Im Natürlichen Dienstag (der natürlich auch mal ein Mittwoch sein kann, so viel Flexibilität muss sein) geht es ansonsten ja oft um wilde, trübe und junge Gewächse. Als dieser Riesling von diesem Weingut entstand, gab es allerdings in Deutschland noch keine Natural Wine-Szene. Das, was Andreas Schumann in der Abgeschiedenheit des Pfälzer Odinstals erzeugte, war das Wildeste und für die arrivierte deutsche Weinwelt Unverständlichste, was man sich vorstellen konnte. Von manchen Pionier-Freaks bewundert, von den Weinguides gern mal abgestraft. Ich war deshalb unglaublich gespannt, wie der Odinstal Riesling Basalt heute auf mich wirken würde.
Riesling Basalt 2007 vom Weingut Odinstal
»Extrem ambitioniert und geschmacklich anspruchsvoll«, urteilte der Gault Millau damals über die Odinstal’schen Rieslinge und gab dem Basalt 88 Punkte, dem Weingut eine Traube. Im Jahr danach hatte man es sich offensichtlich anders überlegt und urteilte über Odinstal, dass »die Kollektion mehr Fragezeichen aufwirft als Ausrufezeichen gibt«. Das Fazit lautete dementsprechend, »nur anders zu sein, ist mitunter schwer«. Was war da los?
Nun, der Unternehmer Thomas Hensel hatte ein Weingut erworben auf einer abgelegenen Monopol-Waldlichtung. Die ersten Reben stammten von 1983 und standen auf 350 m Höhe über dem virtuellen Meeresspiegel, was rund 200 m höher bedeutete als die weniger als drei Kilometer entfernten Forster Spitzenlagen im Tal. Zudem positionierte man den Basalt aus dem Stand mit 25 € ab Hof in einer Liga mit Bürklin-Wolfs GC Gaisböhl (damals 26,50 €), nicht weit entfernt von Christmanns Idig (32 €). Und zu allem Überfluss wurde das Weingut auch noch streng biodynamisch geführt, woraus man alles andere als einen Hehl machte.
Letzteres ist bis heute so geblieben. Mittlerweile kennt man Odinstal nicht nur wegen seiner Weine, sondern auch wegen der Kurse für biodynamischen Weinbau oder auch für sanften Rebschnitt, die weit über die Region hinaus interessierte Winzer*innen anlocken. Andreas Schumann als Betriebsleiter ist dabei die Konstanz in Person und hat alles von Anfang an mit aufgebaut. Mittlerweile ist Odinstal im VDP angekommen, wobei das Pyramidensystem für ein Weingut mit einer einzigen Lage natürlich eine gewisse Herausforderung darstellt. Aber es gibt ja auch so etwas wie Clos de Tart, und wenn das im Vorbild Burgund funktioniert, warum sollte es das in der Pfalz nicht tun?
Wie schmeckt der Wein?
Die vielen Jahre in Keller und Flasche haben dem Wein eine goldgelbe Farbe verliehen, was man auf dem Foto oben schön sehen kann. In der Nase gibt es konsequenterweise einen gewissen Firn, aber auch reifgelbe Aprikose. Dennoch deutet noch nicht viel darauf hin, was einen dann im Mund erwartet.
Das ist nämlich eine wahre Explosion, was zum Basalt als vulkanischem Gestein natürlich gut passt. Zum einen ist da die gelbfruchtige Hochreife, die aber durch die Säurepikanz ideal eingefasst wird. Oder nein, beide schaukeln sich eher noch weiter hoch. 13 vol% stecken nominell im Wein, was extrem viel ist für Odinstaler Rieslinge. Dennoch bleibt der Körper vom Gefühl her höchstens mittel. Gelbe Mango, etwas Nougat, ein ordentlicher Zug, viel Charakter. Das ist ein großer, optimal gereifter Wein, und das merkt man beim ersten Schluck. Nicht supereasy wegen seiner aromatischen Intensität, aber wirklich köstlich und für mich definitiv auf seinem Höhepunkt.
Lustigerweise kommt mir der Basalt 2007 von meinen heutigen Trinkerfahrungen her total seriös und fast »konventionell« vor. Also so konventionell wie Christmann oder Rebholz, nur um das richtig einzuordnen. Niemals hätte ich gedacht, dass man bei einem so eindeutigen GG-Charakter auf die Idee kommen könnte, hier Kontroversen aufzumachen. Offenbar ist der Wein einerseits sehr harmonisch gereift. Und andererseits hat sich die Weinwelt in Deutschland auch deutlich weiterbewegt. Ich weiß, von einer echten »Ermöglichungskultur« sind wir hierzulande noch weit entfernt. Aber die Bandbreite ist größer geworden.
