Vor Jahren hatte ich mir schon ein kleines Büchlein mit dem Namen „Un Grand Weekend à Nancy“ gekauft. Weil Nancy ja nicht weit ist (außer für Berliner und Wiener vielleicht), weil es nicht so überlaufen wirkt und weil es die vielleicht erste komplett französisch wirkende Stadt ist, die man auf der Fahrt in den Süden passiert. Dann bin ich aber doch immer auf genau jenem Weg in den Süden an Nancy vorbeigefahren, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass wir „jetzt aber wirklich bald mal“ in Nancy Station machen müssten. Vor zwei Wochen hat sich endlich die Gelegenheit ergeben – und es lohnt sich wirklich. Folgt mir also bei meinem kleinen, logischerweise kulinarisch inspirierten Rundgang durch die Stadt.
Dass man eine Markthalle nicht am späten Abend aufsucht, ist ein alter Hut. Machen wir es also wie die Franzosen und schlendern zwischen den Ständen umher, bevor wir uns in einem der angrenzenden Bistrots einen Kaffee, nein nicht reinschütten, sondern langsam und genüsslich schlürfen. Das Gute an der Markthalle von Nancy ist, dass sie auch – nach einer gewissen Mittagspause – nachmittags noch einmal öffnet. Die für mich wichtigsten Stände hatte ich Euch ja schon in einem anderen Post näher gebracht: die Poissonnerie L’Océane und das Käse- und Delikatessenimperium der Brüder Marchand.
Direkt gegenüber der Markthalle befindet sich die Confiserie Lalonde (59, rue St-Dizier), eine echte Institution. Lustigerweise haben die diversen einschlägigen Guides, die ich besitze, entweder dieses Haus oder jenes von Nathalie Lalonde in der Rue Stanislas gelistet, aber nie beide zusammen. Vielleicht ist Nathalie die Tochter des Hauses, die sich mit einer moderner ausgestatteten Boutique selbstständig gemacht hat, vielleicht haben die beiden Häuser aber auch nur den Namen gemein. Aber es ist ein bisschen wie bei den ganzen Winzern mit Namen Laroppe an der Côte de Toul: Einen Fehler begeht man nie, egal für wen man sich entscheidet.
Frisch gestärkt begeben wir uns ohne weitere Umschweife durch die Neustadt zum Place Stanislas. Dies ist eigentlich der einzige Ort gewesen, an dem mir sofort aufgefallen ist, dass Nancy auch ein nicht unbedeutendes touristisches Ziel darstellt. In den Gassen ringsherum verläuft sich alles ziemlich schnell, auf dem Place Stanislas existieren Touristen hingegen noch busladungsweise. Ich gebe aber gern zu, dass dieses prachtvolle Ensemble aus dem 18. Jahrhundert wirklich eine große Harmonie ausstrahlt und man hier wirklich das Gefühl hat, inmitten einer großartigen Stadt zu sitzen. Egal ob ein Kaffee, ein Gläschen zwischendurch oder ein Apéro, das “Grand Hôtel” ist der Ort, an dem man zu stilechten Preisen den Blick über den Platz genießen sollte. Je nach Sonnenstand wechselt die Beliebtheit der einzelnen Cafés übrigens.
Da wir gerade noch in touristischer Laune sind, können wir auch gleich einen kleinen Abstecher zum Place d’Alliance machen, der ein paar Schritte östlich vom Place Stanislas liegt. Auch hier hat Herr Leszczińsky ganze Arbeit geleistet und einen vollständig harmonischen Platz errichten lassen. Mich erinnert er mit seinen geschlossenen Wohnhausfassaden und den zurecht gestutzten Bäumen ein wenig an den Place des Vosges in Paris. Schön zum Sitzen im Schatten an heißen Tagen oder bei herbstlicher Stimmung. Aber schließlich sind wir hier ja auch fast in den Vogesen.
