Wenn die Weine aus dem Tal der Loire allgemein schon Außenseiter in deutschen Weinregalen sind, was soll man dann erst von diesem Wein behaupten? Jasnières als Herkunftsbezeichnung dürfte nur den allerallergrößten Freaks etwas sagen. Und der Fluss, an dessen unspektakulären Gestaden die Reben für Les Rosiers wachsen, heißt auch noch Loir. Der Loir. Wie die Loire, nur ohne “e” – Konfusion garantiert. Dabei produziert Eric Nicolas von der Domaine de Bellivière seit vielen Jahren großartige Weine. Dabei hatte er – wie so viele interessante Winzer in dieser Region – in seinem früheren Leben etwas ganz anderes gemacht…
Les Rosiers 2017 von der Domaine de Bellivière
Eric hatte nämlich einen gut bezahlten Job in der petrochemischen Industrie bei Total France. Seine wahre Leidenschaft galt allerdings weniger dem Superbenzin als vielmehr dem Wein und der Poesie. Diese Diskrepanz wird sich seine Frau Christine eine Weile lang angesehen haben, bevor sie Eric ausdrücklich dazu ermunterte, seinen Job aufzugeben und in Montpellier Weinkurse zu belegen. Erst wollten die beiden auch im Süden bleiben, aber dann ergaben sich an der Loire (oder nein, dem Loir) bessere Möglichkeiten. Besser war beispielsweise, dass das Rebland in dieser Region, die ihre Blütezeit eher im Mittelalter hatte, wirklich günstig war.
Nach einem ebenso kurzlebigen wie erfolglosen Erstversuch konnten Eric und Christine im Jahr 1995 die leicht heruntergekommene Domaine de Bellivière erwerben. Der Bürgermeister und sein Nachbar Louis Derré halfen dabei tatkräftig mit, weshalb es von der Domaine de Bellivière auch einen beeindruckenden roten Pineau d’Aunis namens Hommage à Louis Derré gibt.
Hier soll es jedoch um einen Weißwein gehen, Les Rosiers aus 100% Chenin Blanc. Eric und Christine besitzen mittlerweile 16 ha, die sich auf nicht weniger als 70 teilweise winzige Parzellen verteilen. Seit dem Jahrgang 2005 sind die Weine der Domaine de Bellivière bio-zertifiziert, seit dem Jahrgang 2011 auch biodynamisch. Les Rosiers umfasst die jüngeren (also weniger als 50 Jahre alten) Reben auf Kreideboden mit lehmigem oder feuersteinigem Oberboden. Ausgebaut wird der Wein in gebrauchten Barriques, wobei der Restzuckergehalt immer den Launen des jeweiligen Jahrgangs geschuldet ist. Von furztrocken bis feinherb ist alles möglich.
Wie schmeckt der Wein?
Im Jahrgang 2017 wurden die Trauben für den Rosiers sehr reif geerntet. Analytisch haben wir hier 12,5 vol% und 7 g Restzucker, was sich spontan eher nach einem deutschen Riesling anhört. “Sec tendre” nennen das die Loire-Winzer gern, und mit ähnlichen Werten sind häufig auch die Vouvrays der Domaine Huet unterwegs.
Farblich ist das ein kräftiges Gelb, das fast in Gold übergeht. Auch in der Nase spürt man sofort die hohe Reife. Ich würde meinen, da ist ein gewisser Teil botrytisierter Trauben mit dabei. Jedenfalls gibt es Honiganklänge, Orange und Orangenblüte. Im Mund ist das spontan sofort eine großartige Sache. Hohe Pikanz, Reife, Fruchtfülle; viel Säure, aber geschmeidig; oxidative Anklänge, aber lebendig. Irgendwie wirkt der Wein aromatisch gereift, besitzt aber eine enorme innere Spannung. Es gibt viel gelbe Frucht, Quitte, Kumquat, Safran und Kurkuma. Ein bisschen geht das tatsächlich in die Richtung Riesling aus einem warmen Jahr mit kalten Nächten.
Was isst man jetzt dazu? Ich könnte mir Gemüse vorstellen, das selbst einen leichten Süßeanklang besitzt. Petersilienwurzeln zum Beispiel oder Kürbis. Gelbes Curry geht sicher auch, Noix St-Jacques in Curry-Sahnesauce oder chinesisches Essen à la Guangzhou. Oder Räuchermakrele. Oder gar Datteln. Das ist in jedem Fall ein Wein, der die kulinarische Kreativität anregt.
Wo habe ich ihn gekauft?
Ich hatte die Weine der Domaine de Bellivière vor mittlerweile 15 Jahren im Cave des Oblats im belgischen Liège kennen und schätzen gelernt. Seitdem habe ich bei einigen Messen und einigen Weinproben meine Eindrücke verfeinern können. In ihrer Jugend sind die Weine manchmal etwas unzugänglich, ähnlich wie der gelegentlich leicht nerdig daherkommende Winzer selbst. Mit ein paar Jahren in der Flasche kommen die Aromen aber immer besser zum Tragen. Ich persönlich war noch nie von den Bellivière-Weinen enttäuscht, aber man muss die Kombination aus Hochreife, Säurepikanz und oxidativem Ansatz natürlich mögen.
Der Rosiers 2017 war übrigens Teil eines wunderbaren Pakets, das ich bei Christophs Originalverkorkt-Live-Podcast letzten Donnerstag verkosten durfte. Oben seht ihr das Line-up. In Deutschland gibt es dieses Schätzchen von Wein zum Glück auch zu kaufen, und zwar bei Sébastien Visentins Passion Vin für 27 €.