So richtig wirklich haben mir eigentlich erst die Weine aus dem Vießlinger Stern gefallen, einer Lage, die ich vergeblich bei Charlies weinlagen-info oder auf der Riedenkarte der Wachau gesucht habe. Es muss sich wirklich um eine sehr exklusive Parzelle handeln. Die Grünen Veltliner aus dieser Lage (31,90 € für den 2011er, 34,50 € für den 2012er) bringen eine echte Pikanz mit, die die darunter befindlichen Weine – ähnlich wie bei Christmann – in ihrer zurückhaltenderen Art noch nicht hatten. Auch hier muss ich vielleicht erst lernen, wohin bei einem gereiften Wein die aromatische Reise noch gehen kann. Selbiges gilt für den Riesling, denn auch hier habe ich beim Vießlinger Stern (2012, 34,50 €) mein Aha-Erlebnis: reife Nase, aber mit wenig Frucht, am Gaumen dann deutlich bitter und phenolisch-gerbig, vom Fruchteindruck her sehr hell, aber schon mit dem Gefühl des Feuers. Auch wenn viele Winzer wegen des Kaufreflexes hoffen, dass sich ihre Weine schon möglichst früh ansprechend und offen präsentieren, muss ich sagen, hier bringt jeder Monat des Wartens ein Mehr an potenziellem Vergnügen.
Domaine de la Chevalerie, Loire
And now for something completely different. Kann sich noch jemand daran erinnern, dass ich schändlicherweise vergessen hatte, die Domaine de la Chevalerie bei meiner Weinreise Loire zu erwähnen? Dass sich Leser Jens dann sofort und völlig mit Recht “beschwert” hat ob meines Unterlassens? Und jetzt steht Stéphanie Caslot doch tatsächlich leibhaftig vor mir. Sie ist zum ersten Mal bei der Hausmesse, zum ersten Mal überhaupt in Deutschland, und der deutsche Kunde zeigt sich tranig, schaut eher selten bei den Loire-Roten vorbei. Natürlich ist das ein Fehler, aber was soll ich tun, Prediger in der Wüste? Der erste Wein, Bonn’heure (2011, 9,90 €, alles Cabernets Francs, alles Bourgueils) hat nur eine kurze Maischestandzeit gesehen, aber der Sandboden sei ebenfalls mit dafür verantwortlich, dass das Tannin hier fast gar nicht präsent ist. Aromatisch handelt es sich dafür um ein robustes Tröpfchen, Bauarbeiter mittags im Bistrot.
Der Chevalerie (2010, 19,90 €), also sozusagen der Emblemwein der Domaine, präsentiert sich zu meinem Erstaunen gerade in einer abgetauchten Phase. Vor gar nicht langer Zeit hatte ich doch denselben Wein in Strasbourg gekauft, und da war er noch gar nicht so tief verinnerlicht. Diesmal spürt man noch leicht die Frucht, und man spürt auch, wie sich die Struktur langsam aufmacht. Wer diesen Wein jetzt trinken will, sollte ihn ausreichend lüften. Stéphanie hat das beim großen Wein des Hauses, dem Grandmont (2010, 43,90 €) schon mal antizipiert und präsentiert ihn aus der Dekantierkaraffe. Und das hilft wirklich: typische Cabernet-Franc-Nase mit ihrer Krautigkeit, aber auch ziemlich dunklen Noten, am Gaumen dann mit einer kräftigen Säure und einem fast stahligen Gefühl. Eisenhart, tief, kühle Kraft und Langlebigkeit. Nichts für Freunde eines süßlich-schweren “Schnöff-dü-Paap”, aber ich denke, dass die roten Loire-Weine ohnehin ausschließlich von Leuten gekauft werden, die wissen, was sie tun.
La Gramière, Südrhône
Matt Kling arbeitet immer noch zum Broterwerb für Cisco, und Amy Lillard möchte immer noch ihre Weine so günstig verkaufen, dass alle Weinfreunde sich das leisten können. Nichts Neues also bei La Gramière. Den roten 2010er hatte ich letztes Jahr ja sehr gelobt. Schauen wir also, was sein Nachfolger macht – und er selbst ein Jahr später. Der 2011er (nicht gelistet) präsentiert sich ganz im Stil des Jahrgangs an der südlichen Rhône gleichzeitig robust und weich, definitiv früher trinkreif auf jeden Fall als der 2010er (9 €). Dieser erstaunliche Wein hat auch jetzt noch nichts von seiner Kraft eingebüßt. Mehr Säure als im Nachfolgejahrgang, mehr Substanz, mehr Struktur, er bleibt weiterhin eines des ganz großen Schnäppchen der Weinwelt. Aber sprechen wir lieber nicht von „Schnäppchen“, denn wir haben ja gehört, dass Amy den Wein preislich bewusst auf diesem Niveau halten möchte. Also rein mental nicht für „Geiz ist Geil“-Krägen gedacht.
