Auf diesen Wein bin ich komplett per Zufall gestoßen. Anders als viele Münchner, die ja schon jedes verlängerte Wochenende für einen Ausflug an den Gardasee nutzen, habe ich noch keine so richtige Beziehung zu Oberitalien aufbauen können. Bardolino, ja, den kenne ich natürlich von früher aus der Studentenzeit. Ein schön roséfarbener Chiaretto von der Norma war mir seinerzeit durchaus auch mal 5 DM wert. Aber ob es oberhalb dieser Kategorie noch etwas gibt? Vielleicht in Bio? Oder sogar richtig naturel-mäßig, unbehandelt, unfiltriert, ungeschwefelt? Darüber war ich nicht wirklich im Bilde. Bis ich Daniele Delaini traf.
Villa Calicantus – der andere Bardolino
Daniele hatte zunächst seine italienische Heimat verlassen, hatte in Paris gelebt, gearbeitet, geheiratet, bis er vor knapp zehn Jahren den alten Hof seiner Familie erbte. Was tun? Vom einstmals prosperierenden Weingut war nicht mehr viel übrig geblieben. gerade einmal 1,2 Hektar, dazu ein arg heruntergekommenes Gebäude. Einerseits ein Traum, andererseits ein Irrwitz. Natürlich, man sieht von hier den See, keine zwei Kilometer Luftlinie, und die Parzelle steht ausgerechnet auf der besten Lage von Bardolino. Aber man kann davon doch nicht leben. Nicht bei den geringen Mengen und nicht bei dem zweifelhaften Ruf von Bardolino. Selbstverständlich wisst ihr, wie die Geschichte weitergeht, denn sonst würde es diesen Wein nicht geben. Daniele nahm das Erbe an, die Delainis zogen im Jahr 2011 from Paris to Pampa, und seitdem ist alles anders.
Das Gebäude von Villa Calicantus beherbergt heute eine Ferienwohnung im zweiten Stock, was sich in einer derart bukolischen Gegend auch anbietet. Dann musste aber auch weintechnisch wirklich alles anders gemacht werden, als das die vielen Supermarkt-Traubenlieferanten in der Gegend tun. Von Anfang an wurde biologisch, seit 2014 auch biodynamisch gearbeitet. Weder im Weinberg noch im Keller würde er irgendein chemisches Produkt verwenden, sagt Daniele. Er pachtet fünf Hektar Reben auf einem kargen Plateau dazu, beginnt verschiedene Weine zu kreieren, einen Schaumwein, einen Rosé, drei Rote. Dass 40% der Weine in den Export gehen, wundert mich nicht. Denn obwohl der Tourismus und mit ihm auch der Weintourismus in der Gegend blüht, sind solche hellfarbigen, naturbelassenen und aufwändig hergestellten Preziosen nicht wirklich im Beuteschema des gewöhnlichen Wohnmobilisten. Da müssen wir schon ran.
Wie schmeckt der Wein?
Zunächst einmal handelt es sich bei der Superiora um einen Bardolino Superiore Classico. Soll heißen, aus dem enger umgrenzten traditionellen Bereich des Anbaugebiets (deshalb Classico) und zusätzlich mit höheren Anforderungen (deshalb Superiore). Nicht immer kann sich die Prüfkommission allerdings mit Danieles Gewächsen anfreunden: Sein wunderbarer Chiar’otto Rosé geht aktuell nur als Tafelwein durch. Der Bardolino besteht aus hauptsächlich Corvina, ergänzt mit Molinara, Rondinella und Sangiovese. 11,5 vol% nur, spontan im Tank vergoren, anschließend für ein Jahr ins gebrauchte Holzfass. Sulfite gibt’s in magerer Menge, 14 mg pro Liter analytisch, Restzucker praktisch gar keinen.
Ins Glas fließt ein helles Ziegelrot. Auf Instagram habe ich das Glas auch mit fotografiert, kommt morgen früh. In der Nase gibt es gewisse Naturwein-Gärnoten, dahinter eine pikante Rotbeerigkeit, alles völlig konsequent und unkonventionell. Im Mund ist zunächst die präsente Säure spürbar, die aber sofort samtig eingefasst wird. An Aromen schmecke ich Süßkirsche und Preiselbeere, alles ist hell, luftig und von einer enormen Trinkigkeit. Ich habe das Gefühl, im Frühsommer zu sein, die ersten Früchte an den Bäumen, die Vögel bei ihrem Morgenlied. Wer mit derartigen Naturweinen noch wenig Erfahrung hat, sollte sich von der unkonventionellen Nase nicht abhalten lassen. Danach kommt das pure Vergnügen für alle und jeden. Wer sagt eigentlich, dass ein “leckerer” Wein immer billig zu sein hat, ein teurerer hingegen immer anspruchsvoll und kompliziert?
Wo habe ich ihn gekauft?
Ich hatte Daniele Delaini zum ersten Mal in diesem Frühjahr auf der K&U-Hausmesse in Nürnberg getroffen (und in einem Sammelartikel darüber berichtet). Die Weine von Villa Calicantus hatten mich dabei schlicht aus den Socken gehauen. Ich kenne das Programm von Martin Kössler ja nun schon etlichen Jahren und weiß, dass er trotz einer sehr expliziten Auswahl ungern Weine verkauft, die dann als “ist verdorben” oder “fehlerhaft” wieder zurückkommen. Die Weine von Villa Calicantus sind in diesem Sinne schon richtig edgy, richtig funky. Aber sie sind gekonnt gemacht, nicht zu schnell vergoren und abgefüllt, was meiner Meinung nach vor allem im Naturel-Bereich eine große Rolle spielt. Natürlich wird da nicht weich und breit geschmeichelt. Aber wer auf der Suche nach authentischen italienischen Weinen aus Kleinstproduktion ist, die in ihrem Werden von vorn bis hinten schonend und reflektierend begleitet worden sind, der sollte hier nicht vorbeigehen.
A propos vorbeigehen. Auf Daniele Delainis Instagram-Profil kann man sehen, dass der gute Mann ganz schön viel unterwegs ist. Am 1. und 2. Dezember kommt er auch nach Deutschland zur RAW Wine Berlin, nächsten April wieder zu K&U nach Nürnberg. Was ich noch nicht erwähnt hatte, ist der Preis. 22 € kostet die La Superiora. Und ich empfand das ehrlich gesagt als sehr gut angelegtes Geld.