Ob Ihr die nächste Station gleich jetzt oder lieber später wahrnehmt, hängt ein wenig davon ab, wie anfällig Ihr für Weinkäufe seid. Kaum? Gut, dann geht ein paar Meter südlich des Place Stanislas in eine kleine Querstraße (quasi die Rückseite des Rathauses) und betretet die Weinhandlung „Les Domaines“. Hier gibt es natürlich eine ausgezeichnete Auswahl an Weinen aus Lothringen und dem Elsass, aber auch jede Menge anderer interessanter und – im Keller – sogar wirklich hochkarätige Sachen. Ich habe mich sehr beschränkt und lediglich sechs kleine Flaschen mitgenommen, unter anderem den klassisch oxidativen Jurawein von Jean Macle. Anschließend musste ich dann den Rundgang durch Nancy unterbrechen und wieder zum Hotel zurück, um das Geschlepp loszuwerden…
Euch geht es ja nicht so, und Ihr könnt sofort den Place Stanislas strikt nach Norden durch den (derzeit leider eingerüsteten) Triumphbogen verlassen. Hier oben schließt sich mit der Grande-Rue die Altstadt von Nancy an, die im Laufe der Jahrhunderte ein wenig an den Rand der sich in andere Richtungen weiter entwickelnden Stadt gedrängt worden ist. Tagsüber ziehen die Antiquitätenläden und schmucken Cafés ein eher gehobenes Publikum an, aber abends wird die Altstadt zum Ausgehviertel der Studentenscharen.
Am nördlichen Ende der Altstadt befindet sich die neugotische Kirche Saint-Epvre, benannt nach dem Bischof von Toul. Ein etwas seltsam anmutender Name mit drei Konsonanten hintereinander, und sein deutscher (und lateinischer) Name „Aper“ lebt auch nur noch in einigen Straßen dieser Welt weiter. Aper ist übrigens auch der Heilige der Schweinehirten, ein nicht mehr sehr stark nachgefragter Berufsstand. Weshalb ich Euch das hier schildere, liegt daran, dass die Pâtisserie Adam, die sich direkt am Kirchplatz befindet (3, pl St-Epvre) , seit dem Jahr 1902 hier den “St-Epvre” bäckt. Es handelt sich um eine geschlossene Mandel-Meringue mit einer Füllung aus Vanille- und Nougatine-Creme. Natürlich musste ich diese Spezialität kaufen, aber Vorsicht beim Essen, es bröselt ziemlich. Ansonsten gibt es hier auch allerlei andere kleine süße und herzhafte Gebäckstückchen zum Mitnehmen. Ich habe mich – wen wundert’s – für eine echte Quiche Lorraine entschieden.
Wenn Ihr nun längst der Kirche die Rue La Fayette in Richtung Süden nehmt, kommt Ihr nach ein paar Minuten fast direkt an dem Laden vorbei, der vielleicht der bekannteste und beliebteste in Nancy ist, das „Maison des Soeurs Macarons“ (21, rue Gambetta). Hier gibt es wieder eine ganze Reihe von Touristen, aber es handelt sich wahrhaftig nicht um eine Touristenfalle. Ich glaube, in diesem Laden kann man ungesehen alles kaufen, denn alles, was ich hier erstanden habe, war von erstklassiger Qualität. Das bezieht sich natürlich zuerst auf die berühmten Mandelmakronen, die man im halben Dutzend kaufen kann. Dafür bekommt man einfach einen Teil des dicken Backpapiers abgeschnitten, auf dem die Makronen noch hängen. Auch wenn ich die raffiniert luftigen Kreationen aus Paris schätze, dies hier sind die echten, rustikal-feinen und ungemein saftigen Makronen aus Großmutters Zeiten.
Darüber hinaus gibt es noch andere Produkte in dem Laden, die an vergangene Zeiten gemahnen. An sich bin ich überhaupt kein schnapsiger Typ, und mit irgendwelchen billigen Wässerchen gefüllte Pralinen gebe ich lieber gleich an meine Nachbarn weiter. Bei den Soeurs Macarons gibt es allerdings Marzipankreationen, die mit feinstem Mirabellenschnaps gefüllt sind. Ich muss zugeben, ein solches Geschenk würde ich annehmen. Ein anderes Geschenk habe ich mir selbst gemacht. Dies ist nämlich einer der wenigen Orte, an denen es die Johannisbeerkonfitüre aus Bar-le-Duc zu kaufen gibt. Das ist jene, bei denen die kleinen Kerne von Hand mit Hilfe eines Gänsefederkiels entfernt werden. Ob das nun dekadent oder authentisch altmodisch oder beides ist – egal, ich musste mir ein kleines Gläschen davon kaufen. Mehr darüber aber in einem gesonderten Post, wenn ich die Konfitüre auch probiert habe.
Auf dieser Straße weiter in Richtung Süden, sie heißt jetzt Rue St-Dizier, würdet Ihr direkt wieder zur Markthalle kommen. Ein kleiner Abstecher in die querende Fußgängerzone (mit Straßenbahn) sei aber gestattet. Die Straßenbahn besitzt übrigens echte Reifen, was mich erst ein wenig verwundert hat. Dann habe ich dieselbe Straßenbahn allerdings in den Außenbezirken ohne Schienen auf der Straße fahrend angetroffen – schwimmen kann sie wahrscheinlich auch noch. In der Fußgängerzone der Rue St-Georges also gibt es neben den Frères Marchand von der Markthalle ein weiteres Imperium, nämlich jenes von Alain Batt. Ursprünglich Chocolatier, hat er nun drei kleine Lädchen nebeneinander besetzt, in denen man allerlei Dinge für die schlanke Linie findet.