Der „große Wein“ von Gramière hat noch nicht einmal einen Namen, aber Matt hält die Flasche schon mal in die Kamera. Dieser Wein aus dem Jahrgang 2010 besteht aus 100% Grenache, und er soll, wenn er dann auf den Markt kommt, preislich so in etwa bei 16 € liegen. Liebe Freunde, die Ihr vielleicht noch keinen Châteauneuf-du-Pape vom Château de Beaucastel getrunken habt, versucht doch bitte einmal diesen Wein. Ich weiß, dass Beaucastel aus 13 Rebsorten besteht, aber irgendwie hat mich dieser Wein sehr stark an den hochwertigen Châteauneuf erinnert: ein kräftiges Tannin und eine gesunde Säure für ein langes Leben, dennoch komplett ausgewogen und „beaucoup de naturel“, wie die Franzosen vielleicht sagen würden, also viel unfiltrierte, ungeschönte, sehr natürlich transportierte Frucht. Yeah! Fast (aber auch nur fast) war ich froh, als ich danach den 2007er Les Lauzettes (29,90 €) probiere und sagen darf: eindeutig schlechter. Viel robustes Tannin tobt da noch herum, auch viel Südrhône-Süße, aber irgendwie fehlt die Mitte und vor allem die Pikanz, die der 2010er in hohem Maße aufweist.
Domaine Tissot, Jura
Dieses Weingut heißt in vielen Quellen immer noch André & Mireille Tissot, obwohl Stéphane und Bénédicte Tissot schon seit etlichen Jahren das Sagen haben. Stéphane Tissot stellt ungemein individuelle Weltklasseweine her. Daneben sind seine Rebflächen so ausgedehnt wie diejenigen von Markus Molitor, er beschäftigt das halbe Dorf, und zertifizierte Biodynamik wird auch überall praktiziert. Viel besser geht es eigentlich nicht, und wären wir hier im Burgund, hätten wir dreimal so hohe Preise. Allerdings hat Stéphane in den letzten Jahren in dieser Hinsicht ein wenig angezogen – den Einstiegswein, den Chardonnay Empreinte, gibt es erst für 16,80 €. Aber es handelt sich ehrlich gesagt bereits um den „Fingerabdruck“ eines echten Großmeisters: dicht und streng zu Anfang, dann aber sozusagen in die allumfassende Speisenbegleitungstauglichkeit hineinwabernd. Der En Barberon (26 €) ist einer der drei 2011er Lagen-Chardonnays, die Stéphane heute vorstellt. Er wirkt zu Anfang deutlich holzig-weicher, ehe auch hier eine kräftige Säure folgt. Insgesamt aber der edel-burgundische Stil.
Les Graviers (26 €) stammt von einer kalkigen Parzelle und weist den heftigsten Stinker zu Anfang auf. Auch am Gaumen habe ich das Gefühl leicht flüchtiger Säure, der Wein wurde wirklich auf der Messerspitze vinifiziert. Noch einen anderen Aspekt liefert der dritte Lagenwein in der Reihe, La Mailloche (28 €). Der Begriff, so erklärt Stéphane, bezeichnete im alten Französisch einen Hammer, aber eher so einen hohen Industriehammer, das umgekehrte Modell eines “Hau-den-Lukas”, bei dem das Gewicht von oben herunterfällt. Und “Mailloche” wird auch der Boden der Parzelle genannt, weil es ein so kompakter Lehm ist, als hätte man ihn mit einem solchen Hammer gestampft. Dies ist der mineralischste und kargste Wein der gesamten Messe. Ein bisschen fühle ich mich an die strengen Großen von Battenfeld-Spanier erinnert oder an einen Chablis von Dauvissat. Unter der festen Oberfläche schlummert nämlich ein nachhaltiges Feuer, das ganz subtil glimmt. Einer meiner Favoriten, ein wahrhaft individueller, großer Wein.
