Ich habe mit mir gerungen, ob ich das wirklich machen soll. Zwar hatte ich sämtliche GGs verkostet, die der VDP Franken zur Vorpremiere auf den Tisch gestellt hatte. 59 Stück insgesamt. Aber sollte ich die alle beschreiben oder zumindest erwähnen? Wohl wissend, dass es sich um akademische Momentaufnahmen handelt von Weinen, die zu jung sind, um jetzt vernünftigerweise geöffnet zu werden? Nun, ihr seht, wie der Diskurs ausgegangen ist. Als Frankenexperte (ich denke, das darf man so sagen) bin ich es mir selbst auch irgendwie schuldig. Hier sind sie also, alle 59 GGs. Vorhang auf zur GG-Show.
Die GG-Vorpremiere im Juliusspital
Ich bin mir nicht sicher, ob so etwas in dieser Form in Würzburg schon einmal stattgefunden hatte. Also ein Line-up mit Rahmenbedingungen wie beim großen VDP-Bruder in Wiesbaden, nur eben auf Franken bezogen. Vorweg dazu nur eins: Es war großartig organisiert, sehr schöne Location in der Zehntscheune des Juliusspitals, die VDP-Winzer*innen wie Daniel Sauer oder Martin Schmitt laufen selbst herum und schenken mit ein. Dazu noch ein paar einschlägige Bekannte aus Gastro und Handel, die mitprobieren. Alles kommod, alles smooth, alles typisch Franken. So soll’s sein.
Trotz eines gewissen Erfahrungshorizonts ist es beim Testen unvermeidlich, subjektive Einschätzungen abzugeben. Wenn immer möglich, habe ich zuerst blind probiert (also nach Reihenfolge der Ziffern geordnet), dann aufgedeckt und nachprobiert. Aber alles ist natürlich nur eine Augenblickssache, zudem extrem kondensiert. Solltet ihr die Weine über einen längeren Zeitraum trinken, gar etwas dazu essen, könnten die Eindrücke deutlich anders ausfallen. Dennoch, so ein umfassender Überblick hat natürlich auch Vorteile. Hier folgen also meine Notizen:
Silvaner GG
Flight 1
Stettener Stein 2021, Weingut am Stein
Guter Start wie erhofft. Hohe Pikanz, Holzeinfluss, beginnende Reife, nussige Art, eher ein Dauerläufer. Co-Gewinner des Flights.
Rothlauf 2021, Bickel-Stumpf
Nase etwas cremiger, birniger. Am Gaumen feinbirniger Idealtyp, könnte aber etwas sanfter in Süße und Säure sein.
Stein-Berg 2021, Juliusspital
Deutlich vanilliges Holz in Nase und Gaumen, dahinter aber guter Stoff, ausgewogen, richtig trocken. Co-Gewinner des Flight.
Hohenroth 2021, Störrlein Krenig
Eher apfelig in der Nase, am Gaumen dann rauchige Noten. Etwas süßer und leichtgewichtiger, nicht so mein Fall. Mal abwarten… Sehr unterschiedliche Weine waren das auf jeden Fall schon mal im ersten Flight. Juliusspital und Knoll haben definitiv mehr Zukunft als Gegenwart, wird spannend.
Flight 2
Mönchshof 2021, Bickel-Stumpf
Leicht rauchig-apfelig in der Nase, am Gaumen dann hohe Säurepikanz, Grapefruit, eher schlanker Körper, passt aber.
Am Lumpen 1655 2021, Michael Fröhlich
Noch so ein Leichtgewicht. Nase reinzuchtig-apfelig, Gaumen hellbirnige Gummibärchen, dazu mehr Süße. Kein GG, schade.
Am Lumpen 1655 2021, Egon Schäffer
Erstaunlich neuholzgeprägt mit Karamell in der Nase, im Mund dann schon sanfter, dennoch unfertig, Speisenwein, Langläufer.
