Der Nikolaihof am Rand der Wachau ist irgendwie ein Universum für sich. Seit fast 2.000 Jahren wird an diesem Ort bereits Wein hergestellt. Wenn auch nicht von derselben Familie, denn die Familie Saahs erwarb den Hof erst im Jahr 1894. Es sind aber nicht nur die momentan 22 ha unter Reben und die lange Geschichte, die den Nikolaihof so speziell machen. Vielmehr wird hier seit mittlerweile 50 Jahren ununterbrochen nach Demeter-Richtlinien gewirtschaftet. Damit ist der Nikolaihof eines der absoluten Zentren der Biodynamik. Wem Brennnesseljauche, Baldriantropfen oder Schachtelhalmtee als Stärkungsmittel für Weingärten nichts sagen, kann sich hier kundig machen. Die Weine werden übrigens zu 70% exportiert, sind also – man hätte es sich denken können – nicht primär für den Schoppentrinker im Nachbardorf gedacht.
Grüner Veltliner Federspiel 2013 vom Nikolaihof
Und speziell sind sie, die Weine. Das je nach Wein und Linie farblich immer unterschiedliche, ansonsten aber grafisch einheitlich daherkommende Etikett deutet das noch nicht an. Das Spezielle an den Nikolaihof-Weinen ist nämlich der Faktor Zeit, die hier noch einmal eine ganz andere Rolle spielt als in fast allen anderen Weingütern, die ich kenne.
Am einen Ende dieser Weinzeit-Philosophie befindet sich der Grüne Veltliner Hefeabzug, von dem eine bestimmte Partie hefetrüb als Zwickl abgefüllt wird (ja, er heißt tatsächlich so). Nach sechs Monaten auf der Vollhefe werden diese sehr lebendigen Weine schon auf den Markt gebracht.
Am anderen Ende hingegen liegt im wahrsten Sinne des Wortes der Riesling Vinothek. Er verbringt je nach Jahrgang bis zu 20 Jahre in einem riesigen 3.500 Liter-Eichenholzfass. Individuell, komplex, wahrhaft abgelagert, mit deutlich laktischen Noten und einer irgendwie magischen Würze ist das ein Wein, der niemanden kalt lässt. Lustigerweise (zum Glück habe ich den Wein schon mehrfach probieren können) hatte ich an einem Tag das Gefühl, den größten Weißwein der Welt im Glas zu haben. Am nächsten Tag war er mir zu weich und abgerundet. Am dritten wieder phänomenal. Sollte man auf jeden Fall wenigstens einmal im Leben versuchen.
Hier haben wir eine mittlere Version vor uns – jedenfalls für Nikolaihof-Verhältnisse. Der Grüne Veltliner Federspiel stammt aus dem Jahrgang 2013, und dort wiederum aus den frischeren Trauben. 2013 hat in der Wachau zum Teil eine hohe Reife hervorgebracht, und nicht immer ist so etwas zum Vorteil der Veltliner-Trauben ausgegangen. Finde ich als Balance-Freak jedenfalls.
Wie schmeckt der Wein?
2013 war vor sieben Jahren, und diese sieben Jahre hatte ich den Wein nicht etwa bei mir im Keller, sondern er lag tatsächlich auf dem Weingut im Fass. Abgefüllt wurde erst dieses Jahr im Januar, und zwar mit folgenden Werten: 12,0 vol% Alkohol, 6,1 g/l Säure und 2,8 g/l Restzucker. Wie schmeckt nun so ein spezielles Schätzchen?
Erst einmal bin ich überrascht ob der hellen Farbe. Klar, das ist kein botrytis-lastiger Hochreife-Wein, aber dennoch ein in Anbetracht der Lagerzeit wirklich heller Weißer. Trüb ist er übrigens nicht, das wirkt auf dem Foto nur so, weil das Glas beschlagen ist. In der Nase spüre ich eine sehr schöne Blütigkeit, florale und gleichzeitig reife Noten, grüne Walnuss, Mirabelle. Äußerst angenehm auf jeden Fall und definitiv nichts für Kontroversen.
Im Mund wirkt die Säure passend, keinesfalls höher. Der Körper ist erstaunlich dicht für einen Weißen mit diesem geringen Alkoholgehalt, ein sehr glatter, flächiger Trinkfluss stellt sich ein. Ich spüre eine gewisse Phenolik, einen leicht gerbigen Anklang, aber nicht diese Laktik, die eine extrem lange Holzfasslagerung oft mit sich bringt. Von den Aromen her fühle ich mich an Zitronentarte erinnert, aber eher der Gourmethaftigkeit, nicht des Süße-Säure-Kontrasts wegen. Weißer Pfirsich und Birne spielen mit hinein, da ist nicht die Gelbfruchtigkeit eines extrem reifen Leseguts. Dadurch wirkt der Veltliner im Gesamtauftritt sehr elegant und bietet sich als vielseitig verwendbarer Speisenbegleiter an. Spontan denke ich an Backhendl, aber das kann auch daran liegen, dass ein ähnlicher Geruch gerade aus dem Nachbarhaus herbeizieht.
Wo habe ich ihn gekauft?
Getroffen hatte ich Hausherrin Christine Saahs zum ersten Mal bei der 501Biodyn 2017, der Münchener Weinmesse für, nun ja, Weine aus biodynamischem Anbau. Kochbuch und Kosmetiklinie waren auch gleich dabei, denn wie üblich bei Demeter-Betrieben ist der Nikolaihof nicht nur monokulturell unterwegs.
Den 2013er Grüner Veltliner Federspiel habe ich persönlich bei Vinaturel gekauft, die vermutlich das allergrößte Nikolaihof-Sortiment auf Lager haben. Wenn ich mich jedoch nicht täusche (und sie es inzwischen geändert haben), ist der Verkauf auf gewerbliche Kunden beschränkt. Im Internet habe ich deshalb auch noch den Online-Shop Wundervino aufgetan, der genau diesen Wein für 22,60 € anbietet.
Ich finde, wer noch nie die Weine vom Nikolaihof probiert hat, ist mit diesem Veltliner bestens bedient. Einerseits lässt er schon einmal die Reifephilosophie der Familie Saahs erahnen. Andererseits befindet er sich noch nicht auf der kontroversen Seite. Allerdings, werte Freundinnen und Freunde des individuellen Ansatzes, werdet ihr jene hernach auch noch probieren wollen. So ist das mit der Neugier, zum Glück.