Später komme ich noch einmal zum Tissot-Stand zurück und probiere zwei Rote und einen Vin Jaune. Der erste Rote ist der ganz junge Trousseau Singulier (2012, 22 €), ein sehr eleganter Wein für diese Rebsorte, ziemlich komplett und für das geringe Alter schon sehr zugänglich. Der Pinot Noir En Barberon (2012, 32 €) fällt dieses Jahr, so sagt Stéphane, sehr leicht aus und sei eigentlich nicht so sehr für die längere Lagerung geeignet. Enorm deftig wirkt mir der Wein, Tannin, Frucht, wieder ein bisschen flüchtige Säure – ein mutiger Stil und auch sehr ungewöhnlich für einen derart hochwertigen Pinot Noir. Der Vin Jaune (2006, nicht gelistet) soll dann die Tissot-Probe beschließen. Walnussschale, eine enorm konzentrierte Frucht und eine ebenso dichte Säure fließen in den Mund, die Materie ist sehr präsent und bleibt auch ewig lang am Gaumen. Hier könnte Robert Parker gern einen seiner “128-Sekunden-Abgänge” zählen.
Domaine Les Eminades, Languedoc
Luc Bettoni erwartet mich wieder einmal mit seinem üblichen Gesichtsausdruck nach dem Motto “also diesmal habe ich die Weine aber wirklich verhunzt”. Das war ehrlich gesagt noch nie der Fall, wenngleich es sich immer um wirklich ausdrucksstarke Charaktere handelt, was den Weichweintrinker durchaus zu schocken imstande ist. Der erste Wein, sein weißer Montmajou (2011, 12,80 €) schockt aber auf ganz andere Weise: ein sensationell guter Wein, einer der frischesten und angenehmsten Weißen des Südens. 80% Grenache blanc, 20% Marsanne, nicht zu spät geerntet und einfach fein. Leider war der Wein postwendend ausverkauft, als ich ihn ein paar Tage später kaufen wollte. Naja, vielleicht kommt ja noch eine Lieferung.
Die Roten zeigen hingegen deutlich mehr Zähne. Der Pierre Plantée (alles St-Chinians übrigens, 2011, 8,90 €) präsentiert sich animalisch im Aroma und glatt im Körper, der Sortilège (2010, 16 €) ist ein wahres Kind des Südens, das die feine Säure erst relativ spät ins Gesamtbild einbringt, und die Vieilles Canailles (2010, 24,80 €) aus hundertjährigen Carignan-Reben …schließen den Bogen zum Beginn. Hier kommt nämlich wieder ein sehr harmonischer Wein. Allerdings muss man erst durch den Anfangsstinker hindurch, bevor dann nach ein wenig Lüften das Unterholz zum Vorschein kommt, Brombeergelee, Cassis, viel Frucht ganz allgemein und etwas, das ich als “Eisensüße” niedergeschrieben habe. Das Tannin und die dichte Frucht deuten das große Potenzial an – aber der Wein muss natürlich noch reifen. “Naja, ein bisschen warm war der Jahrgang zum Schluss”, meint Luc dazu. Wenn Euch prahlerische und marktschreierische Winzer auf die Nerven gehen, fahrt zu Luc und Patricia Bettoni nach Cébazan. Hoffentlich schaffe ich das auch noch mal.
Domaine La Réméjeanne, Südrhône
Der Stand daneben ist gerade nicht besetzt, weil die Winzerin kurz einen anderen Ort aufsuchen musste, aber da ich hier schon mal in der ersten Reihe bin, probiere ich auch drei Rotweine, Les Chèvrefeuilles (2011, 9 €), Terre de Lune (2011, 14,90 €) und schließlich Les Eglantiers (2010, 19,80 €). Was mir sofort auffällt, ist die Tatsache, dass alle Weine eine klare rote Eingangsfrucht besitzen und deshalb deutlich zugänglicher wirken. Bei den ersten beiden Weinen fällt mir allerdings auch nicht so recht viel darüber hinaus auf, mildes Tannin, angenehme Frucht, kann man jetzt schon trinken. Ich bin schon versucht zu sagen, dass Eminades- und Réméjeanne-Freunde niemals eine gemeinsame Schnittmenge besitzen, da probiere ich zum Schluss die Eglantiers, auf Deutsch die Hagebutten. Robuste Syrah-Nase (so kommt es mir vor, 25% Syrah sind’s in Wirklichkeit), viel Südsüße, am Gaumen dann aber deutliche Tannine, eine wahnsinnige Würze, blauer, metallischer Zucker. Schwierig zu beurteilen im jetzigen Stadium, aber die Crux heißt wie immer: Hat der Wein erst einmal die Genussreife erreicht, gibt es ihn nirgends mehr zu kaufen.