Ratsherr 2021, Zur Schwane
Zurückhaltend in der Nase. Im Mund viskos, vielleicht etwas zu sehr, wenig Primärfrucht, trocken, gar nicht übel. Nominell Gewinner des Flights, aber jener war schwächer als der erste. Die Schäffer-Weine muss man auf jeden Fall verstehen lernen. Die gehören eher nicht in einen Quervergleich, sondern auf den Tisch.
Flight 3
Julius-Echter-Berg 2021, Juliusspital
Nase erst fruchtbetont, am Gaumen dann Vanille-Rhabarber, ziemlich individuell, aber sehr schöne Struktur, guter Wein.
Julius-Echter-Berg 2021, Hans Wirsching
Gedeckte Nase, am Gaumen dann Dichte, Eleganz, sehr fein und auf eine gewisse Weise schon zugänglich. Flight-Gewinner.
Kammer 2021, Hans Wirsching
In der Nase ähnlich wie der Echter-Berg, im Mund dann aber viskoser, cremiger ausgelegt, braucht noch länger, aber Potenzial.
Fürstlicher Kallmuth 2021, Fürst Löwenstein
In der Nase leicht Beton, dazu Apfel. Am Gaumen gibt es einen seltsamen Ton wie Zitronensäure, schade, der Stoff ist nämlich wirklich gut. Abwarten und Tee trinken. Schöne Geschmeidigkeit bei den Wirschings in diesem Flight, letztlich setzt sich das Feinere des Echter-Bergs durch.
Flight 4
Himmelspfad 2022, Rudolf May
Erster 2022er, gleich stark. Zimt und Edelgrün in der Nase, am Gaumen Pikanz, Frische, Eleganz, sehr ausgewogen. Siegerwein.
Rothlauf 2022, Rudolf May
In der Nase ähnlich, ein bisschen mehr Muskat. Am Gaumen noch mehr Säure, fast Riesling-Art, ziemlich fordernd.
Rothlauf 2022, Gregor Schwab
In der Nase Frucht, Süßholz, viel Anis. Am Gaumen zum ersten Mal Gelbfrucht, viel Würze, eher Powertyp, überraschend gut.
Pfülben 2022, Schmitt’s Kinder
Bitterorange in der Nase, am Gaumen pikant mit leichtem Fluss. Manchen fehlt vielleicht die Dichte für ein GG, aber sehr schöner Wein – wie insgesamt der Flight erfreulich war. Schwab war für mich eine positive Überraschung, Rudi May hat den Kniff einfach raus, auch wenn der Jahrgang wärmer war als die Weine.
Flight 5
Stein-Harfe 2022, Bürgerspital
Leicht Korianderkörner in der Nase. Im Mund enorm viel Würze, saftig, viel Frucht, reifer Typus, früher zu trinken, guter Wein.
Stein-Berg 2022, Staatlicher Hofkeller
Erst dezent in der Nase, am Gaumen aber ebenfalls. Sehr schlanker, langsehniger Typ, die Raffinesse fehlt ein bisschen.
Am Lumpen 1655 2022, Max Müller I
Nase erdig, etwas gärig, sehr ungekünstelt. Im Mund Kraft und Würze, trotzdem pikante Zitrusfrucht, Flight-Gewinner.
Am Lumpen 1655 2022, Rainer Sauer
In der Nase viel Anis und wenig Primärfrucht. Am Gaumen viel Muschelkalk, Zitrone, ziemlich elegant. Alle Weine waren wesentlich expressiver als jene des Vorgänger-Flights. Die Muschelkalk-Frucht springt einen förmlich an, aber auch von der Struktur her ein paar schöne Exemplare.
Flight 6
Am Lumpen 1655 2022, Horst Sauer
Extrem hell in der Nase, bleichend. Am Gaumen zugänglich, »lecker«, würzig-reif, Orange, nicht super feinsinnig.
Ratsherr 2022, Max Müller I
Anders als in der verschlossenen Nase mit reifem, expressivem Stil im Mund, schöne Orangenfrucht, etwas Süßegefühl.
Maustal 2022, Zehnthof Luckert
Nase rauchig, Gebäck, Hopfen. Viel ruhiger am Gaumen, etwas Phenolik, Nachdruck, beißt nicht, auffallend anders. Favorit.
