Gern gepflegt wird in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr die Tradition des Rückblicks. Zusammenfassende Worte über das vergangene Jahr, Ausblick auf das kommende, möglichst weise gehalten, ein bisschen mahnend, ein bisschen aufbauend. Ich möchte beim Natürlichen Dienstag diesmal noch viel weiter zurückgehen, denn ich habe diesen Wein hier getrunken, der fast 15 Jahre in meinen verschiedenen Kellern verbracht hat. Vor 15 Jahren hatte ich noch eine andere Haarfarbe, der Wein noch ein anderes Etikett, die Domaine noch einen anderen Namen – und auch der Laden, an den ich viele gute Erinnerungen habe, ist nicht mehr derselbe. “Der Wein” ist der Biaumont 2005 der Domaine Goisot, ein Chardonnay aus dem nördlichen Burgund, aus biodynamischem Anbau und mit seltener Preiswürdigkeit.
Côtes d’Auxerre Biaumont 2005 der Domaine Goisot
Auf dem oberen Bild seht ihr den (relativen) Jung-Matze, wie er vor 15 Jahren eine Flasche Wein inspiziert. Genau an diesem Ort (auf den ich weiter unten noch komme) habe ich die Weine der Domaine Goisot auch kennengelernt. Für gute Burgunder aus Chardonnay oder Pinot Noir waren sie ungemein preisgünstig, weshalb ich sie mir auch leisten konnte. Die günstigen Preise lagen allerdings nicht daran, dass im Haus Goisot schlumpig gearbeitet werden würde – im Gegenteil. Das Weingut ist seit 2001 bio-, seit 2005 sogar biodynamisch zertifiziert (Demeter). Günstig für ihre Qualität sind die Weine deshalb, weil sie aus keiner renommierten Appellation stammen. Chablis ist zwar nur einen Katzensprung entfernt, die Goisot-Parzellen liegen aber knapp außerhalb, die meisten in der Appellation Bourgogne Côtes d’Auxerre. Die kalkigen Böden aus dem Oberen Jura ähneln denjenigen in Chablis aber sehr, weshalb die Goisot-Weine eine schöne Mineralität besitzen.
Anfang dieses Jahres hatte ich das Vergnügen, bei der Millésime Bio in Montpellier die ganze weiße Range der Goisot-Weine durchzuprobieren. Irgendwie kamen sie mir sogar noch präziser als früher vor, sensationell gute Jungweine ganz nach meinem Geschmack.
Der Biaumont war auch darunter, allerdings Jahrgang 2017. Der Name bezieht sich auf ein spezielles Gewann, nämlich En Biaumont, was soviel wie auf dem schönen Berg bedeutet. Der Name passt auch ganz gut, denn das Gewann befindet sich oberhalb eines Waldgürtels, ausgerichtet nach Süd-Südost. Aus dieser Lage holen die Goisots in der Regel ihren reifsten Weißwein. 18 Monate Ausbau in gebrauchten Fässern, soweit ich weiß, aber all das sollte gegenüber den Jahren auf der Flasche an Einfluss verlieren.
Wie schmeckt der Wein?
Ein tiefes Gelb sehe ich im Glas, sichtlich reif und gereift. Noch deutlicher stellt sich die Reife in der Nase ein. Da gibt es laktisch-balsamische Töne zu Anfang, gefolgt von einer Note, die ich ganz zweifelsfrei als Werthers Echte identifizieren würde. Erst zum Schluss scheint dann eine vollgelbe, quittige Frucht durch.
Am Gaumen kommt zunächst eine mittlere Säure, ganz trocken ist der Wein ohnehin. Das Prägende aber ist die hohe Reife, die mit einer gewissen Viskosität einhergeht. Die Aromen reichen von dem Karamell in der Nase über Quitte und gelbe Mango bis zu einer leicht bissigen Angelika als pikant-würziger Abrundung. Nur diese Pikanz lässt mich noch halbwegs an Chablis denken, denn die weiche Hochreife in Verbindung mit der Laktik würde mich blind in jedem Fall auf die Côte de Beaune tippen lassen. 2005 war ein warmes Jahr, und das hier ist eigentlich eher ein Meursault als ein karger Chablis. In diesem Stadium passt der Biaumont mittlerweile super zu Mürbeteig und solchen Geschichten. In jedem Fall bekommt der Wein ein A für Anspruch.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den Biaumont 2005 der Domaine Goisot genau hier, in den zugestellten Katakomben des Caves des Oblats im belgischen Liège. Für meine Weinsozialisation war das ein ungemein wichtiger Ort. Ich hatte damals eine Wohnung unter dem Dach eines alten Backsteinhauses in der Nähe. Im Cave des Oblats habe ich über die Monate meines Aufenthalts in Liège das ganze Spektrum der französischen Weinwelt kennengelernt. Und viele Namen von Winzern, die mir bis heute wichtig sind. Samstag war nämlich immer Degustation angesagt. Selten habe ich mir das entgehen lassen.