Giorgio Clai, Istrien
Meinen zweiten K&U-Tag starte ich ähnlich wie den ersten, nämlich mit einem Wein, mit dem kein Mensch vernünftigerweise anfangen würde. In diesem Fall handelt es sich um den Sveti Jakov von Giorgio Clai (2011, 26 €), den – soweit ich mich recht erinnere – ersten kroatischen Wein jemals im K&U-Programm. Aber es ist halt auch kein gewöhnlicher Trinkwein, sondern ein maischevergorener Weißer aus Malvasia Istriana – oder Malvazija Istarska, ganz wie man will. Ich erwarte einen gerbstoffreichen Wein mit leicht flüchtigen Noten, gleichzeitig beeindruckend individuell und unsauber. So ist es aber nicht ganz. Goldfarben im Glas und ein bisschen kandiert in der Nase, am Gaumen dann aber komplett trocken, bitter, ölig, enorm feurig, mit einem leicht oxidativen Touch, aber ansonsten völlig sauber. Ein Konzentrat vom heißen Stein, das wahrscheinlich noch eindrucksvoller wird, wenn man Reben und Landschaft schon einmal in ihrem wahren Zwiegespräch gesehen hat.
Moric, Burgenland
Von einem Slawen zum anderen, diesmal also zu Roland Velich, dessen Weine mir ja persönlich sehr zusagen. Probiert habe ich den ganz jungen 2012er Blaufränkisch (14,80 €), die Blaufränkisch Reserve von 2011 (29 €) und schließlich einen der beiden großen österreichischen Rotweine, die hier produziert werden, den 2011er Blaufränkisch Alte Reben Lutzmannsburg (75 €). Der kleine Blaufränkisch ist eigentlich immer ein großes Vergnügen, weil herb, fruchtig, mit einem fast bissig zu nennenden Ansatz und viel Natürlichkeit. Der 2012er ist in der Tat noch sehr jung, den würde ich jetzt nicht aufmachen, obwohl er mir in ein paar Monaten sogar schon schmecken könnte. Typisch beerig-nachhaltiger Stil, den kann man immer kaufen. Auch die Reserve ist noch ein wenig zu jung, besitzt aber schon das, was einen Blaufränkisch so attraktiv machen kann. Gut, erst einmal strengere Noten in der Nase, dann im Mund viel Frucht, Brombeere, kalte Blaubeere, das gefällt mir.
Blaurot und noch sehr frisch wirken die Alten Reben aus Lutzmannsburg im Glas. Die Nase ist gleichzeitig sehr expressiv beerig, wiederum diese frostige Waldfrucht, dazu noch eine tiefergelegte Schlehe als zweite Schicht. Am Gaumen spüre ich sofort das gute Tannin, das zwar kräftig, aber reif wirkt, dazu die Säure und eine metallische Würze. Ich versuche, den Wein geschmackstechnisch irgendwo einzuordnen. Einerseits ist diese Frucht-Tannin-Kombination fast italienisch, aber mit einer anderen Frucht, nichts Kirschiges wie bei Barbera oder Sangiovese. Dann denke ich an den fanzösischen Südwesten, an Malbec zum Beispiel, aber die Frucht hier wirkt kälter, blauer. Der französische Südwesten hat ja ganz andere Reifenoten, richtig blau ist es da nie.
Und dann komme ich auf einmal, indem ich einen imaginären Bogen auf einer imaginären Landkarte ziehe, auf dieses Wort: die Nördliche Krone. Der herbe, aber tiefe Rotwein. Der Wein, der kein roter Riesling ist, kein Pinot, der mehr Expressivität zeigt, stinkelig-abweisende Dinge gar der Nase offeriert, der nicht adelig ist, aber auch nicht strunkig. Ein junger Wein muss das sein, ein bisschen derb wie die schaufelförmige Pranke des Handarbeits-Winzers, aber auch großzügig mit Frucht und Stoff.
