Diesen Wein hatten wir im letzten Jahr direkt vor Ort auf der französischen Atlantikinsel gekauft, die einige von Euch vielleicht aus Urlaubsreisen kennen, sicher aber nicht mit Wein in Verbindung bringen. Und tatsächlich: Dies ist ein Tafelwein (die Bezeichnung gab es damals noch) aus einer extrem seltenen Traube, das Weinfeld nicht viel größer als ein normales Dorfgrundstück. Für diese Verkostung hatte ich mir extra einen besonders meerigen Platz ausgesucht, gutes Wetter abgewartet, und dann, tja… Dann ist mir etwas unterlaufen, was meine Seriosität nachhaltig untergräbt. Aber seht selbst:
Damit ich mich wieder rehabilitiere, vielleicht zunächst ein paar seriöse Angaben zum Wein: Um einen Tafelwein handelt es sich dehalb, weil die Ile de Noirmoutier kein von einer französischen Appellation erfasstes Gebiet ist. Natürlich darf bei einem Tafelwein nicht der Jahrgang auf dem Etikett stehen, aber gut, hier haben sie halt den Tag der Ernte draufgeschrieben, es war der 15. September 2007, den Rest kann man sich denken. Der Untergrund besteht aus erstaunlich hartem Fels, nämlich Granit und “Argile Flandrienne”, einem Tonstein, darüber sandige Meeresböden. Die Rebsorte “Grolleau blanc” gibt es nur im Bereich der Loire, und auch dort ist sie ausgesprochen selten. So selten, dass ich jedenfalls keine Angaben darüber gefunden habe, auf wieviel Hektar sie angebaut wird.
Dieser Wein wurde nicht auf der Insel ausgebaut, denn im Gegensatz zum Weinfeld gibt es auf der Ile de Noirmoutier keinen Winzer, der über die notwendigen Einrichtungen verfügt. In diesem Fall hat ein gewisser Patrick Gobin aus St-Léger-les-Vignes (sic!) den Ausbau besorgt. Dass bei diesem Wein Reinzuchthefe und Stahl statt Spontanvergärung und Holzfass zum Einsatz kamen, ist irgendwie klar. Schließlich haben wir es hier nicht mit einem Cru Classé zu tun, und die 7,90 €, die ich dafür gezahlt habe, sind sicher auch eher der Touristennachfrage zu schulden.
Das Geschäft, in dem ich den Wein gekauft habe, “L’Ile Gourmande”, ist allerdings großartig. Unter anderem bietet Inhaber Henri Gallais nämlich selbst eingedoste, tja, Austern-Schwein-Pastete an und von einem Freund noch Nutria-Wurst. Die Biester hätten sich im Marais ganz schön breit gemacht, so sein Kommentar. Gut, aber das nur nebenbei.
Als ich später dann wieder zu Hause war und wir den Wein zum Essen getrunken haben, hat sich die Beurteilung aus der etwas ungewöhnlichen Video-Weinverkostung noch mal deutlich verschoben. Die Nase gibt nach der Lüftung ganz andere Noten preis, weiße Johannisbeere, Stachelbeere, jetzt doch deutlich wie ein Sauvignon blanc. Am Gaumen ist eine blassweiße Reinzuchtaromatik zu spüren, ein bisschen Zitronat, die lockere Frucht vom Anfang wirkt zunehmend ausgezehrt und angestrengt.
Ich würde einen solchen Wein jetzt doch zu Meeresgerichten wie Muscheln in Roquefortsauce empfehlen, zu denen man zwar einen Weißwein haben möchte, aber einen, der dann vom Roquefort ein bisschen platt gemacht wird. Hört sich komisch an, aber manchmal ist es besser, wenn man die eigentliche Aromatik des Weins nicht so stark schmeckt.
Die Punkte: 3 für die Eleganz, 5 für den Charakter, macht 11 MP insgesamt.
Sehr geehrter Matze, vielleicht könnten Sie einmal einen separaten Artikel zu der erwähneten Nutria-Wurst verfassen? Ich gehe fest davon aus, dass es sich um eingemachte Biber handelte. Ich habe sie als äußerst köstlich in Erinnerung und schaffte mir bei Gelegenheit einen ganzen Jahresvorat (“Steigle”) an. Mit der Bitte um Stellungnahme grüßt Sie Ihr Kollege von nebenan
Ebenfalls sehr geehrter Mu.,
ich erinnere mich gut daran, dass das Steigle dann doch nicht so lange gehalten hat wie vorher angenommen. Was den Biber anbelangt, habe ich keine wirklich handfesten Informationen. Im Internet fand ich jedoch zwei interessante Stellungnahmen:
In einem französischen Kochforum postete eine gewisse “Mathilde” ein Gericht mit dem Namen “Biberschwänze”, das in Kanada sehr populär sei. Sie bekam dafür 0 von 5 Punkten als Bewertung, aber es schien mir auch eher ein Gebäck zu sein, kein echter Biber.
Auf der Website des “Schweden-Markts” gibt es dann tatsächlich Biberwurst zu kaufen. Allerdings besteht sie nur zu 50% aus Biber. Die andere Hälfte ist Wildschwein, wohl hinzugefügt, um den Geschmack ein wenig samtig-milder werden zu lassen.
Viele Grüße, Matze
Auf der Facebook-Seite der Universitätsbibliothek Wien wurden vor kurzem Seiten aus einem Kochbuch von 1710 veröffentlicht, wo sowohl ein Rezept für eingemachten Biber als auch für Biberschweif abgebildet sind: http://tinyurl.com/cpey2au
Hi Matze, also das finde ich schon ein bißchen stark, den Wein dann trotzdem (ohne Glas) zu verkosten. Hut ab, dass du das trotzdem online stellst. Hat schon seinen Sinn, warum man aus Gläsern Wein trinkt 😉 Ansonsten schöne Landschaft, sichtlich besser als der Wein. Ich misstraue übrigens Wein, der in solchen Gegenden nur für Touristen hergestellt wird, sehr – mit recht, wenn ich das hier so lese. Gruß, gery
Hallo gery,
ja, ich hatte auch ein bisschen mit mir gerungen, das Video hier einzustellen. Aber wie schon mal erwähnt, die Landschaft war toll, der Wein ausgesprochen selten – und die Erkenntnis klar, dass Aromen Platz und Zeit benötigen, um sich zu verbreiten. Das mit den touristischen Gegenden und dem Weinbau an seinen Randzonen werde ich vielleicht jetzt auch ein bisschen runterfahren. Es wird wieder mal Zeit für einen echten Klassiker, finde ich.
Viele Grüße, Matze
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