Der ganze Laden strömte dabei immer den Charme des Nonchalanten aus. Etwa auf der Mitte zwischen intellektuellem Gourmet und ruppiger Working Class. So wie die Stadt im Ganzen. Nach einer gewissen Zeit durfte ich selbst in den Katakomben herumsuchen und die erstaunlichsten Flaschen zutage fördern. Natürlich war das eine vollkommen anachronistische Welt, in der man ausschließlich bar bezahlen konnte und die Rechnung auf einem handgeschriebenen Zettel bekam. Aber es war auch eine Weinwelt viele Meilen entfernt von Geprotze und Brimborium. In der es Rayas mit derselben Selbstverständlichkeit gab wie den herben Schoppen aus dem Beaujolais.
Mittlerweile ist der Cave des Oblats nicht mehr im Besitz von Roger Michel, der den Laden fast 40 Jahre lang führte, der alle Winzer kannte (und sie ihn). Sein Sohn David wollte, nachdem auch er 20 Jahre lang dort gearbeitet hatte, dann doch ein Leben außerhalb des klammen Kellers führen. Den neuen Inhabern wünsche ich selbstverständlich alles Gute. Und vielleicht werden wir ja nach einer Inventur tatsächlich einmal erfahren, was hier alles an Schätzen lagert…
Die Weine der Domaine Goisot gibt es übrigens auch in Deutschland. Und zwar in großer Auswahl (nur der Biaumont ist gerade nicht da) bei Bernd Kreis, in kleinerer auch bei K&U. Preislich sind die Lagen-Chardonnays für 22-23 € zu haben. (Kaufen!)
Lieber Matze,
die Goisot-Weine haben mich schon immer begeistert, daher habe ich mich über diesen Bericht gefreut.
Meine Quelle war ebenfalls in Ostbelgien, bei Bernard Visé in Eupen, der noch immer ein schönes Goisot-Sortiment zu interessanten Konditionen führt (bei größeren Bestellungen nennenswerten Rabatt). Ein Besuch bei diesem Freak lohnt sich immer, er ist ein Original! Ich glaube, dass er nicht nach Deutschland versendet – also hinfahren und, wenn das wieder möglich ist, einen Restaurantbesuch einplanen!
Die Cave des Oblats habe ich in den letzten Jahren mehrfach besucht und beim Stöbern in den Gängen Flaschen aufgetrieben, von denen der Besitzer selbst nichts (mehr) wusste. Ein großes Chaos, aber ein märchenhaftes. Ich bin gespannt, wie sich das unter neuer Leitung entwickelt. Hoffentlich bleibt etwas von dem Flair erhalten…
Ja, das hoffe ich auch mit dem Cave des Oblats! Wobei man natürlich realistischerweise sagen sollte, dass die neuen Inhaber auch irgendwie über die Runden kommen müssen. Denn der frühere Charme lag ganz eindeutig in dieser Lässigkeit – auch in finanziellen Dingen. Wenn du da eine alte Flasche gefunden hast, dann haben sie halt geschaut, wie viel der Wein vor zehn Jahren gekostet hatte, als sie ihn das letzte Mal auf der Liste hatten…
Aber sehr schön, die Auswahl bei Bernard Visé, habe gerade den ganzen Katalog durchgeschaut! Tolle Goisots natürlich, aber ich mag auch die Romorantins von Tessier sehr, unheimlich schwer hier zu bekommen. Und die Weißen von Roc des Anges zum ganz kleinen Preis. Und die leider völlig aus der Mode gekommenen alten Süß-Gespriteten aus dem Roussillon. Scheint mir also tatsächlich einen Besuch wert zu sein 😉 . Vielen Dank für den Tipp!