Wenn ich diesen Weintypus (der in dieser Jahreszeit mein absoluter Favorit ist) geographisch einordnen sollte, dann denke ich an den herbest möglichen portugiesischen Roten aus den alten Minho-Trauben, an das französische Zentralmassiv mit Chatus und anderen Mittelalter-Sorten, an einen Gamay aus traditioneller Vinifizierung, an einen nicht zu heißen Cornalin aus dem Wallis, an eine frische Syrah, an Mondeuse, an die friulinischen Sorten wie Raboso und Refosco, der weiter drüben Teran heißt, und genau an jenen Blaufränkisch, den ich jetzt im Glas habe. Kann es diese souveräne blaue Kraft ohne Süße und Holz, mit Fleisch, aber ohne viel Speck, kann es so etwas auch in Deutschland geben? Pinot? Nein. Gamay? Gibt’s bei uns nicht. Portugieser? Zu dünn. Lemberger? Schließlich ist das ja Blaufränkisch. Aber so einen Typus habe ich noch nicht getrunken. Denn hat ein Lemberger die nötige Kraft, gleitet er gleich wieder ins vanillig “Edle” ab, ist nicht roh genug. Aber ehrlich gesagt kenne ich mich so überragend gar nicht aus in der deutschen Rotweinszene. Vielleicht hat ja jemand von Euch einen Tipp…
Veyder-Malberg, Wachau
Vom herb-fruchtigen Roten zum stillen Weißen. Die Weine von Peter Malberg habe ich ehrlich gesagt noch nie laut erlebt, primärfruchtig, supersüffig. Das waren immer Weine für den zweiten Schluck, die ein bisschen Luft oder Zeit brauchen, auf die man sich auch einlassen muss. Nicht dass es sich um aromatisch schwierige Gesellen mit allerlei gewöhnungsbedürftigen Tönen handeln würde. Aber viele Leute, die einen teuren Wein kaufen, wollen halt die Flasche aufmachen, und …wuff, da ist er! Ich habe alle mitgebrachten 2012er probiert, vier Grüne Veltliner und einen Riesling, alles botrytisferne Gewächse – und sie haben mir in diesem Jahr besser gefallen als im letzten. Bereits der GV Kreutles (15,90 €) kann mit einer beachtlichen Pikanz und Spannung aufwarten, ebenso der Liebedich (21,50 €), eine Cuvée aus verschiedenen Parzellen, die zu klein sind, um aus jeder einen eigenen Wein zu bereiten.
Mein Favorit für diesmal folgt als nächstes, der Grüne Veltliner Hochrain (32,50 €). Das ist wirklich ein sehr souveränes Produkt, spannungsgeladen, aber halt nur innen und nicht nach außen. Der Weitenberg (51,50 €) steht für mich diesmal eine Nuance weiter hinten, einfach weil er ein bisschen schwerfälliger wirkt. Der einzige Riesling diesmal ist der Bruck (34,50 €), der zwar auch in ganz kleinen Wellen vibriert, mir aber im Vergleich mit den Veltlinern noch ein bisschen zu hefig und unfertig vorkommt. Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.
Marjan Simčič, Brda
Wir bleiben im Südosten. Naja, ein bisschen südlicher als in der Wachau sind wir hier schon, nämlich in der italienisch-slowenisch-kroatischen Grenzregion, der Hauptquelle für Orange Wines. Die Simčičs machen eine ganze Reihe interessanter Weine, auch solche, die man ohne viel Aufhebens zum gegrillten Fisch oder einem Schälchen Oliven genießen kann. Aber sie machen auch das hier: den Sauvignon blanc Opoka (hoppla, diesen Boden hatten wir ja schon einmal), 39,80 € für 750 ml Weißwein. Ein richtiger Orange Wine ist das nicht, die Trauben wurden lediglich für 36 Stunden auf der Maische belassen, aber Ihr könnt Euch vorstellen, dass die karge Karstnatur, die reife Frucht und die expressive Rebsorte hier eine fast unheilige Allianz eingehen. In der Nase gleichzeitig stachelbeerig und gelb, am Gaumen dann wie erwartet trocken, steinig, nach Eukalyptus und Kräutern der Garrigue, der Macchia oder wie das in Slowenien auch heißen mag. Dies ist ein Wein, der wahnsinnig viel Landschaft transportiert. Ein Wein, den man vielleicht nicht zum geselligen Beisammensein trinken sollte, sondern eher in der Stille eines nasskalten Winterabends. Dann nämlich wirkt er umso stärker und zerrt an den Nerven: “Ich will jetzt auch da sein, wo die Bienen summen und der Rosmarin duftet!”