Wo kann man ihn kaufen?
Natürlich kann man den Odinstal Riesling Basalt des Jahrgangs 2007 nirgends kaufen. Jedenfalls nicht, dass mir das bekannt wäre. Ich war damals in Kontakt mit den Weinen gekommen, weil es zwei etablierte Orte gab, an denen sie geführt wurden. Zum einen gab es die Hausmesse des Kölner Weinkellers, bei der Andreas Schumann auch von seinen ersten Weinversuchen erzählte. Zum anderen führte Wein & Glas die Odinstal-Weine. Und weil ich damals gerade in Berlin wohnte (oben ein schöner Blick aus meinem Fenster), hatte ich den Basalt im Winter 2010 genau dort erstanden. Beide Läden führen übrigens das Weingut immer noch in ihren Programmen, auch das ein schönes Zeichen für Kontinuität.
Bisher hatte ich in der kurzen Zeit, die ich mich erst so richtig für Wein interessiere, noch keine Möglichkeit, einen Odinstal-Wein zu trinken, werde das aber sicherlich (trotz des Untenstehenden) bald tun, dein Text macht auf jeden Fall Lust drauf. Auf der Achse Nürnberg-Bamberg gibt es in puncto Ladengeschäfte soweit ich weiß immerhin den Wein Wolff in Fürth, der ein paar derer Weine führt. (Habe keine Verbindung zu dem Unternehmen, aber wir mögen es, wenn es auch noch Ladengeschäfte gibt, richtig?)
Dass das Weingut nur eine Lage hat, scheint allerdings nicht zu stimmen. Es gibt noch in naher Umgebung den Wachenheimer Schlossberg und dann haben sie (wohl erst seit vorletztem Jahr) eine Parzelle im Saumagen gepachtet. Aber selbst mit nur einer Lage wäre die Pyramide ja nur insofern ein Problem, dass es dann halt entweder keine GGs (also keine Große Lage, kommt ja durchaus vor, siehe z.B. „bei uns“ Glaser-Himmelstoss) oder GGs aber keine Erste Lagen (schon deutlich ungewöhnlicher) gäbe, Ortsweine wären dann halt Zweitweine aus dieser einen Lage aus früherer Lese etc, Gutsweine gäbe es vielleicht aus Mengen-Gründen nicht oder umgekehrt. Wenn ich das System richtig verstanden habe, sollte das alles nach wie vor möglich sein, aber ich kann auch falsch liegen. Ist ja fast was für Juristen, dieses VDP-System 🙂
Für fraglich halte ich ja, inwiefern Biodynamie wirklich so anerkannt ist, oder ob es sich nicht mehr um eine Mischung aus Unwissen und Toleranz handelt. Ich persönlich habe wahrlich keine Sympathien für alles Anthroposophische, bin insofern voreingenommen, aber ich würde eher folgendes vermuten: die meisten Kunden wissen praktisch nichts über ihre (sorry) durchgeknallteren Seiten — den ganzen kosmische Kräfte-Unterbau, die Homöopathie bei den Präparaten, die Mondphasen — und vermuten etwa hinter dem Demeter-Siegel eher das, was (dein in dieser Hinsicht ebenfalls sehr kritischer Kollege) Felix Bodmann als „bio plus“ bezeichnet hat, was ja in mancher Hinsicht auch stimmt. Dann gibt es einige Leute wie mich, die die Esoterik und die inhärente Wissenschaftsfeindlichkeit ablehnen, die Weine dann aber, wenn sie gut sind, mit etwas Bauchschmerzen trotzdem kaufen. Die kleinste Gruppe bei den Kunden dürfte die sein, die aus vollstem anthroposophischem Glauben heraus diese Weine kauft.
Bei den Weinmachern selber habe ich keinen Einblick, da würde mich daher deine Insider-Perspektive interessieren: wie viele stellen auf biodynamisch um (anstatt „nur“ auf bio-organisch), weil sie wissen, dass es auf diese unbestimmte Weise, die ich wie gesagt bei vielen Kunden vermute, gut ankommt (gerade im Naturwein-Segment im engen Sinn), und machen das Esoterische halt pro forma mit, und wie viele meinen es wirklich mit dem ganzen Programm ernst?
