[In Kooperation mit dem Weingut Wirsching] In dieser Woche der GROSSEN SILVANER-SCHAU sind wir ein bisschen bei den Superlativen. Am Dienstag gab es schon die älteste Silvaner-Parzelle der Welt, und jetzt sind wir in einem der größten, bedeutendsten und (ich glaube, das darf ich so sagen) auch qualitativ besten Weingüter Frankens. Und in einem der wichtigsten Weinorte der Region, in Iphofen. Das schmucke Fachwerkhaus der Familie Wirsching steht mitten im Ort, stammt aus dem 16. Jahrhundert und macht so gar nicht den Eindruck, als müsste man mit Effekten und Neubau-Bombast auf sich aufmerksam machen. Für Aufmerksamkeit sorgen hingegen die Weine und die Lagen. Dem Julius-Echter-Berg ist mit dem 2018er Jahrgang im GG-Bereich nämlich die Kammer zur Seite getreten. Und beide wollen wir uns heute einmal anschauen.
Weingut Wirsching – auf Gipskeuper seit 1630
1630, dieser Jahreszahl begegnet man nicht nur auf der sehr informativen Website des Weinguts, sondern auch auf den Kapseln der großen Weine. Die Wirschings können damit auf einige Jahrhunderte Weinbau im Iphöfer Keuperland zurückblicken. Das Gestein, auf dem dies geschieht, ist jedoch erwartungsgemäß noch ein bisschen älter.
Keuper ist ein Sedimentgestein (keine Angst, es wird nicht allzu fachlich jetzt), entstanden durch viele Schichten von Ablagerungen übereinander. Vor gut 230 Millionen Jahren lag das damals schon in Saurierkreisen gerühmte Iphofen nämlich auf Sumpfland, das sich im Rahmen der Verlandung des Triasmeeres gebildet hatte. Fauna und Flora gediehen üppig, so dass organisches Material reichlich vorhanden war. Jetzt müssen wir allerdings den Zeitraffer anschalten und uns vorstellen, dass dieselbe Fläche im Verlauf der nächsten Millionen Jahre immer wieder überflutet wurde und austrocknete. So folgte Schicht auf Schicht, und mit Druck verfestigte sich alles immer mehr. Dabei bildeten sich Risse, und in diesen Rissen entstanden Gipsadern aus Sulfatmineralen.
Und so sieht es heute noch aus, wie mein Foto höchsten Teil des Julius-Echter-Bergs zeigt. Keuperplättchen, Gipsadern, ein bisschen Schilfsandstein dazu. Mit der Erwähnung des Julius-Echter-Bergs sind wir gleich beim ersten Wein.
Iphöfer Julius-Echter-Berg Silvaner GG 2018
Der Julius-Echter-Berg, benannt nach dem Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, ist nicht nur die berühmteste Lage von Iphofen, sondern möglicherweise auch Frankens heißester und trockenster Ort. Früher war diese Tatsache ausschließlich ein Grund zum Jubeln. Hier konnten die Trauben auch in ungünstigeren Jahren ausreifen. Mittlerweile sind damit aber gewisse Herausforderungen verbunden. Da die oberen Parzellen am Berg, so sagte mir Chefin Andrea Wirsching, mittlerweile zu wenig Wasser für den Silvaner bereithielten, würden sie ihr Großes Gewächs aus etwas tieferen Lagen holen – konkret aus der dritten und vierten Parzellenreihe von oben. Draußen gibt es bei den Wirschings bereits seit einiger Zeit kein Glyphosat mehr, im Keller handelt es sich um eine Cuvée aus unterschiedlich bereiteten Partien. Ein bisschen Stahl mit Reinzucht, ein bisschen Holz mit Spontangärung, ein kleiner Teil als Ganztrauben-Maische. Eine composition complémentaire sozusagen.
Heiß war der Jahrgang 2018, und entsprechend schwer sind viele Weißweine aus jenem Jahr geraten. Interessanterweise ist das bei diesem Wein überhaupt nicht der Fall. Vielmehr wirkt er mit seiner durchaus präsenten Säure ganz schön straff. Aber es kommt auch einiges an Substanz nach. Ich spüre gleich beim ersten Wein, was den Wirsching-Gutsstil ausmacht. Es ist dieses Gezügelte, dieses Gefühl der Tiefe ohne vordringende Aromen. Das ist etwas, was man im Englischen als Effortlessness bezeichnen würde. Ein Hochspringer, der beim Stadionrekord noch den Trainingsanzug anbehält. Wer dieses Große Gewächs unbedingt jetzt aufmachen möchte, wird keinen Widerstand erleben und feine Speisen damit begleiten können. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen 1a-Lagerwein. Bocksbeutel und Naturkork, klassisch, 34 € ab Hof.