Gute Wurstwaren soll es übrigens – außer in der Markthalle – noch bei Clément (18, rue Raymond-Poincaré) geben, aber Nancy in den französischen Sommerferien, das bedeutet auch, dass etliche der kleinen Familiengeschäfte geschlossen sind. Kommt also jetzt nach Nancy, wenn Ihr die behäbige, sommerliche Ruhe liebt, oder aber im September, wenn der ganze Ballungsraum von 500.000 Menschen hier einkauft und Ihr besser nicht mit dem Auto direkt in die Altstadt fahrt. Nancy ist in jedem Fall eine Reise wert, am besten natürlich an einem „Grand Weekend“.
Hallo Matze!
Da geht es mir wie Dir. Wo sind wir schon überall vorbei gekommen und ein flüchtiger Blick hat uns gesagt – “Oh! Wie schön! Da müssen wir das nächste Mal aber umbedingt halten!”
Gemacht haben wir das dann beim nächsten mal aber doch nicht. Einfach verschoben auf das nächste mal. Und danach? Wieder verschoben, weil man dem Drang nach Süden, oder auch anderen Drängen, dann doch nachgegeben hat.
Metz, Nancy, Langres, Lyon, Chambord, Orleans, Sancerre, Troyers, die komplette Aube, Chablis, Nice all das sind Städte, Landschaften oder Sehenswürdigkeiten an denen ich schon des öfteren vorbei gekommen bin. Selten hat es für einen flüchtigen Blick gereicht. Oft hab’ ich mich in der “einschlägigen Literatur” danach eingelesen, manchmal einen Tip von Freunden und Bekannten bekommen – und doch bin ich dann beim nächsten Mal wieder einfach vorbei oder durch gefahren.
Wie Du siehst, ist meine Liste der noch zu besuchenden Städte und Örtlichkeiten groß und jetzt hab ich noch gar nicht aufgezählt, wo ich in Paris überall noch nicht war….
Grüße Jens
Genau, Lyon ist auch so ein Fall! Da ist man doch jedesmal froh, wenn man gut durch den Tunnel durchgekommen ist und schnell weiter kann. Obwohl es ja kein Geheimnis ist, dass das alte Lyon mit seinen Bouchons quasi Heimat und Inspiration zugleich für Paul Bocuse war, dass Lyon neben Paris als das zweite große kulinarische Zentrum Frankreichs gilt. Nur sind die Flüge nach Lyon nicht gerade praktisch, und mit dem ganzen Urlaubsgepäck will man dann ja doch nicht in eine Großstadt fahren.
Das steht also auch definitiv auf der Agenda. Eine angenehme Agenda übrigens, mit der ich mich gern beschäftige. Warst Du übrigens schon mal in Lille? Nicht ganz auf dem Weg in Richtung Süden, aber auch so eine Stadt, die man gern unterschätzt. Da war ich allerdings schon oft, aber ich fahre auch immer wieder gern hin.
Ne! In Lille war ich auch noch nicht. Liegt irgenwie ja auch nicht auf der Strecke. Vielleicht werd ich es ja mal zu einer Messe der Vignerons Independent schaffen. War ja jahrelang Torstens Baustelle.
Wenn ich weiter über das Thema nachdenke, dann kommen da noch ganz andere Destinationen zu Tage:
– die nördliche Rhone
– Camarque
– Beaujolais
– Alsace
Je länger ich darüber nachdenke, um so länger wird wahrscheinlich die Liste der Städte und Regionen, durch die man so “durchbraust” auf dem Weg in den Süden oder sonstwohin.
Wir brauchen einfach mehr Urlaub und Kohle!!! ;-))
Grüße Jens
So! Einige weiße Flecken geschwärzt. Neben Nancy hab’ ich die letzte Woche auch Mâcon, Bouzeron, Givry und Villie-Morgon “abhaken” können. Zugeben muss ich jedoch, dass mir Nancy eher nicht so gefallen hat, was vielleicht auch am Wetter lag – nasskalt und Nebel. Der Place Stanislas ist mir irgendwie zu steril und der Rest von Nancy zu siffig. Die Markthalle jedoch ist toll! Werd versuchen beim nächsten mal Metz zu besuchen.
