Es gibt Wochen, da sitzt man zäh im Büro, blättert, recherchiert, tippt, kocht zwischendrin Spaghetti, tippt weiter. Und dann gibt es solche, die einen derartigen Input bieten, dass man gar nicht weiß, wo einem der Kopf steht. Leute treffen, Gespräche, Verhandlungen, Weine probieren, Vorträge als Inspiration, zack, schon wieder auf das nächste Event. Diese Woche war genau so. Eine Messewoche mit Messen ganz unterschiedlicher Art. Was ich Weinbezogenes bei den Edelfrei-Winzertagen in Bamberg, der K&U-Hausmesse in Nürnberg und der BIOFACH in Nürnberg entdeckt habe, möchte ich euch hier zeigen.
Edelfrei – Widerstand mit Wedekind
Das Weingut Wedekind in Nierstein hatte ich theoretisch schon kennengelernt. Zum einen, als ich vor zwei Jahren am Roten Hang unterwegs war und Schilder an den Parzellen des Bio-Weinguts standen. Zum anderen, als ich vor ein paar Wochen als Juror beim EcoWinner-Wettbewerb einen ihrer Weine probiert hatte. Jener war so gut, dass wir ihm im Blindtest die EcoWinner-Medaille gegeben hatten. Ihr könnt ihn links auf dem Foto sehen. Der trockene Muscaris (eine pilzwiderstandsfähige Rebsorte) wirkt leicht, angenehm in der Nase, schön muskattraubig im Mund – ein Sommerwein par excellence. Noch besser fand ich den Wein rechts mit dem #Zukunftsweine-Label. »La Résistance« besteht auch aus Piwis, nämlich aus den roten Sorten Cabernet Cortis, Cabernet Jura, Regent und Pinotin. Kein Paprikaton, schöne Reife und Dichte, schöne Säure, 17,50 € ab Hof. Den müsste ich mir auf jeden Fall besorgen, um ihn noch besser kennenzulernen!
Edelfrei – Bremer Rosé
So richtig heavy Messewoche-Gefühl hatte ich im Edelfrei natürlich noch nicht, zumal die anderen Gäste nicht mit Spucknapf unterwegs waren, sondern kommod draußen aßen und tranken. Das Weingut Bremer aus dem Pfälzer Zellertal wollte ich dabei kennenlernen, weil uns deren Weine letztes Jahr im Falstaff-Guide gut gefallen hatten. Natürlich habe ich den Riesling vom Schwarzen Herrgott probiert, aber besonders hatte es mir der Wein in der Mitte angetan. Der »Rosé Sélection Madame« (12 € ab Hof) gehört nämlich in die Riege der Trendweine. Trend deshalb, weil Rosé einerseits immer noch geht, andererseits sich aber die anspruchsvolleren Rosés langsam in den Vordergrund schieben. Lagenweine, im Holz ausgebaut. Diese Cuvée aus den beiden Pinots namens Noir und Meunier ist kein Sommerschlürfer, sondern einfach ein toller eigenständiger Wein.
Edelfrei – Bianka & Daniel Schmitt
Sehr gefreut habe ich mich, Bianka und Daniel Schmitt im Edelfrei wiederzutreffen. Wir überlegten, wann wir uns das letzte Mal gesehen hatten, und es muss wohl auf der RAW in Berlin gewesen sein. Lustigerweise sind die beiden in vielen Ländern fast Wein-Promis, in Deutschland aber nach wie vor oft nur den Naturwein-Freaks bekannt. Dabei machen sie zwar auch wunderbar wildes Zeug, aber nicht nur. Okay, Charakter werdet ihr hier immer finden, denn Biodyn, Spontangärung, BSA, keine Filtration und kaum Schwefel gehören zum Standardprogramm. Aber manche Weine könnten durchaus auch den Schwiegereltern gefallen, weil sie einfach gut sind. Zum Beispiel der neue Kékfrankos aus 2015 gepflanzten Reben (ungarisches Rebmaterial). Ja, einen Reduktionsstinker gibt es zu Anfang schon. Danach fließt aber ein enorm samtiger Saft mit einer ganz feinen Tanninextraktion. 18 €, sehr schöner Wein.
Messewoche K&U – Charlotte & David Beck
Weiter geht’s in der Messewoche mit der legendären K&U-Hausmesse. Jene hatte zweieinhalbmal Pause machen müssen, bevor sie jetzt wieder im bewährten Ofenwerk stattfand. Das K&U-Team hat offenbar die Coronapause eifrig genutzt, um neue Weingüter einzulisten – und das sind nicht die uninteressantesten. Lassak und Roterfaden von den Terrassen Württembergs zum Beispiel, aber auch Charlotte & David Beck. Ein Weingut aus Jechtingen am westlichen Kaiserstuhl, ein Hektar, keine Website, drei Weine. Aber was für welche! 2017 war ihr erster Jahrgang, ich habe die 2018er probiert. Wir wissen ja alle, wie heiß es war, am Kaiserstuhl sowieso, und dies sind drei ungemein zarte, hochelegante Pinots. Der »kleine« Herrenbuck wirkt im Vergleich noch am fruchtigsten, der Eichert für 45 € ist einfach Taffetas, der Kapellenmosesbuck für 60 € noch etwas tiefer. Keine Billigheimer, logisch, aber so etwas lässt uns Winelover strahlen.