Villa Terlina, Piemont
Mit italienischen Weinen gehe ich ja sehr sparsam um auf diesem Blog. Das liegt einfach daran, dass ich mich dort nicht so gut auskenne, und leider geht es den meisten guten Weinhändlern genauso wie mir (die weniger guten haben natürlich Falesco und Planeta im Programm, aber das kann ja nicht alles sein). Dr. Paolo Alliata ist Villa Terlina, ein kluger, ernsthafter und weltgewandter Mann, so einem vertraue ich mich gern an. Gelesen habe ich davon, dass 2008 ein großartiger Jahrgang im Piemont gewesen sein soll, aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Zunächst kommt nämlich der 2011er Barbera d’Asti Bricco Francia (9,50 €). Das ist dann in der Tat ein fruchtig-robuster Geselle, genau richtig zum Essen, aber natürlich meilenweit vom Edlen entfernt. Der Gradale (2008, 13,80 €) zeigt sich dagegen deutlich runder, sanfter, aber auch nachhaltiger. Die Tannine sind präsent, aber sehr reif, die Frucht gut platziert. Dies ist ein sehr gelungener Wein, wieder einmal in Richtung der “Nördlichen Krone”, so habe ich mir das gewünscht.
Der Monsicuro (2008, 28 €), ebenfalls ein Barbera d’Asti, stellt so ungefähr die Spitze dessen dar, was man aus Barbera machen kann. Noch etwas feiner als der Gradale, aber – wenn man das so ausdrücken möchte – zwar doppelt so teuer, aber nur 1,5 mal so gut. Zum Abschluss gibt es noch den Piediferro (2006, 25 €), den Eisenfuß aus dem Eisenberg, aus Monferrato nämlich. In diesem Wein schlummert ein gewisser Anteil an Uvalino, einer alten, aber fast vergessenen piemonteser Rebsorte. Ab dem Jahrgang 2013 will Villa Terlina übrigens auch einen reinsortigen Nebbiolo auf den Markt bringen, allerdings nur in sehr geringer Flaschenzahl. Der Piediferro strahlt in diesem Jahrgang viel Wärme und Potenz aus mit einem beachtlichen Feuer am Gaumen, aber die Frucht wirkt etwas rumtopfiger und brilliert nicht so, wie es (darauf könnte ich wetten) dereinst der 2008er machen wird. Eine sehr gute Kollektion insgesamt, und vielleicht komme ich ja doch noch auf den italienischen Geschmack.
Mitjavile, Bordeaux
Ich nenne hier einfach den Familiennamen der Winzer, denn Nina Mitjaville vertritt hier gleich drei Weingüter. François Mitjavile, einer der wirklich großen Weinkünstler aus dem Bordelais, wollte eigentlich persönlich kommen, aber eine Krankheit hinderte ihn daran. Junge, merlotbetonte Bordeaux sind für mich in aller Regel schwierige Zeitgenossen. Da kann der Winzer noch so gut sein. Mir ist das in diesem Stadium häufig gleichzeitig zu viel Pelz und zu viel Gelee. Aber gut, wer derartige Qualitäten kosten kann, sollte sich nur leise beklagen. Ich probiere zunächst den Roc de Cambes 2010 (40 €), danach den Tertre de la Mouleyre (39 €) aus demselben Jahrgang und schließlich eine Fassprobe des 2012er Tertre-Rôteboeuf (142,80 € in der Subsription). Der Roc de Cambes ist exakt so wie erwartet: sehr reife Frucht, dunkel, fast geleeartig, dazu noch stark präsente Tannine. Ganz persönlich finde ich die Frucht ein bisschen zu dunkel-dumpf. Bis sich da der Diamant entschält hat, vergehen noch viele Jahre. Vielleicht mag ich diesen Stil bis dahin ja, wer weiß.
Während der Tertre de la Mouleyre in dieselbe Kerbe haut, mache ich mich mit der Tertre-Rôteboeuf-Fassprobe auf an einen ruhigen Ort. Wie man überall lesen konnte, sollen die 2011er und 2012er Bordeaux mit den beiden Vorgängerjahrgängen ja überhaupt nicht mithalten können. Es scheint fast so, als bräuchte Bordeaux diese schlecht bewerteten Jahrgänge, um endlich mal wieder aus dieser grotesken Preisspirale für die klassifizierten Gewächse herauskommen zu können. Ansonsten kauft nämlich kein echter Weinliebhaber mehr Bordeaux, denn – mit Verlaub – die großen Bordeauxbefürworter sind jenseits der 70, und die neuen Käufer kommen aus Shanghai. Bei dieser Fassprobe ist das Tannin zwar auch stark spürbar, aber die ganze Materie, vor allem aber die Farbe und die Konzentration der Frucht sind eindeutig weiter oben in der Skala angesiedelt. Die Eleganz scheint hier schon ein wenig früher präsent, der Stil (oder vielmehr: der Jahrgangseinfluss) gefällt mir bei einem derart intensiven Wein irgendwie besser. Dennoch werde ich meine genau abgezählten 142,80 € im Portemonnaie für etwas anderes ausgeben.