Iphöfer Kalb Silvaner 2019
Die Kalb hatte ich euch in Kurzform ja schon letztes Jahr vorgestellt. Hier handelt es sich nicht mehr um den Schwanberg, sondern in der Tat um den Kalbberg, was nichts anderes als “kahler Berg” bedeutet. Im Untergrund ist kein Schilfsandstein mehr wie im Echter-Berg zu finden, sondern zunehmend höhere Gipsanteile. Steht man oben am Berg, hat man einen weiten Blick in Richtung Westen. Das Werksgelände, das man dort sieht, gehört der Firma Knauf, ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Auch das Weingut Wirsching bietet übrigens nicht weniger als 30 Arbeitsplätze. Falls ich noch nie darauf hingewiesen haben sollte: Weinbau und Weintourismus bringen eben nicht nur Genuss für Kunden, sondern leisten auch Enormes für die Lebendigkeit ländlicher Räume.
Aber zurück zum Wein, denn um den soll es ja an dieser Stelle primär gehen. Die Iphöfer Kalb gilt übrigens als VDP-Erste Lage, ist also durchaus nicht zu verachten. Der Kalb-Silvaner stammt als einziger der drei aus dem Jahrgang 2019. Keuperweine sind generell eher Langläufer, und Silvaner besitzen oft deutlich mehr Alterungspotenzial, als die Trinkgeschwindigkeit der Stammkunden es zulässt. Insofern ist es nur konsequent, dass das Weingut Wirsching seine Weine später als üblich auf den Markt bringt.
Die Kalb kommt ebenfalls im alten Bocksbeutel mit den schönen runden Formen daher, verschlossen allerdings per Schrauber. Ich spüre ein leichtes Perlen noch und dann eine wesentlich präsentere Würze als beim GG. Interessant. Es gibt eine apfelig-birnig-kräuterige Frucht, durchaus auch mit Power, aber nicht mit dieser Tiefe, die der Echter-Berg bereithält. Zwar bin ich mir sicher, dass auch dieser Wein zu seinem weiteren Vorteil reifen kann. Die hellgrüne Sommerküche wartet allerdings jetzt schon auf ihn. 10,50 € ab Hof (bereits der Nachfolger).
Iphöfer Kammer Silvaner GG 2018
Und dies ist nun der neueste Coup der Wirschings. Früher hieß dieser Wein lediglich Kronsberg. Der Iphöfer Kronsberg ist aber seit seiner Ausweitung durch das 1971er Weingesetz auf 155 ha angewachsen und umfasst auch Flachlagen nördlich des Ortes. Die Kammer hingegen ist das eigentliche Herzstück des Kronsbergs. Vor 200 Jahren schon als Lage erfasst, ist sie mittlerweile als solche wieder beim VDP eingetragen.
Wenn ihr (ausdrücklich empfohlen!) einmal selbst in Iphofen seid, geht doch erst einmal zur Spitze des Echter-Bergs, wo sich der herrliche Aussichtspunkt mit dem terroir f befindet. Von dort wandert ihr an der Grenze zwischen Waldkuppe und steilem Weinberg nach Osten, bis ihr auf den Geschichtsweinberg trefft. Dort gibt es unter anderem den Huntsch und den Frentsch zu sehen, zwei Mischsätze in mittelalterlicher und altfränkischer Tradition. Weiter geht es dann an der Westseite des Kronsbergs entlang. An der Spitze befindet sich ein Grotte genannter Felsvorsprung. Und unterhalb der Grotte findet ihr endlich die Kammer, aus der die Wirschings ausschließlich ihre GGs aus Riesling und Silvaner holen.
Das Silvaner-GG aus der Kammer wirkt mit der neuen schweren Schlegelflasche auch optisch sehr edel. Ein Gegenentwurf zum Julius-Echter-Berg, expressiver gehalten? Nein, keineswegs, ich bin verblüfft: Die Kammer ist sogar noch feiner. Raffinesse auf eine fast puristische Art. Pur ist hier aber nicht die euphemistische Umschreibung für einen Wein, der wirkt, als wäre er am Polarkreis geerntet worden. Sondern das Pure bezieht sich darauf, ganz bewusst auf Holz, Wucht und Würze zu verzichten. Heller in seinen Aromen als der Echter-Berg, hat die Kammer mehr Weißdorn, Klarapfel, Rambutan, weißen Weinbergspfirsich zu bieten. Auch hier gibt es diese unterschwellige Kraft, aber insgesamt weniger Erdverbundenheit und mehr schwebende Finesse. Wären wir noch in einer Zeit alberner Geschlechtsstereotype, wäre der Echter-Berg der König und die Kammer die Königin. Beides Feingeister, logisch. 28 € ab Hof.
