Ende August war bei mir früher immer die Zeit gekommen, in der es zwingend in den Süden ging. In den Süden mit Pinien, Zikaden und gelegentlich auch dem Blick aufs glitzernde Meer. Das einzige, an das ich in der ersten Woche denken musste, war, meinem alten Schulfreund Frank zum Geburtstag zu gratulieren. Ansonsten: dolce far niente. Aus diesem Grund bietet es sich doch an, beim Natürlichen Dienstag einen Wein vorzustellen, der diese Stimmung bereits auf dem Etikett festhält. Der »Albore« von Nicolas Mariotti Bindi stammt von der Mittelmeerinsel Korsika, und er hält absolut, was er verspricht.
Patrimonio Albore aus Korsika von Nicolas Mariotti Bindi
Nicolas Mariotti Bindi stammt aus Korsika, aber wie fast alle Korsen musste er natürlich erst einmal aufs Festland, um Karriere zu machen. So war es jedenfalls vorgesehen, denn Nicolas studierte Jura in Paris. Dann aber wurde ihm bewusst, dass er doch viel lieber auf seiner Heimatinsel leben und im Weinbau arbeiten möchte. Obwohl er nicht aus einer Winzerfamilie stammt und deshalb kein Land zu erwarten hatte, ging Nicolas nach ersten Schritten im Beaujolais wieder zurück nach Korsika. Dort arbeitete er zunächst bei Antoine Arena und dann als Außenbetriebsleiter bei Yves Leccia, eher er im Jahr 2007 seinen ersten eigenen Wein machte.
Die ersten 5 ha stellte ihm großzügig ein Gönner und Winzerkollege zur Verfügung. Nach und nach sicherte sich Nicolas Parzelle um Parzelle, so dass er heute zusammen mit seiner Frau Julie immerhin 17 ha bewirtschaften kann. Alles biologisch mit biodynamischen Einsprengseln, wenngleich nicht zertifiziert. Der »Albore« ist ein reinsortiger Vermentino aus der AOC Patrimonio im Norden der Insel. Allerdings wurden dafür drei Jahrgänge und zwei unterschiedliche Parzellen miteinander verschnitten. Lumiu zeigt nach Süden und Carcu nach Norden, aber beide besitzen einen ausgesprochen kalksteinigen Untergrund und eine hohe Pflanzdichte. Im Keller ist dann in önologischer Hinsicht nicht mehr viel los. Per Hand eingebracht, gepresst, spontan vergoren, cuvetiert, unfiltriert mit einer geringen Schwefelgabe von 15 mg/l abgefüllt.
Wie schmeckt der Wein?
Ein mittleres Zitronengelb fließt ins Glas, und fast denke ich, da glitzert auch ein bisschen Gold. Das Unfiltrierte ist deutlich sichtbar, wenn man die Flasche liegend gelagert hat. Aber der Trub ist so fein, dass alles in der Flasche bleibt, wenn man sie rechtzeitig aufstellt. In der Nase präsentiert sich der »Albore« ausgesprochen attraktiv. Orangenschale sorgt für eine schöne Fruchtigkeit, ein bisschen Fenchel für den pflanzlichen Aspekt. Im Mund überrascht mich die angenehme Frische, für die das kalkige Terroir verantwortlich sein soll. Selbstverständlich ist der Wein aus Korsika vollkommen trocken, aber Orange, Mandel und die Kräuter der Macchia bringen viel Geschmack mit hinein. Das ist ein komplett ausgewogenes Produkt, schmeichelnd in der Textur, mittelgewichtig, einfach richtig schön.
I dare not say this, aber ein bisschen fühle ich mich auch an einen ebenso trocken-eleganten Grauburgunder erinnert. Wer im Natural-Bereich die funky freakshow bevorzugt, wird sich vielleicht über die mangelnde Wildheit beklagen. Dann aber die Flasche trotzdem austrinken.
Wo kann man ihn kaufen?
Ich selbst habe den »Albore«, den Nicolas übrigens in seiner Cantina di Torra-Serie vertreibt, im Laden auf dem Foto gekauft. Es handelt sich um den Bio-Supermarkt »Le Serpent Vert«, den Thierry Schweitzer auf die grüne Wiese von Mittelhausbergen im Straßburger Umland gesetzt hat. (Wer umfassend wissen möchte, was ich in Straßburg alles gesehen und erworben habe, hier ist der große Rundgang.) In den Supermarkt integriert ist eine Filiale von Le Théâtre du Vin. 22 € hat mich der weiße Korse dort gekostet. Beim Gedanken an die vielen schönen Weine und den Vergleich mit dem liederlichen Angebot hierzulande (liegt’s an den Kunden?) kann man schon wehmütig werden.
Aber nicht allzu lange. Denn es gibt bei einfach geniessen (hört sich seltsam lappalig an, aber sie haben ein schönes Portfolio) den Albore für 24,90 €. Noch besser wäre es natürlich, ich würde einfach spontan meine Siebensachen schnüren und selbst unterwegs sein in Richtung Korsika…