Paul Ginglinger, Elsass
Um das herauszufinden, probiere ich jetzt von je einem Winzer einen Wein, was ein kleines geschmackliches Durcheinander mit sich bringt, aber ich stärke mich zwischendurch mit Brot und lege mittlerweile auch längere Pausen ein. “Paul Ginglinger”, das ist inzwischen Michel, der einen Riesling aus dem Jahrgang 2011 mitgebracht hat, und zwar den Grand Cru Pfersigberg (19,90 €). Ich kenne die Ginglinger-Weine schon von früher, und auch damals sind mir bereits die sehr vorteilhaften Preise aufgefallen. Ich schnuppere am Glas und spüre gleich diesen Touch trockener Botrytis, der für mich irgendwie elsasstypisch ist. Die besseren Weine sind hier sehr stark auf Haltbarkeit hin vinifiziert, und irgendwie ist es vielleicht auch kulturell interessant zu registrieren, dass der Gault Millau den großen deutschen Rieslingen ein “Trinkreifeende” im Jahr 2022 attestiert (z.B. bei Wittmanns Morstein), der Bettane-Dessauve hingegen im Jahr 2031 (beim Brand von Zind-Humbrecht). Für einen 2011er hat Michel Ginglingers Riesling jedenfalls eine beachtliche Säure.
Ridge, Kalifornien
Auf in ganz andere Welten. Ich gebe zu, dass ich alles andere als ein Experte für U.S.-amerikanischen Wein bin. Ich weiß aber, dass Zinfandel sozusagen die Herzrebsorte der Kalifornier ist. Und ich weiß auch, dass ich einen für mich geschmacklich angenehmeren Zinfandel als denjenigen von Ridge noch nie getrunken habe. Das behaupte ich zwar schon seit einiger Zeit und einigen Ridge-Jahrgängen, aber es scheint sich nicht zu ändern. Der 2010er Geyserville (32,50 €) ist nämlich wieder gewohnt europäisch, wenn ich das mal so sagen darf. Also kühl und nicht fett, mit Säure und Struktur, dabei allerdings mit einer echt kalifornischen Samtigkeit ausgestattet. Interessant finde ich die nussige Steinpilznote, die ich nicht so recht deuten kann. Allzu viele Grübeleien lenken aber auch nur ab.
Stéphane Ogier, Nordrhône
Ein bisschen Konzentration brauche ich nämlich noch, weil der nächste Wein auch nicht von schlechten Eltern ist: der 2009er Côte-Rôtie (54 €) von Stéphane Ogier. Im Vergleich mit dem Ridge ist hier oben an den steilen, harten, sauren und mageren Böden des Rhône-Abhangs natürlich so einiges etwas schärfer. Die Säure zum Beispiel. Aber was in kleinen Jahrgängen oft ein bisschen zu prononciert daherkommt, schnürt in einem warmen Jahrgang wie 2009 die Materie auf angenehme Art zusammen. Die Reife ist dadurch spürbar, aber nicht das dominierende Element. Eine Syrah von weiter unten (“unten” auf der Landkarte, so drückt man sich als Geograph fachgerecht aus) würde ich aus dem Jahrgang 2009 nicht so gern haben wollen, da kommt mir Avignon dann wie Alicante vor.
Hannes Schuster, Burgenland
Ein paar der charakterstärksten Roten habe ich mir ganz für den Schluss aufgehoben. Hannes Schuster (das Weingut und die Etiketten tragen den Namen seiner Mutter Rosi) produziert Weine, die für Glatt- und Vanilleweintrinker einfach die Hölle sein müssen. Die leicht animalischen Noten, die die Sankt Laurents in der Nase ausstrahlen, passen irgendwie zu diesen komplett ungekünstelten, gleichzeitig bärigen und frischen Weinen. Nachdem mir die 2009er ja bereits im letzten Jahr sehr gut gefallen hatten, war ich gespannt, wie es weitergehen würde. Nun, nahtlos rund, würde ich sagen, wenn die Weine nicht tatsächlich Ecken und Kanten besäßen. In der Mitte thront aber bei allen Weinen, vom Kleinsten bis zum Größten, dieser so kräftige wie entspannte Fruchtkern.
