Zugegeben, es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich beim Natürlichen Dienstag von der Folge 125 zur Folge 126 gekommen bin. Offiziell jedenfalls, denn zwischendurch habe ich ja durchaus den einen oder anderen interessanten Naturwein probieren können. Diesmal gibt es allerdings keine wilde Interpretation, sondern einen der feinsten Roten aus biologischer Produktion, den man sich vorstellen kann. Die Rede ist vom Montevertine und von seinen Geschwistern aus demselben Stall, Pian del Ciampolo und Le Pergole Torte. Allen, die italienischen Wein lieben und (ohne Übertreibung) auf der stilistischen Höhe der Zeit sein wollen, sei dieses Trio absolut ans Herz gelegt.
Montevertine in der Toskana
Montevertine ist gleichzeitig ein Weinberg und ein Weingut im Herzen der Toskana. Und zwar so sehr im Herzen, dass wir es hier auf dem Gemeindegebiet von Radda mit dem Zentrum des Chianti Classico-Gebiets zu tun haben. Trotzdem ist der Montevertine kein Chianti, auf dem Label steht schlicht IGT Toscana. Wie kann das möglich sein? Sind hier etwa internationale Rebsorten wie Merlot und Cabernet Sauvignon im Spiel?
Das Gegenteil ist der Fall. Das Weingut, im Jahr 1967 von Sergio Manetti gegründet, dem Vater des jetzigen Besitzers Martino Manetti, baut auf 18 ha Rebfläche nur Sangiovese und etwas Colorino und Canaiolo an. Letztere sind die traditionellen Ergänzungssorten im Chianti. Nachdem das Konsortium mit der (damaligen) Zeit gehen wollte und Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon im klassischen Chianti erlaubte, trat Sergio im Jahr 1981 aus Protest aus. Seitdem haben wir hier die paradoxe Situation, dass die traditionellsten Chiantis als Landweine im Stil eines Super Tuscans verkauft werden.
Der Pian del Ciampolo 2020 (der Link führt zur Lage des Weinbergs) besteht wie der Montevertine 2019 zu 96% aus Sangiovese, bei Le Pergole Torte 2019 sind es gar 100%. Seit 2009 wird hier biologisch zertifiziert gearbeitet, die Rebzeilen sind begrünt, die Reben werden mit selbst hergestelltem Kompost genährt. Bei der Weinbereitung sind sich alle drei Weine ähnlich. Alle werden spontan in offenen Betontanks vergoren, nur in der Art des Ausbaus unterscheiden sie sich ein wenig. Abgefüllt wird unfiltriert und leicht geschwefelt, und das ist es dann auch.
Wie schmecken die Weine?
Neben ihrem Ausbau unterscheiden sich die drei Montevertine-Weine auch noch im Rebalter. Der Pian del Ciampolo verbringt ein Jahr in großen Fässern aus slawonischer Eiche und dann noch einmal drei Monate auf der Flasche, bevor er auf den Markt kommt. Die Reben sind weniger als 20 Jahre alt und stehen recht dicht mit etwa 5.000 Stöcken je Hektar. Ich finde, dass der kleinste Wein von Montevertine im Jahrgang 2020 ausgesprochen fein ausgefallen ist. Um mal ein Stereotyp zu bemühen: Der würde sich fantastisch zur Pizza wegtrinken lassen. Ich spreche von einer nicht überladenen Pizza mit gutem Hefeteig, versteht sich.
Der Montevertine selbst hat zwei Jahre im Holzfass zugebracht und darf dann ebenfalls noch einmal drei Monate auf der Flasche reifen. 2019 war das perfekte Jahr in der Toskana für richtig klassische, richtig ausgewogene Weine. Nicht zu heiß, nicht zu trocken. Genau so, nämlich wahnsinnig elegant und ausgewogen, kommt er derzeit daher. 13 vol% haben alle drei und sind einfach ein Symbol dafür, wie man mit Akribie und auch ein bisschen Sturheit die Phase der dicken, extrahierten, holzbetonten Weine völlig unbeschadet überstehen kann. Das ist schlichtweg großartig.
Le Pergole Torte, die verschlungenen Pergolen, sind relativ schlecht auf dem freien Markt zu bekommen. Dazu hat sicher die Geschichte des Weinguts beigetragen, ebenso das markante Etikett, die geringe Menge, aber irgendwie auch die Qualität des Weins. Es sind die ältesten Reben des Weinguts, der Wein kommt für ein Jahr in Barriques aus Allier-Eiche, für ein weiteres ins große Holzfass und muss sich dann ebenfalls für drei Monate auf der Flasche finden. Der Wein besitzt eine strengere Tanninstruktur als die beiden anderen. Das Sauerkirschige des Sangiovese kommt zwar ebenso zum Tragen, aber es sind mehr Schale und Kerne, mehr Struktur als reiner Saft.
Wo kann man sie kaufen?
Als ich nach Südtirol zur Summa gefahren bin, hatte ich mir vorgenommen, bevorzugt italienische Weine zu probieren. Schließlich waren hier Weingüter wie Ghizzano, Pian dell’ Orino, Carleone, Valgiano, Petrolo oder Boscarelli vertreten (alles Spitzenbetriebe aus der Toskana), die weder auf der Vinitaly noch auf der ProWein zu sehen sind. Zwar konnte ich nicht alles probieren, aber doch ausreichend viel. Meine Erkenntnisse lassen sich schnell zusammenfassen: großartig. Sangiovese, manchmal als “bäuerliche” Traube verschrieen, ein bisschen limitiert in Tiefe und Ausdruck, passt total in unsere Zeit. Wenn der Jahrgang ausgewogen genug ist und die Reben etwas höher liegen, sind da einfach große Eleganz und Frische möglich.
Empfehlen kann ich deshalb alle der genannten Weingüter. Montevertine allerdings, deshalb gibt es auch einen eigenen Artikel, war vielleicht mein Top-Favorit. Kaufen kann man die Weine hier und da im Internet, ein bisschen googlen bringt euch garantiert weiter. Den Jahrgang 2019 habe ich (Stand heute) allerdings noch nirgends gesehen. Auf den würde ich warten. Denn wie sagte mir die legendäre Ginevra Venerosi Pesciolini von der Tenuta di Ghizzano? “2017 war heiß, 2018 kühl, 2020 und 2021 zu trocken im August – aber 2019 war perfekt”.
P.S. Auf dem schönen Landschaftsfoto oben mit den Zypressen seht ihr nicht die Toskana, sondern den Blick aus Tiefenbrunners Vigna Au hoch zum Breitkofel. Aber ihr wisst ja, Hauptsache Italien.
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