Leider musste es ausgerechnet an meinem Ausflugssamstag regnen. Dabei hatte ich mich schon sehr darauf gefreut, zur wunderbaren Maienzeit durch die hohenlohische Landschaft zu streifen. Gelohnt hat es sich aber trotzdem sehr. Schaut also, was ich in Schwäbisch Hall getrieben habe, welche Pflanzenextrakte man in Maienfels in Öl verwandelt, und was es auf dem Süddeutschen Käsemarkt im Freilandmuseum Wackershofen zu sehen gibt.
Hohenlohe ist eine Gegend, die sich um administratives Krimskrams nicht wirklich schert. Verbindendes Element ist die Sprache und irgendwie – trotz Schrauben-Würths Weltherrschaft – ein ländlich-traditioneller Charakter von Land und Leuten. Das Interessante dabei ist, dass die Hohenloher manch traditionelles Element durch schwere Zeiten wie die Dr. Oetker-Modernisierungswelle oder auch die Große Discounterzeit geführt haben – um jetzt irgendwie ganz vorn dran zu sein. Glaubt Ihr nicht? Dann kommt zunächst einmal mit auf den Samstagsmarkt von Schwäbisch Hall.
Riesig ist er nicht, der Markt. Aber es gibt Fleisch, Wurst, Käse, Obst, Gemüse und Backwaren nicht nur in ausreichender Menge, sondern vor allem in entsprechender Qualität. Ich war wirklich überrascht von der Quote der Demeter-Stände, die (um mal ein weit verbreitetes Vorurteil ins Spiel zu bringen) eben nicht nur Dinkelkörner anzubieten haben, sondern ganz einfach handgemachte Spezialitäten aus der Region.
Sollte beim Marktbesuch ein spontaner Schüttregen auftreten, kann man bei dieser Gelegenheit mit kulturellem und spirituellem Gewinn die Michaelskirche aufsuchen – einfach die Treppe vom Markt hoch, und schon sieht man, dass dieses Städtchen auch in früheren Zeiten nicht gerade arm gewesen zu sein scheint. Eine Basilika mit schöner hölzener Empore und einem Hochaltar aus Antwerpen – das nur nebenbei.
Auf dem Weg vom Marktplatz bergab zum Kocher kommt Ihr an einem Laden vorbei, den Ihr weder übersehen könnt noch dürft. Es handelt sich um die schmucke Verkaufsstelle der “Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall“, und was jene zu bieten hat, wird bereits auf dem Schild angekündigt: “Boeuf de Hohenlohe” und natürlich “Schwäbisch-Hällisches Landschwein”. Wie ein solches Schwein aussieht, zeige ich Euch weiter unten. Und was in den Wurstwaren der Erzeugergemeinschaft alles nicht enthalten ist, steht in ihrer Broschüre: Nitrit, Phosphat, Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Farbstoffe, Stabilisatoren, Bindemittel, Kutterhilfsmittel und E-Stoffe. Da weiß man dann auch, was normalerweise woanders drin ist.
Ganz nett auch ansonsten, das Städtle. Da sollte ich bei schönerem Wetter auf jeden Fall wiederkommen.
Nächste Station: Maienfels, ein Adlernest mit Burg oberhalb des Brettachtals, Sitz der Maienfelser Naturkosmetik. Welcher Wind hier oben weht, sehe ich gleich beim Blick auf die “Anti-Atomkraft”- und “Stoppt Stuttgart 21!”-Aufkleber auf den umstehenden Autos. Ein echter Ort des Widerstands im Ur-Öko-Sinne. Ein bisschen atmet das alles den Geist einer Zeit, da sich die Krautrock-Bands in Kollektiven aufs Land zurückzogen. Egal ob einem diese Musik nun gefällt oder nicht, war das definitiv ein befreiendes Zeichen in immer noch ziemlich finsteren Zeiten. Wie, nicht meiner Meinung? Na, schaut Euch erst mal diese Doku an, dann können wir morgen weiterdiskutieren.