Mein Fazit
Wer Frankenwein sagt, sagt auch Wirsching, und wer Wirsching sagt, sagt Feinheit und Klassik. Das habe ich an diesen drei Weinen als Anschauungsmaterial lernen können. Bislang, ich muss es zugeben, war mir der Riesling aus Wirsching’scher Produktion sogar noch bekannter und fast lieber. Aber wenn man sich länger mit den Silvanern des Hauses beschäftigt, wird klar, dass die fränkische Ursorte hier keineswegs die zweite Geige spielt.
Aus den edlen aber heißen Keuperlagen Iphofens derart engmaschige, raffinierte Silvaner zu holen, die sich auch vor etlichen Jahren im Keller nicht fürchten, ist schon wirklich bemerkenswert. Die Kammer kann sich dabei im GG-Reigen locker gegenüber dem arrivierten Julius-Echter-Berg behaupten und bringt nicht nur wegen der anderen Flaschenausstattung eine ganz eigene Nuance mit ein. Mir hat dieser kleine Ausflug nach Iphofen jedenfalls sehr gefallen. Und wenn es Zeit und Wetter zulassen, würde ich das Virtuelle auch gern mit dem Realen ergänzen.
Wie immer eine grandiose Beschreibung von Ort und Wein – ich werde zum Kammerjäger!!
Haha, dankeschön! Das ist aber auch wirklich ein nobler Wein – für Feingeister, ich schrieb es ja schon 😉
Hallo Matthias,
sehr schöner Artikel und eine tolle Bilderfolge – herzlichen Dank mal wieder!
Jaaaa, gute Silvaner sind viel lager- und reifungsfähiger als gemeinhin gedacht wird. Ich bekam kürzlich von einem Weinfreund zu einem wunderbaren Spinat-Kartoffelpudding eine ebenso wunderbare 2000er Silvaner Spätlese trocken aus dem Escherndorfer Lump von Egon Schäffer eingeschenkt. Birnen- und Honigaromen in der Nase, etwas Bienenwachs. Im Mund ein elegantes Säurespiel, keinerlei Firne, birnenfruchtige Präsenz am Gaumen und eine schöne Länge.
Die Weine von Wirsching und vom Castell’schen Domänenamt reifen ebenfalls ausgezeichnet.
Wer bei Silvanern vom Keuper möchte, dass sich diese würzigen Heu- und Kräuteraromen entfalten, sollte sowieso keine Flasche vor 5 Jahren Flaschenreifung öffnen. Es lohnt sich!
Herzliche Grüße!
Absolut, ein bisschen reflektierende Reife steht eh den meisten ganz gut 😉 .
Schäffer war ja glaube ich einer der ersten, die ihre Weine ganz bewusst erst später auf den Markt gebracht haben. Schön, dass es diese tatsächlich kundenfreundliche Tendenz jetzt öfter gibt. Ich nehme mal an, dass nicht alle Menschen, die gern gute Weine trinken, einen optimal klimatisierten Gewölbekeller zur Verfügung haben. Für die Jahrgangs-Weinguides und die Zahlenvergleichsfreaks ist das vielleicht manchmal ein bisschen schwierig, aber bitteschön, es gibt ja noch genügend Frühfüller 😉
Um einen Bocksbeutel oder eine Burgunderflasche mit Schrauber – das gibt es ja zum Glück oft in Franken – fünf Jahre reifen zu lassen, braucht es keinen Gewölbekeller. Hab ich ja auch nicht.
Nur, ein IKEA-Regal o.ä. in der warmen Küche im Tageslicht und womöglich noch neben der Herdplatte, DAS sollte es dann wiederum nicht sein.
Stimmt natürlich. Wobei es schon mal interessant wäre, sowas selbst auszuprobieren. Also drei Flaschen eines Weins kaufen, eine in der Küche, die zweite dunkel und trocken, die dritte im (so verfügbar) kühl-feuchten Gewölbekeller lagern – und dann nach fünf oder besser noch zehn Jahren rausholen. Vielleicht gar einmal mit Schrauber und einmal mit Kork. Weine sind ja tatsächlich oft wesentlich robuster als es manchmal so heißt. Trotzdem wäre das sicher spannend zu sehen, ob und welche Unterschiede man feststellen kann. Der einzige Nachteil natürlich: Es dauert 😉 . Vielleicht hat das aber auch schon mal jemand gemacht, also systematisch meine ich. Ist ja nicht so abwegig…
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