Wird sich das eventuell zu einer kleinen, wenngleich unregelmäßigen Serie ausweiten? Ein bisschen habe ich das Gefühl. Nachdem wir jetzt nämlich im Hotel Restaurant Café Lieb waren, dachte ich mir, warum nicht mal ein paar Restaurants in meiner neuen Heimatstadt Bamberg besuchen? Wer sich fragen sollte, weshalb ich ausgerechnet mit einem Lokal anfange, das ohne jegliche Guide-Listungen, dafür mit Plastikstühlen aufwarten kann, hat die Antwort wahrscheinlich schon gefunden. Es ist die Vielfalt. Die Vielfalt der Küchen, Ansätze, Preisgestaltungen, die unterschiedlichen Gründe und Anlässe, weshalb wir kulinarische Orte aufsuchen. Und das Café Lieb kann dabei gleich auf mehreren Ebenen punkten.
Café Lieb – die Location
Das Café Lieb befindet sich im Bamberger Stadtteil Bug. Von der Innenstadt, sprich dem Alten Rathaus, sind es zu Fuß genau 36 Minuten. Der Weg ist in diesem Fall ein Teil des Ziels, denn diese 36 Minuten werdet ihr durch den Hainpark gehen, entlang der Regnitz, vollständig autofrei. Kein Wunder, dass so ein Ort in erster Linie als Naherholungsziel fungiert. Egal ob ausgedehnte Mittagspause, Wochenend-Radeltour oder Gäste vom nicht allzu weit gelegenen Campingplatz, dieses historische Haus hat mit schnödem Alltag relativ wenig zu tun. Einstmals Fürstbischöfliches Jagdschloss, dient das Lieb heute als Café und als Hotel.
Wir sind nicht die ersten Gäste im Café Lieb, und das meine ich eher zeitgeschichtlich. Im Jahr 1812 traf beispielsweise der Bamberger Gegen-Stadtheilige E.T.A. Hoffmann zufällig den Komponisten Giacomo Meyerbeer im Lieb. Hoffmann spazierte fast täglich nach Bug ins Gasthaus Striegel, wie das Lieb damals hieß, um dort einzukehren. »Käse und gutes Bier« hatten es ihm angetan, und überraschenderweise verstand sich Hoffmann sogar mit Meyerbeer, der von einer »lebhaften musikalischen Unterhaltung« in seinem Tagebuch berichtet. Heutzutage ist es zur Sommerzeit eher der schattige Biergarten und die schöne Umgebung an der Buger Spitze, die die Leute anziehen.
Die Karte
Im Café Lieb kommen wie angedeutet gleich mehrere Welten zusammen, und das liegt an der Betreiberfamilie. Klaus Lieb ist, wie ich der Website entnehmen kann, fränkischer Koch in dritter Generation, während seine Frau Kathy ihre thailändische Herkunft einbringt. So gibt es auf der Karte einerseits deutsche Gerichte wie Schnitzel oder Rumpsteak Baden-Baden, andererseits aber Thai-Küche. Hier könnt ihr euch die Speisekarte anschauen, dann wisst ihr, was ich meine.
Nicht zu finden auf der Website ist leider die Getränkekarte, denn das war ein weiterer Grund für mich, hier einmal vorbeizuschauen. Oben auf dem Foto könnt ihr sehen, dass es im Lieb nämlich Biere der Bamberger Rauchbierbrauereien Schlenkerla und Spezial gibt, das ziemlich kultige Mönchsambacher, das Keesmann-Pils und vier wildere Craft-Biere aus der experimentellen Weyermann-Linie.
Interessanterweise dürfte die überwiegende Mehrzahl der Gäste nicht ahnen, welche Schätze hier gepflegt werden. Am vollsten soll es nämlich nachmittags werden, wenn die selbstgemachten Kuchen und Torten auf dem Programm stehen.
Essen und Trinken
Schön pünktlich um kurz nach Zwölfe des Mittags erschienen, bestellten J. und ich erst einmal die Getränke. J. nahm das »Crazy Coriander« von Weyermann (eine aromatisch sehr gute Wahl, 5,10 € für 0,33), ich blieb mit dem Mönchsambacher Lager (3,80 € für 0,5) auf der klassischeren Linie. Soweit wir das von unserer beschränkten Auswahl einschätzen können, harmonieren die interessanten Biere wirklich hervorragend mit dem Thai Food.
Irgendwie reizt es mich bei dem Besuch eines neuen Lokals immer, die »Spezialität des Hauses«, den Bestseller, den signature dish zu nehmen. Also gab es das Hauscurry Nr. 13, Panäng Gai, geschnetzelte Hähnchenbrust in rotem Kokosmilch-Curry mit allerlei Gemüsen (16,70 €). J. nahm Gäng Ped Yang, eines der beiden Sommer-Curries, was eine halbe gegrillte Ente ebenfalls mit rotem Kokos-Curry und viel Gemüse bedeutete (20,50 €).
Die Preise sind mit 15-20 € je Hauptgericht für Bamberger Verhältnisse, und erst recht für die Ausflügler-Plastikstuhl-Atmosphäre, schon ambitioniert. Aber tatsächlich waren wir beide der Meinung, dass es sich lohnt. Erst einmal der Portionsgröße wegen, aber wir sind hier ja auch in Franken. Zudem war die Ente wirklich knusprig und schmackhaft. Vor allem hatte uns aber die sichtlich frische Zubereitung mit den unterschiedlichen Gemüsesorten angetan. Ich glaube, nächstes Mal bleibe ich hier vegetarisch – da ist nämlich die geschmackliche Essenz bereits vollständig enthalten. Wer nicht extra scharf oder Ähnliches ordert, bekommt eher milde Versionen, die aber wahrscheinlich das maximal Machbare für pensionierte Wohnmobilisten bedeuten.
Fazit – Für wen lohnt sich das Café Lieb?
Als wir wieder über die Brücke zur Buger Spitze geradelt waren – E.T.A. Hoffmann nutzte hier noch die Regnitzfähre – meinte J. sehr berechtigt, dass so ein Ort woanders längst hip und kultig geworden wäre. Es ist einerseits ungemein romantisch mit dem Wasser und dem Park, andererseits mit den vergilbten Tretbooten und der alt-plastikernen Art tief im 20. Jahrhundert steckengeblieben. Retro per Versehen sozusagen. Weshalb hier mittags trotz des Essens und der Atmosphäre kein Overflow herrscht, ist deshalb ziemlich klar. Es gibt in Bamberg anders als in Schanzenviertel, Friedrichshain oder anderen einschlägigen Großstadtvierteln eben kaum Freiberufler, erst recht keine Hipster in größeren Mengen. Ob ich das gut finde oder bedaure, weiß ich noch nicht so genau, aber es ist, wie es ist.
Auf jeden Fall hoffe ich, dass die Betreiber des Café Lieb mit ihrem Konzept verschiedener Welten weitermachen. Denn einerseits scheint es auch den Rentnerpaaren zu schmecken. Und andererseits kommen vielleicht doch ab und zu Leute vorbei, die ganz bewusst ein Weyermann-Bier und gebratenen Tofu wählen.
Schöne Rezension, schmeichelt auch ausgebufften aber sehr bewussten Oberfranken. Ja, der Charme vieler Locations bei uns liegt daran, dass man nicht jeden modischen Schnick Schnack mitmacht und zufrieden ist, mit dem wie es immer schon war. Wenn’s die Plastikstühle tun, dann tun sie’s eben. Dankeschön!