Schlichtweg genial finde ich das, was die Maienfelser hier oben machen. Sie pressen respektive destillieren mit Wasserdampf Öle aus allen möglichen und unmöglichen Pflanzen. Normalerweise, und dafür steht der Zusatz “Naturkosmetik”, sind das Dinge, die gut riechen und mit denen man sich pflegen kann. Ich kaufe aber ein paar Fläschen aus einem ganz anderen Grund: Majoran, Salbei, Basilikum, Quendel (so eine Art Thymian gemäßigter Breiten), Gelbwurz, das sind meine persönliche Riechfläschchen. Ich wollte mir eigentlich schon immer so eine kleine Duftbibliothek anlegen, aber die getrockneten Gewürze verlieren ihren Duft meist recht schnell. Und Schnuppersets wie “Le Nez du Vin” bestehen, soweit ich das weiß, aus synthetisch nachgebauten Düften.
Jetzt habe ich also einen soliden Anfang gemacht. So ein Maienfelser-Fläschchen kostet jeweils weniger als 10 €, hält zwar nicht ewig, aber ganz sicher ein bis zwei Jahre – und es gibt nicht weniger als 940 verschiedene Sorten in Mini-Auflagen. Im der Destillerie angeschlossenen Laden könnt Ihr fast alles probieren – wahrscheinlich komme ich beim nächsten Mal nicht so billig davon…
Die letzte Station ist das Hohenloher Freilandmuseum in Wackershofen. Wer in der Gegend wohnt, war unter Garantie schon einmal dort; für mich ist es das erste Mal. Ich bin auch nicht primär der schönen Bauernhäuser wegen gekommen, sondern weil hier der “Süddeutsche Käsemarkt” stattfindet mit einer beeindruckenden Anzahl handwerklicher Käsereien – und das nicht nur aus Süddeutschland. Ich probiere viel und kaufe geschätzt für den nächsten Monat ein.
Eins fällt mir dabei allerdings auf: Ihr wisst ja vielleicht, dass ich von meiner Gourmetseite her eher französisch sozialisiert bin. Insofern erstaunt es mich, dass es in Deutschland immer noch sehr wenig entsprechend geschmacksintensiven Käse jenseits der alpenländischen Schnittvariante gibt. Also quasi Pendants zu St-Nectaire oder St-Marcellin, zu Bleu de Gex, Banon oder Bergues. Die echte Vielfalt halt. Gut, Backsteinkäse gibt’s und Harzkäse. Auch Milbenkäse, zugegeben. Aber sonst viel Quark mit wahlweise Rosinen, Basilikum oder Bockshornklee. (Okay, leicht überspitzt formuliert, und ja, ich habe auch das Buch von Ursula Heinzelmann. Aber trotzdem…)
Dafür ist die “alpenländische Schnittvariante” richtig gut vertreten. Auf der Biofach war mir schon die Dorfkäserei Geifertshofen aufgefallen, und jetzt, da ich eine Unzahl anderer Käse verschiedenster Hersteller probiert habe, muss ich sagen: Sie sind weiterhin (für mich) die Besten. Gerade die etwas länger gereiften Varianten besitzen nicht nur schöne Aromen, sondern auch eine sehr feine Teigstruktur. Allerwärmstens zu empfehlen.
Noch stärker beeindruckt hat mich allerdings der Stand des Völkleswaldhofs, eines Demeter-Betriebs nicht weit von Schwäbisch Hall entfernt. Hier konnte man zwar keinen Käse kaufen, dafür aber Milch probieren. Und zwar blind. H-Milch, länger haltbare Milch, “normal” pasteurisierte Frischmilch und Rohmilch. Und dann nachher feststellen, dass man ohne Übung nicht oft richtig liegt. Gut, die H-Milch war sofort herauszuschmecken. Aber der Rest? Ich konnte zwar Unterschiede feststellen, aber beim besten Willen nicht, was diese Unterschiede bedeuten. Sehr anfängerhaft habe ich mich gefühlt. Die Bäuerin vom Stand hat dann gemeint, dass alte Leute beim Raten meist am besten liegen, die seien diese Geschmacksunterschiede von früher vielleicht noch am ehesten gewohnt.
Das Freilandmuseum hat aber nicht nur Bauernhäuser und Käse zu bieten, sondern auch Tiere. Hällische Landschweine, genau. Und deshalb lasse ich Euch jetzt (fast) allein mit ein paar Stimmungsbildern, die ich noch gemacht habe.
Ein Trupp Jugendlicher im Freilauf.