Hoheleite 2022, Paul Weltner
Zitrus in der Nase, fruchtorientiert. Am Gaumen jung, richtig trocken, noch wenig Eleganz, ein Langläufer. Zum Schluss der 2022er waren das nochmal sehr unterschiedliche Silvaner. Luckert wieder kontextorientiert, Weltner spröde, Max Müller kraftvoll, Horst Sauer zugänglich – halt im Stil der Weingüter.
Flight 7
Schlossberg 2018, Domäne Castell
Nase etwas hefig-gelbfruchtig. Extrem würzig am Gaumen, pfeffriger Typ, Jahrgang gut eingefangen, nicht breit, gelungen.
Steinbach Alttenberg 1172 2020, Schloss Sommerhausen
Kein Tippfehler mit dem Alttenberg. Extrem individueller Wein, ziemlich süß, dann Autolyse-Noten, aber feiner Fluss. Im Flight mit anderen hätten die beiden hier irritiert, das sind Solokünstler. Den 2018er Castell fand ich ausgesprochen schön für den sehr schwierigen Jahrgang. Natürlich kein stahliger Typ, aber echt gut.
Spätburgunder GG
Flight 1
Centgrafenberg 2021, Rudolf Fürst
Nase sehr himbeerig-fruchtbetont. Dichter Fruchtkern, derzeit am zugänglichsten trotz Biss und Tannin. Alle Fürst-Weine top.
Hundsrück 2021, Rudolf Fürst
Nase ein bisschen ätherischer als der Centgrafenberg, am Gaumen dann leicht rauchiges Holz, viel Tiefe, Siegerwein.
Schlossberg 2021, Rudolf Fürst
Gewisser Reduktionsstinker in der Nase, am Gaumen dunkler, rauchig-samtig, nicht ganz so lang wie das Hundsrück GG.
Hohenroth 2021, Schmitt’s Kinder
Völlig andere Welt, heller gehalten, Hagebutte, Granatapfel, Teeauszug. Eine sehr eigene Interpretation, die man aber auch schätzen kann. Starke Weine von Fürst. Den Schlossberg muss nicht jede*r derzeit mögen, aber vor allem Hundsrück wieder richtig souverän. Kostet natürlich auch ein bisschen was.
Flight 2
Bischofsberg 2021, Staatlicher Hofkeller
Nase vanillig-rauchig, am Gaumen dann etwas deutsch-röstig, irgendwie fehlt mir die Substanz der Mitte.
Hundsrück 2021, Steintal
Spät geliefert, aber angekommen. Viel rote Johannisbeere, säurebetont, sehr frisch, leichter als Fürst, guter Wein aber.
Schlossberg 2021, Steintal
Leicht gärig-scharfe Nase, der einzige Steintal mit ein bisschen Schrägheit, am Gaumen leichtfüßig, fein, Lorbeer, kommt sicher.
Bischofsberg 2021, Steintal
In der Nase erst viel Frucht, am Gaumen dann aber etwas simpler und leichter als die anderen Steintäler, dafür aber jung schon zugänglich. Schöne Weine, weniger reduktiv als früher. Nach dem Probieren der Spätburgunder stellt sich jedenfalls die Frage, ob die Franken-Zukunft nicht auch Rot sein kann. Potenzial ist da.
Weißburgunder GG
Stein-Berg 2021, Staatlicher Hofkeller
Deutlich holzgeprägt in der Nase, am Gaumen dann mit erstaunlich leichter Frucht, Limette, nett, aber kein GG.
Karthäuser 2021, Juliusspital
Saftig, birnig, simpel, hatte ich viel besser in Erinnerung, vielleicht im kleinen Tal. Als Speisenweine schön, als GG braucht man den Weißburgunder hierzulande aber nicht. Wenn es nur nach Weinqualität geht, würde ich Chardonnay definitiv am meisten zutrauen. Allerdings nur auf dem richtigen Terroir.
Riesling GG
Flight 1
Centgrafenberg 2022, Rudolf Fürst
Apfel, Walnuss, säurebetont, wirklich trocken, kein Leckerschmecker, dafür super Struktur. Ein Siegerwein, fraglos.
