Stéphane Tissot könnte man auch als den “Wizard from Arbois” bezeichnen, denn wie er das alles schafft, was er schafft, erscheint mir schon leicht außerhalb des Menschenmöglichen. Als ich ihn vor einigen Jahren dann zum ersten Mal bei einer Veranstaltung getroffen hatte, war er auch noch total zugänglich und gut gelaunt. Ein Rätsel. Aber der Reihe nach: Dies ist der Les Bruyères von Stéphane und Bénédicte Tissot, ein Chardonnay aus dem französischen Jura. Kein Vin Jaune allerdings, sondern ein ganz gewöhnlicher Chardonnay wie du und ich, also nach burgundischer Art. Wie gewöhnlich er allerdings wirklich ist in Anbetracht seiner Gestalter, wird sich gleich noch erweisen.
Arbois Les Bruyères 2011 von Bénédicte & Stéphane Tissot
Stéphane wurde in das Weingut von André und Mireille Tissot hineingeboren, das immer noch den Namen seiner Eltern trägt. Nach seiner Eheschließung mit Bénédicte übernahmen die beiden den Betrieb formell im Jahr 1993. Gleichzeitig begannen sie mit der biologischen Bewirtschaftung, die sie sich 1999 zertifizieren ließen. Seit dem Jahr 2003 führten sie auch biodynamische Methoden ein und sind heute Mitglied bei Biodyvin. Gleichzeitig vergrößerten sie die Rebfläche immer weiter. Heute haben Stéphane und Bénédicte Tissot nicht weniger als 50 ha Rebflächen, was eine ungeheuer große Zahl einzelner Parzellen um Montigny-les-Arsures und Arbois herum bedeutet. 15 Mitarbeiter/innen sind permanent beschäftigt, zu Spitzenzeiten weitaus mehr, und es gibt nicht weniger als 35 unterschiedliche Cuvées in jedem Jahr. Natürlich ist Stéphane ständig im Weinberg und auch noch bei diversen Veranstaltungen national und international unterwegs. Das Rätsel, ich sagte es ja schon.
Das für mich Verblüffendste an der Sache ist jedoch, dass die ganze Vergrößerung nicht etwa auf Kosten der Qualität erfolgte, sondern ganz im Gegenteil. Der Aufwand im Weinberg ist hoch, die Hektarerträge sind niedrig (im Durchschnitt 30 hl/ha), und die Vinifizierung ist bei jedem einzelnen Wein extrem konsequent. Spontanvergoren wird ohnehin alles, im Holz ausgebaut ebenso. Dazu kommt noch ein extrem sparsamer Gebrauch von Schwefel. Wer schmeichelnd-gefällige Weine sucht, ist bei Stéphane Tissot weniger gut aufgehoben. Hier richtet sich jemand nicht etwa nach dem Weltmarkt wie Parker ihn schuf, sondern er macht seine eigene Nische einfach immer größer. Oben auf dem Foto seht ihr übrigens Stéphanes Spitzenlage, den Clos de la Tour de Curon.
Wie schmeckt der Wein?
Les Bruyères stammt nicht von dort, sondern aus der gleichnamigen Lage nördlich von Arbois, direkt an der N83 gelegen. Das Weingut ist nur ein paar hundert Meter entfernt, und Stéphane gehören hier 0,95 ha, also etwa die Hälfte der Lage. Der Untergrund besteht aus sehr lehmigem Kalkmergel, und obwohl die Parzelle nach Süden ausgerichtet ist, wirkt alles ziemlich sanft und reichlich unspektakulär. Die Reben wurden sukzessive zwischen 1938 und 1973 gepflanzt und stehen mit 7.000 Stöcken pro Hektar ziemlich dicht. Im Keller findet bereits die Spontangärung im Barrique statt. Der Ausbau auf der Hefe dauert nicht weniger als 24 Monate, und schließlich wird der Wein mit einer geringen Schwefelgabe abgefüllt.
Da steht er nun im Glas, der 2011er. Ich konstatiere ein pale gold nach WSET-Diktion (ich weiß, mit Farben haben die es nicht so…). In der Nase gibt es zunächst eine leicht walnussig-oxidative Note, durchaus expressiv, dazu reifen Bratapfel und so etwas wie Kumquat. Das ist alles aber nicht zukleisternd, sondern ganz eindeutig Chardonnay, purer wirkend als meist von der Côte de Beaune.
A propos pur, diese pure, knallige Säure, die dann im Mund folgt, kenne ich nur aus Chablis, aber niemals aus Meursault. Trotzdem ist dies keineswegs eine unreife Materie, sondern ein mit 13,5 vol% sogar ziemlich kräftiger Wein. Aber das Besondere ist für mich diese phänomenale Engmaschigkeit. Irgendwie scheinen mir die Weinmoleküle hier dichter geknüpft zu sein als beim feinsten Täbriz. Damit etwas mehr Zwischenräume in diese Intensität kommen, braucht der Wein viel Luft und auch ein bisschen Wärme. Insgesamt ein anspruchsvoller Wein für Fortgeschrittene. Aber für die ist das ein echter Genuss.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den 2011er Bruyères Chardonnay von Tissot ganz gegen meine Gewohnheit aus Zweitverwendung, nämlich bei der wunderbaren Altweinhandlung Vins Fins de la Crau in St-Martin-de-Crau in der Provence. Da ein Ausflug dorthin momentan eher schwierig ist, möchte ich darauf hinweisen, dass es den 2015er Les Bruyères für 34 € bei K&U gibt. Oder bis vorgestern gab, denn irgendwie scheinen die Bestände aus zu sein. Aber ihr könnt trotzdem mal auf den Link schauen, schließlich wird dieser Text hier ja nicht nur am Tag seines Erscheinens gelesen.
Ich hätte den Wein auch in der Vinothek von Stéphane Tissot direkt am zentralen Dorfplatz von Arbois kaufen können. Ihr seht sie oben auf dem Foto rechts. Bei meinem Aufenthalt im Jura hatte ich etliche Juraweine getestet und mir dabei natürlich auch ein paar Gedanken über die Umstände vor Ort gemacht. Es lässt sich nicht leugnen, dass es irgendwie eine “Jura-Bubble” gibt, der sehr viele der dortigen Einzelwinzer angehören. Fast alle arbeiten biologisch oder biodynamisch, nehmen geringe Erträge in Kauf und wissen, dass sie mit solchen Weinen in die weltweite Qualitätsnische müssen.
Natürlich hilft es, dass ein paar Kult-Domainen wie Overnoy oder Ganevat in diesem Segment schon länger präsent sind. Aber letztlich müssen alle Winzer für sich selbst entscheiden, ob sie diesen Ansatz auch praktizieren wollen. Viele tun es und stärken damit nicht nur den eigenen Betrieb, sondern auch das gesamte System. Ein System weit weg von Massenmarkt und Preiskämpfen im Discounter. Aber natürlich auch eines, dass die Winzer erst einmal gedanklich weit weg führt von Stammkunden aus dem Nachbardorf und der “Weitermachen wie bisher”-Philosophie. Ein mutiger Schritt ganz sicher – aber vielleicht auch der bestmögliche Weg…
Jura Content, bester Content. Danke!
😀 Sehr gern geschehen!