Und, wer hat’s erfunden? Die Karstleute waren’s. Na, vielleicht nicht unbedingt erfunden, aber salonfähig gemacht, trendauslösend. Wovon ich spreche? Von der Maischegärung, der Vinifizierung weißer Trauben wie beim Rotwein, woraus dann der von manchen geliebte, von anderen verabscheute „Orange Wine“ entsteht. Benjamin Zidarich ist ganz sicher nicht der extremste Vertreter dieser Philosophie, denn anders als beispielsweise bei Josko Gravner können seine Weine auch von weniger Eingeweihten goutiert werden. Aber trotzdem ist dieser Wein aus dem Nordosten Italiens ein echter Klassiker des Genres.
Karstweine von Benjamin Zidarich
Wenn ich mich nicht täusche, waren zwei Probleme bei der Entscheidung der Karst-Winzer wesentlich, die Maischegärung auch bei Weißweinen anzuwenden. Zum einen wurden die Trauben in den ohnehin nur mit einer dünnen Bodenschicht bedeckten heißen Weinfeldern zunehmend reifer, was zu enormen Alkoholwerten bei den fertigen Weinen führte. Die Maischegärung verringert hingegen den Alkoholgehalt um etwa 1-1,5 vol%. Zum anderen sind Vitovska und Malvasia, die klassisch dort ansässigen weißen Rebsorten, relativ oxidationsanfällig. Nun ist es ja nicht gerade so, dass die Trauben bei der offenen Maischegärung nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommen würden – ganz im Gegenteil. Aber dafür werden mit dieser Methode Phenole aus den Traubenschalen gelöst, die den Wein stabilisieren. Soll heißen: Die Weine verlieren zwar ihre Primärfruchtigkeit, was die einen begrüßen, die anderen bedauern, aber sie werden selbst mit geringsten Schwefelgaben fast unverwüstlich. Genau das ist hier alles passiert.
Benjamin Zidarich hat sein Weingut an der Grenze zu Slowenien im Jahr 1988 mit lediglich einem Hektar Fläche übernommen und besitzt mittlerweile 8 ha. Die Weinberge werden komplett ohne Einsatz systemischer Mittel gepflegt, eine Bio-Zertifizierung ist bei den leicht sturen Individualisten vom Karst dennoch weiterhin unüblich. Nach der Ernte hat Zidarich die Trauben für zwei Wochen spontan auf der Maische gären lassen. Der anschließende Ausbau erfolgte über zwei Jahre in Fässern aus slawonischer Eiche, bevor der Wein ungeschönt und unfiltriert, gestützt durch eine leichte Schwefelgabe, abgefüllt wird. Slawonien übrigens (weil gerade im italienischen Weinbau mit der dortigen Eiche gern gearbeitet wird) ist nicht etwa ein Schreibfehler und müsste eigentlich Slowenien heißen. Es handelt sich vielmehr um die nordöstliche Ecke Kroatiens, ein bereits sehr kontinentaler Landstrich. Das aber nur nebenbei.
Wie schmeckt der Wein?
Oder erst einmal: Wie sieht der Wein aus? Trüb, helleres Gelb, wie naturtrüber Birnensaft. In der Nase kommen sofort rauchige Noten, Malz, viel gelber Apfel, Quitte, aber auch etwas Mango und vor allem Anklänge an Alpenkräuter. Ein bisschen Mostgefühl zeigt sich, aber ohne die Essignote. Am Gaumen gibt es eine relativ milde Säure, aber als spannungsarm kann man den Wein nicht bezeichnen. Das liegt vermutlich in erster Linie an der Phenolik. Die Maischegärung hat die Gerbigkeit, den Grip der Traubenschalen mit in den Wein gebracht. So entsteht ein Gerüst, in das sich die Aromen einfügen können.
Frucht ist zwar zu spüren, in erster Linie gelber Apfel und kandierte Zitrone, aber pflanzliche Elemente sind deutlich in der Überhand. Es gibt den malzigen Touch, die Alpenkräuter, etwas Heu und Ingwer, nur ohne Schärfe. Vielmehr wirkt alles samtig und balsamisch, fast wie unter einem leichten Schleier, ohne Spitze und Aggressivität, sondern eher flächig-ausbreitend. Das ist ein wirklich komplexer Wein, den ich nicht als schwierig bezeichnen würde, aber als spannend. Mit zunehmender Luft und Wärme kommen immer weitere Nuancen zum Vorschein. Ich fühle mich schon wieder an den Herbst erinnert. Aber an das milde Licht der späten Sonne, an eine Wärme, die nicht mehr sticht, an den goldenen Schimmer am Horizont.
Wo kann man ihn kaufen?
Obwohl Benjamin Zidarich wahrhaftig keine große Mengen herstellt, sind seine Weine weit verstreut in aller Welt zu haben. Allerdings ebenfalls nur in geringen Quantitäten, so ist das mit diesen individuellen Gewächsen ja häufig. Ich hatte vorher alle drei Weißen von Zidarich probiert, bevor ich mich für den Malvasia entschieden hatte. In dieser Reihe existiert noch den Vitovska aus der gleichnamigen Rebsorte, der deutlich apfelig-spröder daherkommt – natürlich auch ein toller Speisenbegleiter. Dann gibt es den Prulke, den die Mehrzahl der Weinfreunde vermutlich am meisten schätzt, weil er das best of both worlds darstellt. Und dann eben den Malvasia, der am mildesten, flächigsten, vielleicht sogar mediterransten daherkommt.
All diese Weine gibt es bei K&U in Nürnberg (oben ein Foto von der Hausmesse), sowohl direkt vor Ort als auch online. Preislich sind wir hier im Karst natürlich in einer nicht gerade für besonders günstige Weine bekannten Gegend. Aber es ist alles Handarbeit, die Erträge sind minimal, die Winzerkunst groß – und für den Massengeschmack ohnehin weniger geeignet. 30 € muss man also mindestens für so einen Wein hinlegen. Aber mit Verstand an einem schönen Herbstabend genossen, ist das einfach eine wunderbare Sache.
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