Pfülben 2022, Bürgerspital
Deutlich geschmeidiger mit Banane und vor allem Mandarine, der Pfülben-Frucht, gute Dichte, ausgewogen. Auch schön.
Am Lumpen 2022, Rainer Sauer
Überraschend viel Vanille in der Nase, am Gaumen dann aber straff, hell, luftiger, Muschelkalk-Idealtyp, mehr Süße als Fürst.
Maustal 2022, Zehnthof Luckert
Viel Nuss und Nougat in der Nase, dichteres, aber spröderes Mundgefühl, wenig expressiv, Top-Speisenwein. Definitiv starker Riesling-Flight, Fürst und Luckert machen Weine zum Essen, Bürgerspital und Daniel Sauer eher die fruchtbetonte Sorte. Was ich noch nicht weiß: Das waren die besten Rieslinge der Probe.
Flight 2
Stein-Berg 2022, Bürgerspital
Dezenter Auftritt in der Nase. Am Gaumen saftig, Orange, Säurebiss, dazu etwas zu süß. Geschmacklich, nicht analytisch.
Stein-Berg 2022, Staatlicher Hofkeller
Zurückhaltend Anis-Apfel in der Nase. Im Mund dann leicht, filigran, etwas Hefe, neuer Hofkeller-Stil, braucht noch.
Pfülben 2022, Schmitt’s Kinder
Geschmeidiger als der Vorgänger, dezenter, wobei alle mehr als genug Säure haben. Flight-Sieger in etwas schwächerer Runde. Eigentlich sollte noch der Hofkeller-Pfülben kommen, aber da wurde mir versehentlich nochmal der Bürgerspital-Wein gebracht… Vielleicht gibt’s ja eine andere Gelegenheit.
Flight 3
Am Lumpen 1655 2022, Max Müller I
In der Nase noch etwas apfelgärig, am Gaumen dann schon viel weiter. Expressiv, Orange, Aprikose, cremig, typisch Max Müller.
Am Lumpen 1655 2022, Horst Sauer
Etwas hefewürzig in der Nase, im Mund dann überraschend unfertig, sollte man später nachprobieren. So wie alle eigentlich.
Ratsherr 2022, Max Müller I
Viel Pfirsich in der Nase, dann am Gaumen kraftvoll, geschmeidig, Kumquat-Noten. Eigentlich auch ein Lagerwein.
Hoheleite 2022, Paul Weltner
Fein und elegant, der einzige in diesem Flight mit derartigen Nuancen, deshalb auch der Sieger. Andererseits auch leichtfüßig, etwas phenolisch, gewisses Feuer hinten, also ein deutlicher Gegensatz zu den eher kräftig-herzhaften Müller-Gewächsen. Was man bevorzugt, ist wie so häufig Geschmackssache.
Flight 4
Stettener Stein 2021, Weingut am Stein
Zu den 2021ern. Still, hell, etwas kräuterig in der Nase, am Gaumen texturell geschmeidig, grün-fordernd in den Aromen.
Stein-Berg 2021, Juliusspital
Mehr Süße und Gefälligkeit als der Knoll-Wein, irgendwie leicht mit viel Süße-Säure-Kontrast. Könnte harmonischer sein.
Am Lumpen 1655 2021, Egon Schäffer
Etwas dunkler in der Nase, dafür ganz deutlich süß-säuerlich im Mund, recht eindimensional, gegenüber dem Silvaner schwierig.
Julius-Echter-Berg 2021, Hans Wirsching
Alles sehr stark auf den Pfirsich gerichtet, auch nicht ganz trocken, schade, hatte mich schon drauf gefreut. Ein nominell hochwertiger Flight, der mich irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt hat. Wurzeltag ist noch gar nicht, aber die Weine scheinen im Moment einfach abgetaucht zu sein.
Flight 5
Steinbach Alttenberg 1172 2020, Schloss Sommerhausen
Der einzige 2020er Riesling. Rauchig-reduktiv in der Nase, bleibt im Mund auch rauchig, könnte ein bisschen präziser sein.