Vielen Dank erstmal für deinen substanzreichen Kommentar!
Was die VDP-Geschichte anbelangt, besagt das romanische System ja, dass man durchaus unterschiedliche Qualitäten aus demselben Weinberg holen kann. Große Lage und Erste Lage schließen sich natürlich aus, weil es halt in der Tat anders deklarierte Lagen sind. Aber alles andere geht. Also auch einen Gutswein aus einer GG-Lage. Gibt’s ja auch tatsächlich, wenn man die Weine früher auf den Markt bringen möchte oder einen höheren Ertrag eingebracht hat als die 50 hl/ha, die das GG als Obergrenze vorsieht. Wenn Odinstal noch mehr Lagen besitzt als ich das vermutet hatte, passt das ja sogar noch besser.
Und ja, die Biodynamie… Also, ich habe natürlich keine Statistik geführt, habe aber sämtliche Varianten, die du angesprochen hast, bei Winzern schon erlebt. Die einen sind superfest in der Anthroposophie verankert, vielleicht selbst auf der Waldorfschule gewesen. Auch da gibt es natürlich Leute, die Steiner wortwörtlich nehmen und andere, die das eher als Übertragung sehen. Wenn man mit den Leuten spricht, bekommt man das relativ schnell mit.
Die zweite Gruppe möchte einfach noch achtsamer mit ihren Weinbergen umgehen und hat vielleicht auch festgestellt, dass das den Weinen gut tut. Bio plus, wie du ja meintest. Ein Winzer hat mir gesagt, dass er seit der Einführung biodynamischer Methoden einen phenolischen Reifevorsprung in den Trauben bemerkt hat. Das wäre ein großer Vorteil, wenn es im Spätsommer so heiß ist, dass bei anderen die Oechslewerte hochschießen, die Kerne aber noch gar nicht reif sind. Er kann dann bei guten Säurewerten ernten und es ist trotzdem nicht unreif. Er macht die Biodyn-Spritzungen mit und sagt, er weiß auch nicht, warum es funktioniert, aber solange es das tut, bleibt er dabei. Das ist also die zwar konsequente aber pragmatische Variante, vielleicht auch die häufigste.
Und dann gibt es auch ein paar wenige, die am untersten Ende von Biodyn entlangschlittern und sich durch das Siegel eine weniger preislimitierte Kundschaft erhoffen. Wahrscheinlich ist das aber die Ausnahme.
That having said und ganz persönlich: Dass es Dinge gibt auf unserer Welt, die wir mit den bislang bekannten Methoden noch nicht ausreichend erforscht und verstanden haben, leuchtet mir sofort ein. Wir waren schon auf dem Mond, aber von den Mikroorganismen im Boden kennen wir nur einen Bruchteil. Von Pilzen ganz zu schweigen, habe ich erst neulich wieder in einem sehr interessanten Buch eines britischen Forschers gelesen. Und von Interaktionen, kumulativen Sachen, wasweißich. Insofern denke ich mir, ja, vielleicht kann an einigen biodynamischen Dingen was dran sein, man weiß es nicht. Wenn das aber gleichzeitig bedeutet, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse bewusst ablehnt oder (nur mal als Beispiel) behauptet, Krankheiten wie Corona gäbe es nicht, dann ist für mich ganz persönlich der Bogen überspannt. Wie gesagt, solange mich Leute nicht unfair angreifen und solange es nicht in Richtung Menschenfeindlichkeit geht, bin ich ein großer Fan von Biodiversität auch bei politischen und philosophischen Meinungen 😉 . Ich halte das auch gern aus. Aber es muss nicht meins sein.
Vielen Dank für die ebenso ausführliche Antwort. Spannend, das mit dem phenolischen Reifevorsprung. Wobei da halt auch wieder das Problem ist, dass meistens bei so einer Umstellung viele Dinge auf einmal (oder im Abstand von nur wenigen Jahren) umgestellt werden, wodurch es dann schwierig wird, einen Effekt zurückzuführen auf jeweils einzelne Maßnahmen. Aber vielleicht war das in dem von dir geschilderten Fall anders.
Und was die „Gefährlichkeit“ von Biodynamie angeht, so kann ich durchaus mit dir übereinstimmen (ich habe dich so verstanden), dass es sich sozusagen um abschüssiges Gelände handelt, aber das ganze nicht unbedingt in Schlechtem resultieren muss.