Ich habe alles hier probiert, vom “kleinen” Sankt Laurent (10 €) und Blaufränkisch (11 €) über die Sankt Laurents Sankt Margarethen (31,90 €) und Zagersdorf (2009 und 2010, je 44,90 €) und beim Blaufränkisch den Rusterberg (31,90 €) und den Jagini (2008 und 2009, 29,50 € bzw. 32 €), das Gemeinschaftsprojekt mit Roland Velich. Gekauft habe ich mir (nicht an diesem Tag, aber wenig später) den kleinen Blaufränkisch, weil er schon alles in sich trägt, was den Charakter der Schuster’schen Weine ausmacht. Richtig elegant wird es eher weiter oben im Portfolio. Mein Favorit war diesmal der 2010er Sankt Laurent Zagersdorf, und ich musste beim nachträglichen Blick in die Liste mit Schrecken feststellen, dass das ausgerechnet der teuerste Wein war.
Kaufen kann man keinen Wein bei der K&U-Messe, jedenfalls nicht zum Mitnehmen. Was es aber zu kaufen gibt, das sind die ganzen kulinarischen Errungenschaften, die Nürnberg und seine Umgebung mittlerweile bereithalten. Fast kommt mir das so vor wie eine “Essigbrätlein-Dynamik”, denn man scheint sich in der Szene der Genüsse zu kennen, zu schätzen und sich auch gegenseitig anzufeuern. Ich stopfe in meine Tasche also kein Weinchen, sondern Brot und Käse, Räucherfisch und Macarons.
Mein sehr kurzes Fazit nach diesen langen Beschreibungen fällt ziemlich einseitig aus: Schön wäre es, wenn noch mehr Winzer so agieren würden wie die an diesen beiden Tagen hier Anwesenden. Mehr Liebe zur Natur, mehr Sorgfalt und echtes Handwerk in Weinberg und Keller, mehr Souveränität des Zulassens. Ob dann tatsächlich eine bessere Welt dabei herauskommt? Auch das vermutlich. Ganz sicher aber bessere Weine, und die sind bei den neu auf den Markt gekommenen Jahrgängen keine Mangelware. Die 2012er aus Deutschland – jedenfalls jene, die ich hier probieren konnte – fallen so prachtvoll und idealweinig aus wie schon seit, jawohl, 2004 nicht mehr. Damals gab es aber noch nicht ganz so viele Winzer, die damit auch etwas anzufangen wussten.
Im europäischen Ausland sind bei den strukturierten Weinen insbesondere die 2010er sehr gut ausgefallen, für allgemeine Einschätzungen darüber hinaus ist die Welt aber eindeutig zu vielfältig.
Spannend war’s, lustig auch, gegen Ende selbstverständlich anstrengend, aber immer wieder bereichernd. Nächstes Jahr bin ich jedenfalls wieder mit dabei, und für ein Bestechungskistchen von Tissot behaupte ich dann vielleicht sogar, dass Martin Kössler beim Ausschenken an seinem Stand immer den Überblick behalten hat.
So wie Du Dein Messe-Fazit ziehst, so kann auch ich nach dem Lesen Deines Post nur sagen: Das Lesen war spannend, auch gegen Ende kein bisschen anstrengend, aber immer wieder bereichernd 😉
Danke für Deinen ausführlichen Bericht, den ich mir heute im Laufe des Tages sicherlich nochmal genauer anschauen werde…
Der Viesslinger Stern kommt auch auf keiner mir bekannten Karte vor. Ich werde mal nachbohren. Was ist eigentlich mit den Einzellagen des Jura? Sie kommen zwar auf Etiketten, aber nicht in Karten vor.
Da bin ich auch überfragt. Ich habe hier im “Grand Atlas des Vignobles” zwar Karten von L’Etoile und Château-Chalon mit Parzellen, aber ausgerechnet Weine von dort haben nie Parzellennamen auf dem Etikett, sondern immer nur solche aus den Appellationen Arbois und Côtes du Jura. Und auf den Homepages von Rijckaert und Tissot sind ausgerechnet die Abschnitte über ihre Lagen “en construction”. Macle und Ganevat haben vorsichtshalber überhaupt keinen Internetauftritt. Tja, la douce France halt ;).
Der Vieslinger Stern ist eine parzelle der Lage Bruck http://weinlagen.org/#lage_id=2154
Ah, danke, diesen Hinweis hatte ich nirgends gefunden (hatte aber auch vergessen, den Winzer danach zu fragen…)
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