Rothlauf 2021, Bickel-Stumpf
Zart Mandarine und Anis in der Nase, am Gaumen zart gehalten, floraler gar, dazu etwas Würze, mein Favorit in diesem Flight.
Hohenroth 2021, Störrlein Krenig
Deutliche Pfirsichnote in der Nase, im Mund dann nicht sonderlich präsent, vielleicht etwas zu hoch in der Süße.
Am Lumpen 1655 2021, Michael Fröhlich
Mirabelle in der Nase und ein ungewöhnlicher, pflanzlicher Ton. Am Gaumen mild und nussig, soweit angenehm, aber harmlos. Schon wieder kein wirklich guter Flight. Ja, die Weine kann man alle prima trinken, auch mit Freuden als Geschenk annehmen, aber von Magie ist da wenig zu spüren. Immerhin sind das GGs.
Flight 6
Ratsherr 2021, Zur Schwane
Extrem viel Grünpikanz in der Nase. Am Gaumen dann gute Würze, überraschend stoffig, die Fruchtsüße deshalb integriert.
Kammer 2021, Hans Wirsching
Pfirsich in der Nase, im Mund erst floral, dann mit etwas dominantem, zimtigem Holzeinschlag. Muss noch reifen.
Fürstlicher Kallmuth 2021, Fürst Löwenstein
Der letzte Wein aus der wunderbaren Lage. Eigentlich eine schöne Apfelfrische in der Nase, im Mund auch pikant-nussig, aber letztlich recht einfach gehalten in der Struktur. Da ginge sicher mehr – wie bei einigen anderen auch. Wirsching fand ich diesmal bei Silvaner klar stärker, war schonmal anders herum.
GG in Franken: Silvaner vs Riesling
Nach der Probe sagte mir meine Erinnerung als allgemeine Richtlinie, dass ich die Silvaner ein bisschen stärker gesehen hatte als die Rieslinge. Da ich heimlich mitgepunktet habe (die Werte werde ich natürlich nicht verraten), kann ich es auch analytisch bestätigen. Ja, die Silvaner lagen im Schnitt einen knappen halben Punkt über den Rieslingen. Und wie sah es bei den Jahrgängen aus, also zunächst nur nach Punkten?
Interessanterweise haben bei mir die 2022er bei beiden Rebsorten etwas mehr Punkte bekommen als die 2021er. Das muss aber nichts mit dem Jahrgang zu tun haben, sondern kann auch dem geschuldet sein, dass ein paar sehr starke Weingüter den jüngeren Jahrgang präsentiert haben. Noch mehr Punkte heimsten übrigens die roten GGs ein, aber von denen gibt es ja in Franken nicht allzu viele.
Stilistisch war ich erst einmal nicht überrascht, dass die 2021er Weine recht straff daherkamen. Das ist der Charakter des Jahrgangs mit viel Regen im Frühsommer und einem kühlen August. Was mich hingegen überrascht hat, war die Tatsache, dass nicht wenige 2022er sich ähnlich gebärdeten. Und der Jahrgang war witterungsmäßig ja extrem anders. Sehr trocken und in der Temperatursumme je nach Ort der zweit- oder drittheißeste nach 2018 und 2003. Erstaunlich säuregeprägt waren manche Weine, da gibt es in diesem Bereich gar nicht viel Barockes mehr in Franken. Wer das bedauert, keine Angst, draußen existieren noch Silvaner »Kabinette« mit 14 vol%. Nur halt nicht im VDP.
Woran liegt das? Manchmal, na klar, wurde 2022 angesäuert, und die Weine müssen das noch wegstecken. Vor allem aber wurde viel früher gelesen, als man das noch vor ein paar Jahren getan hätte. 2018 war da so etwas wie eine Zäsur. Heute werden die GGs in warmen Jahren (und das sind alle außer 2021) manchmal sogar früher eingeholt als die Ortsweine, und das merkt man. Oft wirkten auch die 2022er sehnig und brauchen vermutlich lange, um ihr natürliches Gleichgewicht zu finden, ihre Souveränität. Ich möchte nicht behaupten, dass sie das nicht tun werden. Aber es waren doch ein paar erstaunlich toughe Biester dabei. Allerdings auch großartige, teils spannungsgeladene, teils in sich ruhende, teils terroirkündende Exemplare.
