Insgeheim hatte ich bereits gehofft, dass man in Jakarta genauso gut essen kann wie in Bangkok. Indonesien mit seinen unzähligen Inseln und Regionalküchen und nur dieser einen richtig großen Hauptstadt als Sammelpunkt bietet einfach ungeheuer gute Voraussetzungen. Dazu gibt es – wie in Bangkok auch – eine traditionelle chinesische Gemeinde, dazu noch indische, arabische und auch holländische Einflüsse. Letzteres merkt man übrigens an manchen sprachlichen Überbleibseln. So wird der erste indonesische Präsident Sukarno hier immer noch “Soekarno” geschrieben, also wie im Holländischen. Erstaunlich verbreitet als Getränk ist auch Apfelsaft, auf Indonesisch “jus apel”. Jener stammt allerdings nicht aus Holland, sondern aus chinesischem Apfelsaftkonzentrat. Aber ich schweife schon wieder ab. In diesem Artikel soll es schließlich um originär indonesisches Essen gehen.
Allerdings sollte ich erst einmal einschränken: Es geht hier nur um das Essen, das ich selbst an den ganzen Straßenständen zu mir genommen habe. Dass es mittlerweile auch Pizza und Hamburger an allen Ecken gibt und sogar “Original Turkish Kebab”, ist bei einer Metropole wie Jakarta einleuchtend. Dass es auch gute Restaurants mit livrierten Kellnern gibt, vermute ich deshalb, weil ich ein schickes Buch in Ledereinband und mit Silbergravur gesehen habe namens “The best restaurants in Jakarta 2011”. Damit hatte ich allerdings nichts zu tun. Leider ist es mir aus organisatorischen Gründen auch nicht möglich gewesen, den offenbar wirklich beeindruckenden “Muara Karang Fish Market” zu besuchen. Warum ich das bedaure, könnt Ihr in diesem Blogartikel samt Video sehen.
Von Glück kann ich allerdings sprechen, dass ich schon am ersten Abend die Speise entdeckt habe, der ich bislang jeden Tag treu geblieben bin – ein kleiner bis mittelgroßer Snack: Tempe Mendoan. Tempe, in anderen Sprachen auch “Tempeh” geschrieben, ist ein ur-indonesisches Essen. Als ich das zum ersten Mal gegessen hatte und noch nicht wusste, was es war, habe ich in mein kleines Büchlein gekritzelt: “Reiskäseteigfladen mit Frühlingszwiebeln und grünen Chillies, schmeckt super!” Mit Reis hat das allerdings gar nichts zu tun. Tempe sind in der Tat Fladen, aber aus fermentierten Sojabohnen, deshalb auch der leicht käsige Touch. Mit Sojabohnen habe ich ja so meine Probleme. Im Grunde genommen kann man heute davon ausgehen, dass es sich immer um die gentechnisch veränderte Variante handelt, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes auf der Packung steht. Beim Tempe-Frittierer gibt es aber nun einmal keine Packung.
Ohnehin entspricht – das sollte ich bei der ganzen Begeisterung über mein asiatisches Streetfood nicht verschweigen – das Ausgangsmaterial meist nicht den Kriterien, auf die ich bei uns in Europa im Einkauf immer achte. Man scheint gelegentlich die neoliberale Maxime des “immer höher, schneller, weiter” derartig zu verinnerlichen, dass gentechnisch veränderte Saat, gerippige Käfighähnchen und sorglos verwendete Glutamate einfach zum Alltag gehören. Aber zurück zur angenehmen Seite.
Der Teig aus fermentierten Sojabohnen wird für “Tempe Mendoan” sehr kurz in heißem Fett frittiert. “Mendoan” ist ein Begriff aus dem Banyumas-Dialekt in Zentraljava und bedeutet genau diese Praxis. Dadurch dass die Fladen nicht “durchfrittiert” sind, bleiben sie sozusagen halbgar und relativ weich, haben dafür einen intensiveren Geschmack als ihre krossen Kollegen. Überrascht war ich, dass zu den Tempe standardmäßig eine Handvoll roher grüner Chillies gereicht wird. Ich muss zugeben, ein wenig Respekt hatte ich schon, aber jetzt kann ich von den kleinen Aromabömbchen gar nicht genug bekommen, sie ergänzen den Tempe-Geschmack nämlich ganz hervorragend. Allerdings sollte man die Chillies nur kurz herzhaft anbeißen, im Mund mit dem Tempestück vermischen und relativ schnell schlucken. Zum genüsslichen Zuzeln eignen sich nämlich auch diese Exemplare nicht.