Jens
Okay, im Sommer war der Place Stanislas natürlich voll, kannst Du Dir ja vorstellen. Das verändert die Atmosphäre schon ziemlich. Und siffig, tja… Warst Du jetzt eigentlich schon in Lüttich? Meinst Du mit der Siffigkeit eher das Vieux Nancy (toll herausgeputzte Altstadt, null siffig eigentlich, nur abends ein wenig “drogig”) oder die FuZo? Letztere hat halt den heute ziemlich dröge wirkenden Charne der 60er und 70er… Metz ist ja auch eine mittelalterlich reiche aber sozialstrukturell arme Stadt. Wie Lothringen insgesamt oder die Wallonie oder Nord-Pas de Calais auch. Ich denke, da kannst Du wieder beide Seiten sehen.
In der Fußgängerzone waren wir gar nicht. So allgemein irgendwie etwas siffig, was vielleicht auch am Wetter gelegen haben könnte. Geb ich ja zu. Benutzte Spritzen hab’ ich im Parkhaus, in dem ich geparkt habe, auch überall gesehen. Irgendwie hatte für mich Nancy auch kein stimmiges Gesamtkonzept gehabt. Der Place Stanislas einerseits, darum viele kleine Modeläden mit Preisen jenseits von gut und böse und dann wieder eher abgewrackte Straßenzüge, Junkies und irgendwie passte das für mich alles nicht so zusammen. Ich war aber wirklich auch nur kurz da. Das war nur der erste Eindruck den ich jetzt schildere, aber der ist ja meistens entscheidend. In Liege war ich erst Dienstag. Aber wieder nur durchgefahren, obwohl, dieses mal war eine Straße gesperrt und ich bin andere Wege gefahren und hab etwas Mehr und Neues von Liege gesehen, als bisher und ja Siff ist auch hier Programm. Auch auf den ersten Blick nicht gerade einladend.
Moin Matze,
danke für den sehr inspirierenden Post. Nancy steht auch noch auf meiner “to do, before I die”-Liste. Ich habe zwar schon mal im tiefsten Winter um Unterschlupf in der JH gebeten – übrigens eine Empfehlung zum Übernachten für kleines Geld, wie auch die in Lille… – aber in die Altstadt bin ich dann nicht – ich wollte nur noch was einkaufen, was ich auch in einem Rieseneinkaufszentrum nahe der JH und der Autobahn tat, und dann nach Hause, es war kalter glatter Winter und am nächsten Tag musste ich wieder arbeiten. Unter Normalbedingungen hätte ich noch einen Bummel über die Plätze gemacht, aber bei Glätte wirkt die Strecke mehr als doppelt so lang .
Lille ist übrigens wirklich perfekt im November… Das dumme ist nur, dass ich noch nicht wieder ein Auto voll Wein brauche…
Über Lyon sind wir uns wohl alle einig, ich hatte mich sogar schon zwei Mal so verfahren bzw. wurde durch Umleitungen so geleitet, dass ich mittendurch mußte.
Konsequenterweise hätte man das Auto auf einem Platz abstellen müssen und sich wenigstens einen Rundgang durch das Quartier gönnen müssen, aber wenn dann der Verkehr nervt, willst du bloß noch wieder raus…
Im Allgemeinen fahre ich daher lieber sehenswerte Dörfer oder kleine Städte an…
Beste Grüße
Torsten
Das mit dem Auto voller Wein kenne ich auch sehr gut 😉 Ich weiß noch, dass ich mein Auto mit geöffneter Heckklappe das letzte Mal in Lille fotografiert habe, weil so unglaublich viel reingestopft war. Mittlerweile war ich auch zu allen Jahreszeiten in Lille, und irgendwie passt es immer. Ich finde die Leute auch extrem herzlich, nicht nur wegen des Ch’ti-Klischees. Der Mann, der den Olivenöl-Franchiseladen von Oliviers & Co in Lille besitzt, ist zum Beispiel ein waschechter Pariser. Seine Freunde hielten ihn für verrückt, dass er es sich antut, in die nördliche Provinz zu gehen. Aber er meinte nur, ihn würde man hier nie wieder wegbekommen, so sehr gefällt es ihm in Lille. Oder das nette Paar aus dem Languedoc (“Au Gré du Vin”), das sogar auf die südliche Sonne verzichten kann – übrigens auch ein super Tipp zum Essen gehen, aber ich werde noch einmal ein bisschen herumschauen und fotografieren, wenn ich das nächste Mal dort bin, dann kann ich auch einen vernünftigen Post schreiben statt immer nur einfach zu jubeln…
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