Fazit: Meine drei Favoriten der GG-Vorpremiere
Nach der Probe hatte mich Melanie Stumpf-Kröger ziemlich spontan abgepasst und mir für die VDP-Stories die Frage gestellt, was meine drei Favoriten gewesen wären. Aus meinem Mund kamen neben Ähs und Öhs zwar wohlklingende Worte, aber auch wenig Präzises. Deshalb hier meine drei Favoriten, ein Silvaner, ein Riesling, ein Spätburgunder.
Bester Silvaner war für mich Rudi & Benni Mays GG Himmelspfad, weil der Weins Spannung, Präzision und Nachhall miteinander verbindet. Luckerts Maustal, Christian Müllers Lumpen und Andrea Wirschings Julius-Echter-Berg waren zwar auch sehr schön, Castell auf einem guten anderen Planeten, aber hier darf es ja nur einen Sieger geben.
Bei den Rieslingen sah ich Sebastian Fürsts GG Centgrafenberg ganz knapp vor dem Luckert’schen Maustal und Paul Weltners Hoheleite. Alle drei funktionieren auch super bei Tisch. Ich weiß, dass es sich schlimm anhört, aber der Centgrafenberg hatte sogar eine fast pfälzische Dimension. Zu viele Rieslinge standen mir persönlich hier an, deren süßlich-säuerliche Komponente zur fränkischen Küche nur sehr eingeschränkt funktioniert.
Im roten Bereich war die Auswahl sehr gering, denn letzlich gibt es in Franken nur zwei VDP-Güter, die wirklich eine Palette an Spätburgundern vorweisen können. Dafür sind sie wirklich gut. An der Spitze für mich mit dem GG Hundsrück von Fürst alles andere als eine Überraschung, aber so ist es nun mal. Die Bocksbeutelquote lag heute übrigens bei 18,6% – alle mit dem alten Modell. Deutlich höher war die Quote derjenigen mit dunkelgrauem oder gar schwarzem Etikett. Sieht edel aus wenn unberührt, greift sich aber schnell ab und ist miserabel zu fotografieren.
Das war’s von der rahmenmäßig großartigen VDP-Veranstaltung. Bietet es sich bei dieser Gelegenheit an zu sagen, dass es mittlerweile auch außerhalb des VDPs in Franken sehr spannende Sachen gibt? Falls nicht, habt ihr’s jetzt einfach nicht gelesen. Jedenfalls bin ich sehr gespannt, wie sich die Weine entwickeln werden, denn da gibt es erfahrungsgemäß immer ein paar Enigmen, die man jetzt noch gar nicht auf dem Schirm hat…
Vielen Dank für diese sehr nützliche Zusammenstellung! Bei aller zwangsläufigen Vorläufigkeit – du bist die zweite Person, die bei dieser Veranstaltung war, von der ich nun höre bzw. lese, dass Mays Himmelspfad GG der beste Silvaner gewesen sei. Da wird wohl was dran sein.
Spannend, dass GGs teils vor den Ortsweinen gelesen werden, das war mir ehrlich gesagt noch nicht bekannt.
Was mich noch interessieren würde: wie beurteilst du nach diesem großen Vergleich Castells Entscheidung zum 5-Jahres-Abstand bei den GGs? Macht das Sinn, um einigermaßen Trinkreife bei Kauf zu garantieren? Oder ist das vllt in manchen Jahren zu starr? Hättest du dir gewünscht, den jetzigen 2018er jünger probieren zu können? Und denkst du, dass dieses Herausfallen aus dem jüngeren Umfeld den Weinen in der Berichterstattung eher schaden könnte, weil sie dann immer so ein Fremdkörper sind?