Die krosse Version der Tempe gibt es übrigens in tausendundeiner Variante. Die Indonesier gehen offenbar davon aus, dass man praktisch alles in den Teig tauchen und anschließend frittieren kann. Ich glaube, da irren sie sich nicht. Eine meiner Lieblingsvarianten ist diejenige mit frittierten Tapiokablättern, Ihr könnt sie auf dem Foto im vorherigen Absatz sehen. Auch verblüfft war ich über ein würziges Curry, das ich an einem Straßenstand zu Hühnerfleisch (= Ayam) gereicht bekam. Es handelte sich um ein bissfestes Gemüse, das von seiner Form her, wie Ihr auf dem Löffel sehen könnt, eigentlich der Bittergurke entsprechen müsste. Aber es war kein bisschen bitter.
Gar nicht bitter war auch mein Termin in der indonesischen Amtsstube, ich hatte Euch beim letzten Mal davon berichtet, dass ich das noch vor mir habe. Allerdings wiehert dort der zugehörige Schimmel recht kräftig, aber das nur nebenbei. Zum Abschluss wollte ich von meinen Gesprächspartnern noch wissen, was ich in Jakarta unbedingt essen müsste, sozusagen das hiesige Pflichtgericht. Tja, vielleicht “Nasi Goreng”, naja, oder nein, und da wurden sie auf einmal ganz aufgeregt, natürlich “Padang”! Padang muss sein, definitiv! Das Wort konnte ich mir zum Glück gut merken, also bin ich mit den Gedanken an Padang Padang Padang wieder zurück auf die Straße gegangen.
Nun ist es aber nicht so, dass man in ein Restaurant geht und “einmal Padang bitte” bestellt. Das habe ich schnell festgestellt, als ich nach fünf Minuten tatsächlich an eine Padang-Bude geraten bin. Vielmehr ist Padang nämlich eine Art der Zubereitung und Präsentation. Die Tradition stammt von den Minangkabau im westlichen Sumatra. Für Padang wird eine Vielzahl unterschiedlicher, tja, Fleisch-, Fisch- und Gemüsecurries einmal am Tag gekocht (meistens vormittags) und dann in einer Vitrine ausgestellt. Wer jetzt daherkommt und etwas essen möchte, bekommt aus dem großen Reiskocher erst einmal eine Portion Reis und wählt dann aus den verschiedenen Schüsseln seine Favoriten aus. Alles kommt auf einen Teller, und gegessen wird meist mit der rechten Hand, das ist keine Mär, wie ich bei meinem Aufenthalt in der Bude feststellen konnte. Allerdings bekam ich ungefragt Gabel und Löffel gereicht, was mir dann ehrlich gesagt auch ganz recht war.
Ich muss zugeben, dass ich die einzelnen Bestandteile relativ zufällig durch Deuten mit dem Finger auf die Schüsseln ausgewählt habe. Ob es da optimale Kombinationen auf der einen oder Tabus auf der anderen Seite gibt, weiß ich nicht. Jedenfalls bekam ich – wiederum ungefragt – erst einmal zu dem Reis einen Löffel voll relativ zäher Blätter auf den Teller. Kassava-Blätter sind das wahrscheinlich, und die nahmen hier alle. Über den Reis wurde eine orangefarbene Sauce gegossen. Das ist Gulai, eine Mischung von Kokosmilch und (in der Regel) den folgenden Gewürzen: Kurkuma, Koriander, schwarzer Pfeffer, Galgant, Ingwer, Chili, Schalotten, Knoblauch, Fenchel, Zitronengras, Zimt und Kümmel. Ausgezeichnet, Ihr könnte es Euch denken.
Voller Begeisterung gab mir der Padang Man allerdings auch noch aus einer anderen Schüssel etwas auf den Teller. Das konnte ich sofort verstehen, weil ich es schon kannte: “Rendang”. Rendang ist Rindfleisch oder – in früheren Zeiten oder in dörflichen Verhältnissen – Wasserbüffel. Weil so ein Büffel ganz schön zäh sein kann, wird das Fleisch in Kokosmilch und einer Gewürzpaste stundenlang geköchelt. Ich weiß gar nicht, ob man im Original das Fleisch zunächst kurz scharf anbrät, glaube es aber nicht. Durch das lange Köcheln ist der Kokosgeschmack – anders als bei der Gulai-Sauce – komplett verschwunden. Alles Flüssige ist verdampft, Fleischsaft, das übrig gebliebene Kokosfett und die Gewürze haben eine geschmacklich untrennbare Einheit bekommen. Im Prinzip sind die Gewürze dieselben wie beim Gulai, können es zumindest sein. Faszinierend, wie groß die geschmacklichen Unterschiede werden können.
