roterfaden heißt das Weingut, klein und zusammen geschrieben. Jenen roten Faden zu entdecken, ist mir ehrlich gesagt beim Lesen der Lebensläufe der beiden Protagonisten anfangs gar nicht so leicht gefallen. Aber vielleicht könnt ihr es ja schneller nachvollziehen. Von wem ich spreche? Von Olympia Samara und Hannes Hoffmann, ansässig in Roßwag, Württemberg, etwa 30 km nordwestlich von Stuttgart. Auf 2 ha, knapp die Hälfte davon in terrassierter Steillage, bauen Olympia und Hannes hauptsächlich Lemberger an, dazu noch ein bisschen Pinot Noir und Riesling. Und den habe ich mir besorgt.
roterfaden weltweit
Olympia stammt aus Thessaloniki und Hannes tatsächlich aus Roßwag. Es ist aber keineswegs so, dass die beiden von vornherein vorgehabt hätten, in Hannes’ Heimatdorf zu landen. Ganz im Gegenteil. Von Wein waren sie allerdings schon immer begeistert, was bei jungen Leuten gelegentlich in einen Ort namens Geisenheim führt. Dort lernten sie sich kennen und fanden sich (vermutlich) sympathisch. Denn ab diesem Zeitpunkt machten sie viele Dinge, tja, eigentlich eher parallel als gemeinsam. Erst gingen sie zur Ernte ins Napa Valley, dann schrieb sie ihren Bachelor in Stuttgart, während er bei Jochen Beurer arbeitete. Anschließend beschloss Olympia, auch noch den Master draufzusatteln, und zwar den Vinifera EuroMaster. Das ist ein Kooperationsstudiengang verschiedener europäischer Partnerinstitutionen, bei denen jeweils ein Teil der Zeit zu verbringen ist. Schaut euch den Link an, wenn euch die Sache näher interessiert.
Jedenfalls bedeutete das, dass die beiden schon wieder unterwegs waren. Dort vor Ort arbeiteten sie aber jeweils bei unterschiedlichen Betrieben, um möglichst viel Erfahrung zu sammeln. Danach ging es nochmal nach Österreich, Blaufränkisch checken, und dann wurde allmählich klar: Arbeiten für andere ist ja schön und gut, etwas Eigenes zu machen, könnte aber noch schöner sein. Das elterliche Weingut von Hannes in Roßwag war eigentlich schon abgewickelt, er selbst hatte bereits das hohe Alter von 30 Jahren erreicht. Aber zwei Hektar waren noch da, die Lagen wirklich toll, selbst wenn sie unglücklicherweise fast nur Eingeweihten bekannt sind. Die Halde in Roßwag ist eine Südlage am Flüsschen Enz, reiner Muschelkalk und im zentralen Teil steil und terrassiert. Dort stehen die Reben von Olympia und Hannes. Aber wo ist er denn nun, der rote Faden von roterfaden?
Wie schmeckt der Wein?
Ja, den roten Faden kann man schon ein bisschen beim Probieren entdecken. roterfaden bedeutet nämlich weniger ein superkonsequent durchgeplanter Lebensweg, sondern vielmehr eine Philosophie, die das Handeln der beiden bereits seit einigen Jahren bestimmt. Es geht um biodyn (wird – noch – unzertifiziert praktiziert), einen ganz schonender Umgang mit Boden und Trauben, viel Handarbeit, möglichst wenige Eingriffe, Schwefel minimal, Filtration gar nicht – und letztlich um das Schaffen filigraner Weine. Da gibt es kein Mostgewicht in Richtung Sirup, keinen Neuholzmantel, keinerlei Bigmouth-Stilistik. Ob das funktioniert?
Also, zunächst einmal habe ich es mir besonders schwer gemacht und nicht etwa den Lemberger ausgewählt, sondern den Riesling. Es gibt noch ein “großes” Exemplar namens Endschleife, und dann diesen hier, Jahrgang 2017. Verschlossen mit einem Diam 5, bin ich überrascht, wie dunkelfarbig der Wein ist. Zwischen deep lemon und pale gold, würde ich nach WSET-Diktion sagen. In der Nase keine Primärfrucht, logisch. Stattdessen etwas Bratapfel, viel Naturel-Art, ein bisschen Zimt, Gewürze, Kräuter, leicht Mirabelle, leise, aber vielschichtig. Am Gaumen denke ich, wow, das ist konsequent! Konsequenter als erwartet. 12 vol%, aber richtig durchgegoren. Da ist nichts Schmeichelndes und Weichelndes. Ich fühle mich spontan an einen weißen Naturel aus dem Jura oder eher noch aus Savoyen erinnert. Jacquère. Ähnlich wie bei diesem Bergwein ist auch der rotfadige Riesling primär Speisenbegleiter (und zwar ausgezeichnet) und weniger Solowein. Dabei profitiert er von ein bisschen Luft. Sehr schön.
Wo habe ich ihn gekauft?
Hier habe ich den Wein gekauft, bei Viniculture in Berlin. Wie so viele spannende Weine dieser Serie, weshalb mir ein bisschen die Fotos vom Laden ausgehen. Ich war deshalb sehr erfreut, als ich erfahren habe, dass Olympia Samara gleichzeitig Filialleiterin bei Bernd Kreis in Stuttgart ist. Das eröffnet mir ein bisschen mehr Vielfalt, was die Bezugsquellen anbelangt. Beides sind fantastische Orte für interessante Weine, nur für den Fall, dass ihr sie noch nicht kennt. Der Riesling von roterfaden kostet bei Wein-Kreis 12,50 €. Allerdings ist sowohl hier als auch bei Viniculture der 2017er Jahrgang inzwischen ausverkauft, und es gibt den Nachfolgejahrgang 2018. Bei einem derartig non-interventionistischen Ansatz, wie roterfaden ihn praktiziert, könnte das bedeuten, dass der Wein auch etwas anders ausgefallen ist als sein Vorgänger.
Aber um das zu erfahren, geht Probieren mal wieder über Studieren. Allerdings, um das mit dem Studieren nicht gar zu tief zu hängen: Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Olympia und Hannes sich nach der Schule in Roßwag kennengelernt und stetig dort geblieben wären, dann wären die Weine nie und nimmer so, wie sie heute sind. Und ich würde vermutlich nicht darüber berichten. Es tut manchmal (oder eigentlich immer) gut, den eigenen Horizont mal ein bisschen zu weiten…