Interessante Fragen! Die Entscheidung von Castell kann ich nachvollziehen. Gerade bei der Probe ist mir wieder aufgefallen, dass die Muschelkalkweine deutlich expressiver in ihrer Jugend sind. Ob man das besser findet, ist natürlich Geschmackssache, aber bei abgeschmirgelten Papillen und dem 47. Wein merkt man es sich leichter. Deshalb hatten es Keuperweine in der Vergangenheit bei Querverkostungen unter Jungweinen eigentlich schon immer schwerer.
Klar sind immer exakt fünf Jahre ein starres Konzept. Den 2016er fand ich schön, den 2017er tatsächlich weniger, und 2018 hat es meiner Meinung nach wirklich gut getan, so lange zurückgehalten zu werden. Der ist jetzt wahrscheinlich deutlich besser als ganz jung, insofern nein, hätte ich nicht früher probieren wollen.
Was die Marketingwirkung anbelangt, sind das ja zwei Seiten. Einerseits ist ein 2018er unter lauter 2022ern tatsächlich ein Fremdkörper und wird auch in der Berichterstattung nie 1:1 verglichen werden können. Andererseits muss man konstatieren, dass bedauerlicherweise über die Silvaner-GGs noch nie wirklich intensiv berichtet wurde. Der GG-Hype ging immer nur von den Rieslingen aus. Um das richtig einordnen zu können, müsste man die Abverkaufszahlen in der ersten Zeit nach der Markteinführung kennen. Das wäre in der Tat extrem spannend. Ich denke, bislang hat es sowohl der Weinqualität als auch der Aufmerksamkeit eher genützt, so ein Alleinstellungsmerkmal zu haben.
Gute Weine, die auf Keuper oder Buntsandstein oder Urgestein gewachsen sind, öffne ich immer erst nach 5 Jahren.
Solche Weine brauchen einfach diese Zeit der Flaschenreifung. Und dabei spielt die Rebsorte nach meiner Erfahrung gar keine Rolle.
Weine vom Kalkstein, Kalkmergel, Muschelkalk, Landschneckenkalk usw. bieten früher ihr fruchtiges Bukett an. Mir hat noch niemand erklären können, warum das so ist.
Auch die terra im terroir bleibt mystisch.
GG ist in meinen Augen eine zunehmend ausufernde Marketing-Kategorie, also Preisklasse, die mir sensorisch nicht immer begründbar erscheint.
Viel Spaß mit den vielen, oft ebenso guten “kleineren” Weine!
Danke für die gewohnt fundiert-nachvollziehbar formulierten Eindrücke. Frage zu der Ansäuerungspraxis 2022: Mir ist bei dem Jahrgang (unabhängig von GG’s) bei vielen Weinen eine unerwartet hohe Säure, die Weine spitz und unharmonisch wirken lässt, aufgefallen. Ist der Eindruck richtig, dass sehr viel angesäuert worden ist? Besteht erfahrungsgemäß Hoffnung auf eine bessere Integration der Säure nach geraumer Zeit auf der Flasche?
Sorry für die späte Reaktion, aber ich bin unterwegs mit gewissen technischen Unzulänglichkeiten 😉 .
Gute Frage mit der Säuerung, aber ich fürchte, dazu kann ich nur Anekdotisches beitragen. Wie oft und bei welchen Weinen angesäuert wurde, wissen vermutlich nur die Leute von der Weinkontrolle zuverlässig (schließlich steht’s auf den Bögen drauf 😉 ). Gemacht wurde das ganz sicher, gerade wenn die kleineren Weine nach den GGs und damit eigentlich schon “zu reif” für den gewünschten Typus eingebracht wurden. Allerdings hätte ich bei dem wirklich heißen Spätsommer damit gerechnet, dass analog zu 2018 die Säurewerte noch schneller in den Keller gehen, als das dann tatsächlich der Fall war.
Was die Harmonisierung anbelangt, hilft Warten sicher. Ansonsten würde ich meinen, dass es sehr stark auf Art und Zeitpunkt der Säuerung ankommt. Ein bisschen Verjus ganz zu Anfang wird sicher keine Probleme bereiten…
Pingback: Die besten Silvaner der Welt? - Chez MatzeChez Matze
Pingback: VDP-Vorpremiere Würzburg - Alle GGs aus Franken - Chez MatzeChez Matze