Deine Beispiele für noch Unerforschtes scheinen mir allerdings eher weitere (nach etablierten, wissenschaftlichen Methoden arbeitende) Forschung nahezulegen, während Biodynamie eben in der Genese auf Hellseherei und in der Theorie auf behaupteten, aber nie nachgewiesenen Wirkungsprinzipien beruht.
Noch kurz zur VDP-Pyramide (die ja auch von nicht-VDP-Mitgliedern verwendet wird): es ist genau diese Durchlässigkeit von jeweils GL und EL zu Ortswein und Gutswein, aber die nicht-Durchlässigkeit von GL zu EL, die dieses System glaube ich für viele Gelegenheits-Weintrinker zu einer verwirrenden Sache macht. Die Pyramide ist da (als graphische Darstellung) in ihrer suggerierten Stringenz etwas irreführend, weil im System eben doch mehrere Gedanken (Lage als Qualitätsmerkmal per se, Traubenqualität über den Hebel der Ertragsmenge, sog. Lagenverbrauch als m.E. willkürliches Prinzip) durcheinander geraten. Aber das ist natürlich alles eine Diskussion für sich..
Ach sorry, hatte vergessen dir zu antworten… Wahrscheinlich deshalb, weil ich bei allem nur nicken konnte 😉 . Achtsam mit etwas umzugehen, ist prinzipiell ja erstmal immer eine gute Sache.
Hallo Marcel,
tja die Biodynamie… Unumstrittener Fakt aufgrund der Erfahrung von Winzern, die umgestellt haben, ist: Die Weine werden besser, komplexer.
Es wird Humus gebildet und der bindet sowohl CO2 als auch Wasser. Ein Muss im Angesicht des Klimawandels.
Das beste deutschsprachige Buch zum Thema: Romana Echensperger, Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen. Absolut lesenswert.
Ich rate ab von: Isabelle Legeron, Natural Wine: An Introduction to organic and biodynamic wines made naturally. Das behauptet vieles, überprüft und erklärt aber nichts.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Hallo zusammen,
heute habe ich neue Weinpost vom Bioweingut Dolde bekommen. Zunächst ein tolles Photo von einem Feuersalamander. Der gehört hierzulande bekanntlich zu den bedrohten Arten, weil wir seine Habitate zerstören und die schrumpfenden Bestände auch noch durch den Chytridpilz “Batrachochytrium Dendrobatits“ gefährdet sind. Dieser Pilz hat aus bisher ungeklärten Gründen zu einem weltweiten Massensterben von Amphibien geführt.
(https://www.deutschlandfunk.de/amphibiensterben-chytrid-pilz-infektion-froesche-kroeten-salamander-100.html)
Interessant für den “Natürlichen Dienstag” ist auch am Donnerstag, was Helmut Dolde schreibt – und es war mir bislang so nicht bewusst: “Der Feuersalamander beschreibt perfekt die momentane Wettersituation. Wir haben nahezu jeden Tag Regen.
Feuersalamander sind nachtaktiv. Nur bei anhaltendem Regenwetter kann man sie auch mal tagsüber zu Gesicht bekommen.
In unseren Trockenmauern im Weinberg gibt es eine große Population. Als wir ein ca. 10 Meter langes, abgerutschtes Stück neu aufsetzen mussten, haben wir zwischen den Steinen bestimmt 20 Feuersalamander gefunden…
Ich schreibe das bewusst, auch angesichts der aktuellen Diskussion, Pflanzenschutzmitteln, auch biologische, in Schutzgebieten von Seiten der EU zu verbieten. Unsere Weinberge liegen gleichzeitig innerhalb von mehreren Schutzgebietskulissen, so wie etwa 40% der Weinbaufläche des Anbaugebiets Württemberg. Wenn das geplante Pflanzenschutzmittelverbot käme, wäre dort Weinbau und auch viele andere Formen von Landwirtschaft nicht mehr möglich.
Es scheint in Brüssel noch nicht verstanden worden zu sein, dass das, was man schützen möchte, erst durch die Arbeit der Weingärtner, Bauern und Grundstücksbesitzer entstanden ist. Ist kein Weinbau mehr möglich, wird es über kurz oder lang zum Beispiel auch keine Trockenmauern mehr geben…”
Keine Esoterik, keine Glaubensangelegenheit, sondern harte Fakten und Politik.
Ich sag’s ja immer wieder: Wein ist ein politisches Getränk.
Ach ja: Diesen Kommentar hätte ich natürlich auch unter “Die große Silvanerschau 2023” setzen können, denn Dolde macht tolle Silvaner.
Schöne Regentage noch…