K&U-Hausmesse – Wunder-Ungarn
Ungarn hat es nicht so ganz leicht auf dem internationalen Markt. Ich habe mit Robert Gilvesy vom gleichnamigen Weingut gesprochen, den ich schon bei der Summa getroffen hatte. Irgendwie ist es eine Mischung aus mangelnder Werbung, Schmoren im eigenen Saft und politikseits etwas schwierigem Verhalten. Was es hingegen ganz sicher nicht ist: mangelnde Weinqualität. Und mangelnde Originalität, denn sowohl Rebsorten als auch Weinstile sind unglaublich interessant. Zu meiner angenehmen Überraschung hat Martin Kössler in der Hinsicht richtig aufgestockt, mittlerweile sind gleich fünf ungarische Weingüter am Start. Meinen Lieblingswein (etliche waren gut) seht ihr rechts auf dem Foto, die Cuvée aus Furmint und Hárslevelü vom Weingut Barta. Gleichzeitig federleicht und floral (das ist Hárslevelü), dicht und mineralisch (das ist Furmint). Eine große Erweckung für Loire-Fans übrigens! Leider hatte ich damit zielgerichtet den wertvollsten Wein ausgesucht, 55 € kostet das Schätzchen.
K&U-Hausmesse – Rote Kalifornien-Glorie
Letzte Station bei K&U, kalifornische Weine. Und zwar nicht irgendwelche, sondern Cabernet Sauvignons von Laurel Glen, Cathy Corison und Philip Togni. Ich mache es kurz: Laurel Glen mit viel Johannisbeere, reif, aber nicht überreif. Corison mit idealer Reife, unglaublich souverän und elegant. Und schließlich Tognis Tanbark Hill als einziger mit Paprika-Nase, derzeit ein bisschen rustikaler als die anderen. Großes Kino, meilenweit entfernt vom Kalifornien des Robert M. Parker. Ich würde sogar soweit gehen, dass ich Cathy Corisons Interpretation jedem mir bekannten Bordeaux vorziehe…
Messewoche BIOFACH – Wie nachhaltig ist Biowein?
Dritte Runde der Messewoche, diesmal etwas theoretischer. Natürlich habe ich bei der BIOFACH auch Weine probiert, aber dies ist ja in erster Linie ein Branchentreff. Deshalb finde ich es sehr praktisch, dass es am Stand von Ecovin immer Info-Veranstaltungen und Vorträge gibt – wie diesen hier vom Geisenheimer Marktforschungs-Professor Gergely Szolnoki. Für seinen Vortrag zu Nachhaltigkeitsaspekten hatte er aus mehreren Geisenheimer Studien Ergebnisse herausgesucht. Für mich besonders eindrücklich: 40% der repräsentativ befragten Konsument*innen wussten nicht, dass es so etwas wie Biowein überhaupt gibt. Anderer Aspekt: Die zum Thema Nachhaltigkeit befragten Bio-Weingüter waren sämtlich davon überzeugt, bereits »richtig« nachhaltig zu arbeiten, keines wirbt aber mit dem Begriff. Allein diese beiden Sachen wären es wert, länger diskutiert zu werden. Sehr spannend auf jeden Fall!
Messewoche BIOFACH – Die Verpackung zählt
Worauf man WIRKLICH bei Verpackungen achten kann, darüber berichtete Carolina Schweig vom Ingenieurbüro C.E.Schweig am Neuheitenstand. Ich habe schon öfter Vorträge von Frau Schweig gehört, die sehr praxisnah sind und immer die neuesten Regelungen und Forschungserkenntnisse berühren. Sehr zu empfehlen also für alle, die sich mit Nachhaltigkeitsaspekten ernsthafter auseinandersetzen wollen – oder müssen.
Messewoche BIOFACH – Alkoholfreier Seck
Verzeiht mir bitte den Kalauer aus der Überschrift, aber es bietet sich leider so ungemein an… Das Weingut Seck im rheinhessischen Dolgesheim ist nicht nur bekannt für ihre lange gereiften Rotweine, sondern mittlerweile auch für ihre alkoholfreien, pardon, entalkoholisierten Weine. Ein Marktsegment übrigens, das zunehmend bedeutsamer wird. Ich hatte vor einiger Zeit die (für mich) interessantesten Exemplare getestet und war zu dem Ergebnis gekommen, dass da noch sehr viel work in progress ist. Wenn die Absatzzahlen steigen, werden sicher auch verfahrenstechnische Neuerungen kommen. Eines der überzeugendsten Exemplare war in dem Test der »Sparkling Zero« vom Weingut Seck, und daran hat sich nach meinem gestrigen Test auch nichts geändert. Ich bin aber sehr gepannt, was sich in dem Bereich noch tun wird – Diskussionen inklusive.
Zum Abschluss seht ihr noch einen alten Bekannten, den Mauerpfeffer vom Weingut Klopfer aus dem württembergischen Remstal. Ich hatte ihn auf dem Blog schon einmal beim »Natürlichen Dienstag« vorgestellt, deshalb an dieser Stelle keine weiteren Worte dazu. Nur das: Piwis sind selbstverständlich ein weiteres Zukunftsthema, und je mehr Pionierwinzer gute Weine auf den Markt bringen, desto »normaler« wird das Ganze auch.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Wochenende. Für mich geht die Reise Montag früh schon wieder weiter – das »Best of Gold« wartet!
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