Die Geschichte der Missverständnisse zwischen Österreichern und Deutschen ist lang. Kleines Beispiel gefällig? Kärnten, Anfang der 80er Jahre, Mini-Matze zusammen mit seinen Eltern im Urlaub. Ich lese die Sportseite einer landesweiten Zeitung mit den Berichten aus der Bundesliga vom Wochenende, der österreichischen natürlich. Irgendwo ist ein Spieler mit einer roten Karte vom Platz gestellt worden. Sein Vergehen: Er hatte den Schiedsrichter höflich gefragt: “I möcht amol wissn, wer hier a Ungustl is…”
Ja, das möchte ich natürlich auch wissen, wer der Ungustl gewesen ist. Viel mehr hätte mich allerdings interessiert, was das überhaupt ist, ein Ungustl. Und ob die Beleidigung, die dies ja sein muss, hinreicht, jemanden des Feldes zu verweisen. Lauter virtuelle Fragezeichen im Kopf von Klein-Matze. Und wenn ich ehrlich bin, scheint das heute noch genauso zu gelten. Nein, was ein Ungustl ist, weiß ich inzwischen. Aber dennoch: Ich lese österreichische Blogs, die mit großen Fragezeichen im Gesicht über deutsche Weine schreiben. Ich lese deutsche Blogs, die mit großen Fragezeichen im Gesicht über österreichische Weine schreiben. Ist es tatsächlich so, dass man gegenseitig die Sprache nicht richtig versteht, die der Gegenpart spricht. Benutzt beispielsweise ein “F.X. Pichler Unendlich” Worte, die in Hamburg nur als starker, gutturaler Brei ankommen?
Als Wanderer zwischen den Welten habe ich deshalb in Lissabon kurzerhand die Habsburger-Woche eingeläutet. Vor allem, weil der Himmel so schön blau-weiß… ach nein, noch so ein Missverständnis.
Gemäß dem Motto “zehn Jahre danach”, von dem wir in diesem Jahr auf deutschsprachigen Blogs noch jede Menge lesen dürfen, habe ich einen 2001er Grünen Veltliner von Emmerich Knoll aus der Wachau geöffnet. Es handelt sich um den Smaragd aus der Ried Loibenberg, eigentlich fast der “Kleinste” unter den Knoll’schen Smaragden, aber das ist natürlich nur relativ zu sehen.
Jetzt mag es bestimmt Menschen geben, die mir widersprechen, aber sollte mich jemand um einen hochwertigen und typisch österreichischen Wein bitten, ich würde ihm wahrscheinlich einen Wein von Emmerich Knoll anbieten. Mit Flasche natürlich, denn Geschmack hin, Geschmack her, der Wiedererkennungswert und das geradezu sinnbildlich Barocke des Etiketts (obwohl der abgebildete Hl. Urban doch eher dem leicht tümelnden 20. Jahrhundert entsprungen sein dürfte), alles passt so ungeheuer gut zusammen.
Im Glas leuchtet der Wein goldgelb. Nichts weniger. In der Nase reif, gelb, mit einer gewissen Firne, na klar, Mandelnoten und Senfmehl. Dies ist kein Katzenbeißer, das merkt man gleich. Am Gaumen konzentriere ich mich zuerst auf die Säure. Sie ist mild, reif, aber dennoch auf eine subtile Art präsent. Die Aromen präsentieren sich nicht nur reif, sondern gereift, eine entwickelte Materie, den Babyspeck gegen den Genussbauch ausgetauscht, denn mager war dieser Wein noch nie. Gelbfleischigste Marille schmecke ich, Papaya, sehr gewürzlastig, Pfeffer, Curry, Senf.
Dieser Weißwein ist weise, alles andere als erfrischend, aber enorm zurückgelehnt. Ein winterlicher Wein, könnte man sagen, einer der sich mit zunehmender Öffnungsdauer noch mehr in Richtung milde, gelbe Würze entwickelt. Ich persönlich möchte keinen noch fetteren Weißen haben. Hier hat sich Harmonie auf einem hohen Level eingestellt: Eleganz, Fülle, Weitblick. Hätte der Schiedsrichter im erwähnten Spiel nach einem Glas dieses Smaragds die rhetorische Frage nach dem Ungustl gestellt bekommen, er hätte wohlwollend geantwortet: “Naa, an Ungustl gibt’s hier net.”