Eine ganz lustige Sache ist mir übrigens beim Stöbern auf der Website eines indonesischen Supermarkts aufgefallen: “Discovering Yogurt”, heißt es da, bevor auf die Vorzüge des Joghurtkonsums hingewiesen wird. Allerdings weiß ich nicht, ob das eine Kampagne zur Verringerung unseres Joghurtberges sein soll oder doch tatsächlich eine kulinarische Innovation ist wie Pizza, Sushi oder eben Nasi Goreng bei uns. Nur eben diesmal von Norden nach Süden.
absatz vier ist ganz, ganz wichtig und ich gerate in “exotischen” ländern auch immer wieder in diese falle, vor lauter “authentisch” und so weiter die prinzipien guter lebensmittel um des geschmackes willen über bord zu werfen. danke, dass du da so selbstkritisch bist, ich versuch’s auch und es ist dort viel schwieriger als zuhause.
und rendang haben wir in malaysia auch bekommen und sehr gemocht, geht problemlos auch zuhause, schmeckt genauso gut. aus bio-rind, das auf pinzgauer almen gelebt hat.
tempeh gibt’s – zumindest in österreich – auch aus österreichischer produktion (die wiederum auf in österreich angebauten bio-sojabohnen basiert), von einem ziemlichen freak in diesen dingen, die firma heißt sojvita da haben wir aufgrund des für soja günstigen klimas definitiv einen vorteil. in ö wird soja mittlerweile auf der annähernd gleichen fläche wie zuckerrüben angebaut.
Naja, ich bin schon selbstkritisch im Sinne eines bestimmten Bewusstseins, aber ich bin nicht ultra-konsequent. Ich käme also nie auf die Idee, den Mann am Straßenstand zu fragen, woher er seine Hühner bezogen hat. Wenn ich im Supermarkt etwas kaufe, dann schaue ich mir natürlich die Inhaltsstoffe an. Trotzdem probiere ich auch mal ein Getränk mit vier E-Stoffen, wenn ein Rhinozeros auf der Verpackung ist ;).
Es ist übrigens eine sehr interessante Frage, inwiefern “unser” Wunsch nach guten, möglichst wenig prozessierten und aus nachhaltigem Anbau stammenden Produkten eine elitistische Vorstellung ist. Wird ja gelegentlich behauptet, aber ist das auch so? Ist der Konsum von Pinzgauer Bio-Rindern tendenziell eher innovativ oder tendenziell eher reaktionär, also zurück zu vorindustriellen Denkweisen? Was akzeptiere oder wünsche ich mir eigentlich unter den Begriffen “Fortschritt” und “Dynamik”, wenn ich ein Pinzgauer-Biorind-Konsumententyp bin? Das sind jetzt übrigens durchaus selbstreflexive Fragen, denn ich würde mich auch prinzipiell eher dieser Klientel zuordnen. Interessant ist dabei, dass die Bio-Bewegung ausgerechnet in unserer schnarchig-restriktiven Gesellschaft einen so großen Erfolg hat. Ist es vielleicht gar so, dass wir sehen, wie wir in punkto Dynamik, Modernität und Fortschritt global gesehen zunehmend ins Hintertreffen geraten und uns auf diese Weise ein eigenes, noch recht exklusives Gegenmodell entworfen haben? Das war Anfang der 80er sicher noch nicht so das Thema, als diese Bewegung aufgekommen ist. Wenn wir es nämlich schaffen, dass es als gesellschaftlich erstrebenswert gilt, gute und teure Lebensmittel zu kaufen, können wir eine derartige Nischenproduktion auch in der globalen Welt aufrechterhalten. Käme es nur auf die Effizienz an, würden die Pinzgauer nämlich schon längst keine Rinder mehr haben.
Sorry für diesen Exkurs, aber das ist mir gerade so durch den Kopf gegangen. Was den Sojabohnenanbau in Österreich anbelangt, ist das nicht schwerpunktmäßig Viehfutter, ähnlich wie Mais?
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