Lothringen, altes Weinland. Viele Menschen aus dem Westen Deutschlands durchqueren die Region um Metz und Nancy auf ihrem Weg in den provençalischen Sommerurlaub. Aber nur wenige wissen von der alten Weintradition in Lothringen. Und noch weniger wissen, dass sie weiterhin gepflegt wird. Zum Beispiel von Wilfried Crochet, der aus Bordeaux in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist, um hier feine Naturweine zu machen. Einen davon, die rote Cuvée »Native« möchte ich euch heute vorstellen.
Native – Rotwein aus Lothringen von Wilfried Crochet
Im Jahr 1991 waren Wilfrieds Eltern Lionel Crochet und Sandra Laval ins lothringische Bulligny gekommen. Zunächst arbeiteten sie noch für ein anderes Unternehmen im Weinberg, konnten die Reben dann aber selbst erwerben. Später öffneten sie auch eine Pension mit Zimmern und einem »table d’hôtes«. Sozusagen ein Bed & Breakfast mit zusätzlichem Abendessen.
Als Wilfried als ausgebildeter Oenologe im Jahr 2016 wieder nach Bulligy zurückkam, setzte er zunächst die Konversion zum biologischen Weinbau in Gang. Erst die weißen Rebsorten, später auch die roten. Unser »Native« stammt also noch aus der Umstellungsphase. Insgesamt 4,4 ha Reben gibt es hier, gut die Hälfte davon Gamay, dazu Pinot Noir, Auxerrois und Chardonnay. In Housselmont, der Parzelle mit den ältesten Reben, stehen Gamay, Pinot Noir und Chardonnay gemeinsam. Da Wilfried ohnehin einen Naturwein außerhalb der Regularien der AOC Côtes de Toul machen wollte und die Menge für einen reinsortiges Exemplar nicht ausreichte, dachte er sich, »warum nicht alles zusammen vinifizieren?«
Pinot Noir und Chardonnay wurden also entrappt, der Gamay kam mit Ganztrauben dazu. Zwölf Stunden Maischestandzeit, dann wurden Vorlaufmost und Pressmost gemeinsam vergoren. Beziehungsweise spontan vergären lassen. Schönung und Filtration unterblieben natürlich, nur bei der Füllung kam eine kleine Menge Schwefel dazu, 21 mg insgesamt pro Liter, also so wenig, dass er komplett gebunden ist.
Wie schmeckt der Wein?
Der »Native« mit dem farbfreudigen Etikett steckt in einer Sektflasche mit Kronkork. Ob das ein PetNat ist? »Nein nein«, sagt der Weinhändler, »das ist ein Stillwein.« Vielleicht hatten sie einfach die Flaschen übrig, und ein Kronkork ist ja völlig okay bei Weinen, die man jung trinkt.
In der Nase geht das für mich am ehesten in Richtung Gamay, also rote und schwarze Johannisbeeren mit Verbena-Biss. Im Mund gibt es wirklich die Kombination aus allen drei beteiligten Rebsorten: etwas Cranberries, Pinot-Zartheit, Chardonnay-Frische, Gamay-Biss und etwas Tannin. Die Säure ist gut präsent, aber keinesfalls zu heftig. Leicht wirkt der »Native« aus Lothringen, viel leichter, als seine 13 vol% auf dem Etikett glauben machen. Wer sich einen wilden Natural erhofft hat, den muss ich enttäuschen. Der Wein ist zwar eigen, aber charmant und fast klassisch zu nennen. Ein idealer Abendbrot-Wein. Oder auch ein Abendrot-Wein. In jedem Fall aber ein Abend-Rotwein, von dem am Ende des Abends nicht mehr viel in der Flasche bleibt. Schlichtweg sehr schön.
Wo kann man ihn kaufen?
Ich habe den »Native« vom Maison Crochet im Elsass gekauft, und zwar in der schmucken Boutique auf dem Foto oben. »La Raison du Raisin« heißt sie und befindet sich in Sélestat. Wer übrigens nicht glaubt, dass sich in dieser Kleinstadt von knapp 20.000 Einwohnern gleich vier Weinhandlungen mit einem großartigen und sich jeweils ergänzenden Angebot befinden, sollte einfach mal hinfahren. Dringend.
In Deutschland könnt ihr die Crochet-Weine allerdings auch bekommen, und zwar bei Rebenkind in Berlin und bei Vin-Evita in Weilburg. In beiden Vinotheken ist allerdings ausgerechnet der »Native« gerade ausgetrunken. So wie eigentlich im »Raison du Raisin« auch – wie ihr sehen könnt, habe ich die allerletzte Flasche mit Preisaufdruck aus dem Regal genommen.
Selbstverständlich gibt es alle Crochet-Weine auch vor Ort, und wie gesagt, schaut euch Lothringen ruhig einmal an, da gibt es ein paar richtig interessante Ecken. Die Côtes de Toul haben mittlerweile mit Wilfried Crochet, Stéphane Cyran und Jan Tailler gleich drei Naturwein-Winzer, und die bekannte Domaine Lelièvre ist ebenfalls bio-zertifiziert. Es gibt also noch einiges zu entdecken…