Dies ist der dritte und letzte Weintipp von meinen zwei Wochen Tasting in Hamburg für den Falstaff-Weinguide Deutschland. Da die lieben Kollegen ja meine persönlichen Neigungen kennen, hieß es jedesmal, wenn ein unkonventioneller Wein auftauchte, “hier, Matthias, schräges Zeug, musst du auch probieren!” Drei deutsche Orange Wines habe ich also für den Natürlichen Dienstag ausgewählt, und zwar deshalb, weil sie so faszinierend unterschiedlich waren. Das Exemplar vom Weingut Höfflin frisch und animierend, jenes von den 3 Zeilen dicht und elegant – und jetzt noch Remember Tbilisi vom Weingut Sturm aus Leutesdorf. Klingt ganz entfernt ein bisschen georgisch inpiriert an, oder?
Remember Tbilisi 2019 vom Weingut Sturm
Wenn ich schreibe, dass Martin Sturm ein bewegtes Leben hinter sich hat, hört sich das metaphorisch auf jeden Fall passend an. Wer dabei allerdings an 20 Jahre Hilfspiratenschaft unter Francis Drake denkt, liegt doch ein bisschen daneben. Mit dem Studium in Hamburg fing es zumindest ein wenig seefahrereisch an. Danach hat Martin Sturm gute zehn Jahre als Wirtschaftsjournalist gearbeitet, parallel aber erst einen Zeh, dann einen Fuß und dann ein Bein im Weinbau gehabt. Soll heißen: Erntehelfer, Winzerlehre, Mini-Weingut – alles neben dem eigentlichen Beruf.
Im Jahr 2010 war es schließlich soweit, selbstständig mit zwei Hektar Steillagen in Leutesdorf am Mittelrhein. Schon mit dem ersten Jahrgang trat Martin Sturm mit seinem kleinen Weingut dem Ecovin-Verband bei und ließ alles biologisch zertifizieren. Mittlerweile gibt es 4 ha Rebfläche, davon zwei Drittel Riesling und 20% Spätburgunder. Bis heute bewirtschaftet das Weingut ausschließlich Steillagen, und zwar nominell in der 1971 mächtig ausgeweiteten Leutesdorfer Gartenlay. Einige Weine tragen deshalb die Namen der Parzellen, in denen die Trauben wachsen.
Nicht jedoch dieser hier, denn der Remember Tbilisi ist zwar auch ein waschechter Schiefer-Steillagen-Riesling, aber eben einer, bei dem die Ausbauart im Vordergrund steht. Über vier Monate auf den Schalen vergoren und ausgebaut, unfiltriert abgefüllt, georgisch robust und mit 11,5 vol% rieslingschlank. So würde ich es zumindest erwarten.
Wie schmeckt der Wein?
Ins Glas fließt ein tiefes Gelbgold. In der Nase nehme ich Apfelschale wahr, also ganz typisch für maischevergorene Weiße, dazu Wermut und einen Ton, der mir wie Schilfgras vorkommt. Leckere Primärfrucht sieht auf jeden Fall anders aus. Am Gaumen ist der Wein geradezu staubtrocken, besitzt dazu eine sehr präsente, zupackende Säure. Die Gerbstoffe sind ebenso gut aufgelegt und kleiden den Gaumen aus. Aromatisch bin ich hier wieder bei Schalen von kleinen Äpfeln, bei Stroh und bei einem sehr langen Nachhall. Das ist wirklich total georgisch, ganz kompromisslos, straight, supersauber und unverwüstlich.
Ein paar Jahre in den Keller, kein Problem. Ein paar Tage offen stehen lassen, auch kein Problem. Das ist meiner Erfahrung nach einer der wenigen Rieslinge, der nicht nur zu frittierten Fischen und Gemüseeintopf, sondern vermutlich sogar zu Grillfleisch à la Döner passen könnte. Nach zwei Minuten am Gaumen stellt sich dann auch eine zarte Gelbfrucht ein. Ein mutiges Ding, so soll das sein!
Wo gibt es ihn zu kaufen?
Sagt mir, wenn ich mich täusche, aber ich habe im Netz tatsächlich keine andere Verkaufsstelle für den Wein gefunden als das Weingut selbst. 26 € kostet der Remember Tbilisi dort. Damit ist es aber auch der teuerste Wein im Portfolio, das ansonsten ausgesprochen typische Schiefer-Rieslinge nebst ebenso edelschlanken Pinots zu bieten hat.
Mir gefällt in der Tat die Kompromisslosigkeit am Remember Tbilisi. Für unsere deutschen, an Frucht und Samtigkeit beim Wein gewohnten Gaumen ist das ein Exemplar, das ich eher Fortgeschrittenen empfehlen würde. In Georgien gilt es vermutlich als easy drinking. Faszinierend auf jeden Fall, wie unterschiedlich man das Thema Maischegärung beim Weißwein interpretieren kann. Nächstes Mal wird es dann aber wieder Zeit für einen Roten, der Abwechslung halber…