Die Festtagstracht tragen hier nicht nur die Stallbewohner.
Großer Auftrieb an der Ferkelbox – sie sind aber auch wirklich zu nett.
Gemischte Schweine-Gemütlichkeit.
Und zum Abschied noch ein paar Probeschlucke und ein paar gekaufte Fläschchen am Stand von Jörg Geiger, dem deutschen Apfel- und Birnenkaiser. Da ich ja selbst (ungemein amateurhaft) unter die Cider-Hersteller gegangen bin, ist es natürlich ein doppeltes Vergnügen, das abwechslungsreiche Portfolio Geiger’scher Machart testen zu können. Gekauft habe ich dann – und zwar ohne nach dem Probeschluck auch nur eine Zehntelsekunde zu zögern – den 2008er Eisapfel, ein Aromenkonzentrat, das einem die Schuhe auszieht. Mit 22,90 € für den halben Liter natürlich kein Spottpreis, aber so etwas könnte ich mir als komplett gleichwertigen Ersatz für eine menüabschließende Trockenbeerenauslese vorstellen. 22o g Restzucker, 13 g Säure, 4 vol% Alkohol, die Werte klingen auch nicht unähnlich.
Da mir der Besuch rund um Schwäbisch Hall so viel Spaß gemacht hat und das Wetter an einem anderen Sommerwochenende bestimmt noch mal besser ist, welche Tipps habt Ihr noch auf Lager für die Gegend? Jagsttal geht übrigens auch, ich bin da nicht so.
Hatte letzthin ein Traumpaar auf dem Tisch: Koteletts vom Schwäbisch-Hällischen aus der Nachbarschaft, dazu die Geigersche Champagner-Bratbirne. Dort war ich aber nie – das wird nachgeholt!
Genau, wenn’s in zwei Monaten dann Sommer wird ;). Übrigens hatte ich mal die Extra-Brut-Ausgabe der Champagner-Bratbirne getrunken und fand sie irgendwie weniger ansprechend als den günstigen Schwäbischen Apfel-Birnen-Cider aus demselben Haus (den ich natürlich nachgekauft habe). Aber vielleicht war meine Erwartungshaltung bei Obst(schaum)weinen auch eher auf Fruchtigkeit ausgerichtet als auf den Aromamolekülnachbau eines echten Champagners…
Hallo Matthias,
sehr schöner Artikel über ein Städtchen, das ich gut kenne und sehr mag! Zwei klitzekleine Sprachanmerkungen, die bitte nicht als beckmesserisch aufgefasst werden sollen. Die Region Hohenlohe wird ohne Artikel verwendet, also nicht “die Hohenlohe ist…” sondern einfach “Hohenlohe ist….”. Abgeleitet ist der Name vom Adelsgeschlecht Hohenlohe (Reichsfürsten). Das Haus Hohenlohe gibt es heute noch und der Fürst ist im Weinbau aktiv. Allenfalls würde man sagen: “Das Hohenlohische..”. Das Flüsschen Kocher ist nicht weiblich sondern männlich. Beim nächsten Besuch empfehle ich sehr die beiden Kunstmuseen von Würth. Es lohnt sich und ist ein schönes beispiel für Mäzennatentum. Vielen Dank für den schönen Bericht und bitte nicht zürnen :-).
Beste Grüße
Alfredo
Selbstverständlich zürne ich nicht ;). Der Kocher, das werde ich mir merken. Und beim Fürsten stand ich schon im Weinberg, im Verrenberger Verrenberg, aus dem ich mir dann auch einen Spätburgunder und einen Lemberger mitgenommen habe. Also nicht direkt vom Rebstock, versteht sich. Ins Würthmuseum wollten wir eigentlich auch (also in die Johanniterkirche der Alten Meister wegen), gerade in Anbetracht des leicht unerfreulichen Wetters, aber direkt vor uns ist gerade eine große Busreisegruppe in das Gebäude eingebrungen. Da dachten wir dann, okay, nächstes Mal… Und ja, Mäzenatentum ganz alter Schule, erfreulicherweise.
Die Existenz des Schwäbisch-Hällischen Schweins und die Tatsache, dass man sein Fleisch wirklich kaufen kann war damals ein Grund nicht auszuwandern