Meine Punkte: 7 für Eleganz, ebenfalls 7 für Charakter, macht dank seiner Ausgewogenheit 17,5 MP – und das ist viel! Was noch viel besser ist: Es gibt diesen Wein immer noch zu kaufen. Ich habe ihn bei “Vino Grande” in Essen kurz vor meiner Abreise nach Lissabon für 20,50 € erstanden. Mit anderen, völlig unmissverständlichen Worten: Greift zu!
Einspruch, bei mir gibt es keine Fragezeichen zu deutschen Weinen, im Gegenteil! Wir haben mehr deutsche Rieslinge (vor allem Mosel) als Wachauer Weine im Keller. Allerdings haben wir die “Deutschen” erst vor so 6, 7 Jahren entdeckt. Früher gab es kistenweise Hirtzberger, Pichler, Alzinger und natürlich auch den heiligen Knoll. Inzwischen sind mir die Weine dieser Winzer (Alzinger teilweise noch ausgenommen) zu alkohollastig und nivelliert. Wenn ein 15 %iger Veltliner Smaragd sich nicht mehr von einem Riesling Smaragd unterscheidet und jeder Wein nach Marillen und exotischen Früchten schmeckt, bin ich – und viele andere ehemalige Fans – nicht mehr dabei. Schon gar nicht bei Ab Hof Preisen von über 40 EUR – für Weinhändler! Aber Österreich hat ja noch viele andere Weine zu bieten …
Nein, Eline, Du warst damit natürlich auch nicht gemeint! Was Nivellierung, Alkohol und Botrytis anbelangt, bin ich persönlich auch kein Freund derartiger Monster. Ich neige eher zu etwas filigraneren, komplexen, spannungsgeladenen Weinen, wobei mir da Peter Veyder-Malberg an der Wachau einfällt, aber da sind wir ja (leider) genau bei dem exorbitanten Preisniveau.
Noch mal zu den fetten Weinen: Was mich daran stört, ist nicht ihre Existenz. Ich finde es ja prinzipiell gut, wenn das Spektrum dessen, was Weine zu bieten haben, möglichst weit ist. Aber es hat sich so ein Duktus des “allein selig Machenden” eingestellt, unterfüttert durch einschlägige Punktbewertungen. Ein schlanker, spannungsreicher Wein scheint seit einigen Jahren in Österreich wenig Chancen auf hohe Punkte zu haben, weil er bei Blind- und Massenverkostungen einfach weggeblasen wird. Und wer viele Punkte bekommt, steht damit verbrieft auf der “richtigen” Seite. Ist aber nur mein subjektiver Eindruck.
Da Du ja als Österreicherin die beste Ansprechpartnerin bist: Welchen spannenden österreichischen Wein findest Du derzeit unverzichtbar? Würde mich wirklich sehr interessieren.
chezmatze,
die Verkoster und Bewerter hinke da – auch in Österreich – immer den Konsumenten hinten nach. Inzwischen findet man immer mehr filigranere Weine in guten Restaurants, egal ob aus Ö oder aus D. Aber deutsche Rieslinge sind – zumindest in meinem Umfeld – sehr begehrt. Und viele Winzer stellen unauffällig auf Bio und Spontangärung um, machen das aber nicht publik, um keinen Öko-Touch zu bekommen.
Ich kenne mich in der ö. Weinlandschaft nicht mehr so gut aus, weil ich kaum mehr zu öffentlichen Verkostungen, Messen gehe und auch nur mehr selten zu Winzern fahre.
Für mich subjektiv gibt es nicht nur einen herausragenden Wein. Unverzichtbar ist keiner, es gibt immer eine Alternative.
Winzer die ich sehr schätze: Nikolaihof (GV Im Weingebirge), Mantlerhof (Roter Veltliner), Zahlel (Grüner Veltliner), Pfaffl (Grüner Veltliner), Neumeister (Moarfeitl Sauvignon Blanc und Morillon) Gross (Morillon Nussberg), Velic (Moric Neckenmarkter Alte Reben, für mich einer der besten österr. Rotweine), Alphart (Rodauner Rotgipfler).
Von Veyder-Malberg habe ich noch einige Flaschen Viognier, die er als Kellermeister im Schloss Hardegg gemacht hat – grandios.
Danke für Deine Einschätzung! Den Neckenmarkter Alte Reben hatte ich auch schon mal in der Hand (leider nicht probiert), musste ihn dann aber wieder zurücklegen, weil ich nur 20 Euro dabei hatte 😉 Die Zierfandler-Rotgipfler-Geschichte gefällt mir allein schon einmal vorab wegen ihres Exotenstatus (mag man in Österreich vielleicht ganz anders sehen). Ich hab halt eine Schwäche für Nischen…