An der Corona-Krise ist ehrlich gesagt gar nichts gut. Ich reise liebend gern, und das geht momentan leider nicht. Ich gehe auch gern mal essen, wiederum nix. Statt Live-Reportagen schaue ich jetzt Paris-Roubaix 2002 auf Youtube. Immerhin kann ich mich nicht daran erinnern, wie es ausgegangen ist. Aber ein kleiner Aspekt ist zumindest nicht ganz so schlimm an der Stubenhockerei. Dadurch dass der Radius so eingeschränkt ist, habe ich das Gefühl, dass man die nähere Umgebung wieder ein bisschen intensiver wahrnimmt. Deshalb möchte ich euch hier vier Orte in Nürnberg zeigen, die ich in den letzten Tagen wiederentdeckt habe.
Pâtisserie Tafelzier
Die Pâtisserie Tafelzier in der wunderbar benamten Weintraubengasse ist ganz sicher kein Geheimtipp. Es handelt sich nämlich um den Arm einer veritablen Genusskrake. Zusammen mit dem Catering und dem minimal avantgardistischen Zwei-Sterne-Restaurant Sosein bildet die Pâtisserie nämlich die El Paradiso Gastronomie. Und überraschenderweise gehört das Imperium nicht etwa einem Magnaten von der Diamantenküste. Inhaber Jens Brockerhof und Johannes Müller hatten El Paradiso nämlich noch als Kochlehrlinge gegründet und Schritt für Schritt ausgebaut.
Weil mit Restaurant und Event-Catering momentan nicht so viel läuft, gibt es im Tafelzier derzeit ein Extra-Programm. Vor Ort findet ihr deshalb Backwaren wie die klassische Brioche und das köstliche Süßhäppchen, das ich dort gekauft habe. Es gibt aber auch Brot und eingeglaste, tja, Fertiggerichte in Traiteur-Qualität aus der El Paradiso-Küche.
Cam On Asia-Shop
Die U-Bahn-Station Lorenzkirche ist ein veritabler Waschbetonbau von 1978, ganz im Stil der Zeit gehalten. Das architektonische Wunderwerk mitten in der Innenstadt besitzt allerdings auch ganz angenehme Seiten. Man kann nämlich unterirdisch eine ganze Reihe von Geschäften erreichen. Eines dieser Geschäfte ist der kleine Asia-Laden Cam On. Ursprünglich (und der Online-Shop zeigt das ja auch) war das ein Spezialladen für Korean Beauty. Aber in Wirklichkeit hat das Cam On noch viel mehr zu bieten.
Es gibt neuerdings zum Beispiel selbst genähte Gesichtsmasken. Die schickeren Versionen waren mir Langnase allerdings zu klein, weshalb ich mich für das Modell Bankräuber entschieden habe. Dann gibt es haltbare Lebensmittel aus Ostasien wie die echten roten Saucen aus Korea (in meinem Seoul-Reisebericht beim Tintenfisch), wie Kimchi, Algen, Nudeln und sogar koreanisches Eis. Und schließlich hat Cam On auch noch original mexikanische Saucen, Cracker und Guacamole auf Lager. Ich habe – schon verbraucht, deshalb nicht auf dem Bild – beispielsweise die Mole Verde von Doña María erstanden. Und nochwas: Die Leute vom Cam On sind wahnsinnig nett.
Landbierparadies
Auf der mittleren Flasche offenbart sich das ganze Elend: Karfreitag Karpfenpartie, 1. Mai Brauereifest, 2. Wochenende im Juli Kirchweih. Die ersten beiden fallen garantiert aus, bei der Kirchweih kann man das zumindest befürchten. Dazu kommt noch, dass das Gasthaus geschlossen hat und selbst der Bierkeller nicht eröffnen kann. Friedel-Bräu im mittelfränkischen Zentbechhofen ist dabei nur eine von 300 fränkischen Brauereien, die meisten davon miniklein und ganz heftig von der Krise gebeutelt. Was also tun?
In Nürnberg kann man sich auch ohne Ausflug solche Preziosen in die Wohnung holen. Das Landbierparadies (der Laden, nicht die Wirtshäuser) hat nämlich geöffnet und auch noch genügend frische Ware an Bord. Die wunderbare Auswahl fränkischer Landbiere sprengt vermutlich euer Vorstellungsvermögen, weshalb von den vielen Exemplaren nur die drei auf dem Foto erwähnt werden sollen. Links das Rauchsüdla von Knoblach aus Schammelsdorf nahe Bamberg, taucht extrem selten außerhalb des Dorfes auf. In der Mitte das erwähnte Kellerbier von Friedel, wenngleich mit Rückseiten-Etikett, malzig-süffiger als die meisten anderen Biere dieser Kategorie. Und schließlich rechts ein Klassiker der Frankischen Schweiz, das Dunkle vom Drummer in Leutenbach. Weckt natürlich ein bisschen Sehnsucht nach einer nachmittäglichen Kellerpartie, schmeckt aber auch im Zimmer.
Hummelsteiner Park
Die Südstadt von Nürnberg ist im Allgemeinen keine attraktive Gegend. Es gibt eine Menge Spielhallen und Döner-Imbisse, dafür keinen einzigen Weinladen, kein hippes Café und keine interessante Boutique. Traditionalisten finden allerdings das erwähnte Landbierparadies, die Schäufelewärtschaft und mit dem Hummelsteiner Park auch ein kleines grünes Refugium.
Die meisten Leute kennen wahrscheinlich den Hummelsteiner Park begrifflich als Biergarten und vom Fußball-WM-Schauen. Den eigentlichen Park erreicht man jedoch nur rückwärtig durch ein Steinbogentor. Was man hier zu sehen bekommt, ist nicht wirklich spektakulär. Dafür schön. Es gibt Bänke, ein paar blühende Busche und einige alte Bäume. Früher konnte man mich mit Stadtparks nicht wirklich locken. Aber mittlerweile besitze ich zum vierten Mal die Jahreskarte vom Shinjuku-gyoen, dem wunderbaren Park in Tokio. Eine komplette folie, ich weiß, aber es geht ja auch primär um die symbolische Bedeutung. Immer verbunden mit der Hoffnung, noch während der jeweiligen Gültigkeitsdauer zurückkommen zu können und dann am Extra-Schalter für die Förderer des Parks freundlich mit “Konnichiwa!” begrüßt zu werden.
Nürnberg Fensterblick
Wenn es ganz fad wird in Nürnberg, lohnt sich manchmal auch ein Blick aus dem Fenster. Weit draußen habe ich dabei diesen runden Stein entdeckt. Ich habe das Gefühl, er ist schon länger da. Und er wird vermutlich auch noch da sein, wenn wir längst wieder überall herumtollen können. Bis dahin werde ich aber weiterhin die Augen offen halten, um die kleinen Dinge in meiner Umgebung nicht zu übersehen.