Das ist doch mal ein richtig protziger Titel: Mein neues Büro in Brüssel! Wer würde da nicht gleich an EU-Lobbyismus, steuerfreie Einkünfte in satter Höhe und eine Schar vielsprachiger, wenngleich verblüffend dürftig bezahlter Praktikant/innen denken? Und tatsächlich: All das gibt es hier in unmittelbarer Nachbarschaft. Mein neues Büro besitzt allerdings einen leicht anderen Charakter.
Das Schaerbeek-Projekt
Wir hatten schon seit längerem vor, mal für eine bestimmte Zeit an einen anderen, gemeinsamen Ort zu gehen, um dort sowohl getrennt als auch zusammen arbeiten zu können. An einem Ort, der nicht zu überwältigend und kompliziert ist, der aber trotzdem genügend Inspiration bietet, um auch mal out of the box denken zu können. Wir = Birgit Biggy Pop, Julia Beautyjagd und ich, kennen uns schon seit lange zurückliegenden Bamberger Studienzeiten. Jetzt haben wir uns eine ebenso weitläufige wie charmant abgerockte Fabriketage im Stadtviertel Schaerbeek gemietet und hoffen darauf, dass es keinen späten Wintereinbruch mehr gibt.
Über Brüssel hatte ich übrigens schon öfter geschrieben, sowohl als Rundgang im Mai als auch im Dezember.
Nachbarschaft: L’Ane Vert
In unmittelbarer Nachbarschaft unserer “Wohnung” befindet sich ein traditionell belgisches Restaurant, das Âne Vert. Der vordere Bereich besteht dabei aus einem Barbereich mit Tresen, weiter hinten wird gespeist. Der Wirt besticht durch seine leicht flusige Erscheinung und seine latent ironische Art. Ich kann mir vorstellen, dass hier abends durchaus lebhaft debattiert wird.
Aus der großen Auswahl an Speisen nehme ich, immerhin haben wir ja noch Winter, Rosenkohl und eine Saucisse de Montbéliard. Das ist eine gebratene Räucherwurst von durchaus herzhaftem Charakter. Ohnehin, meint Birgit, erinnere sie hier einiges an ihre Kindheit am Niederrhein. So weit liegt man kulinarisch ja wahrhaftig nicht auseinander.
Bier-Wunderland Brüssel
Belgien ist natürlich ein echtes Bier-Wunderland. Es gibt vermutlich keinen Ort auf der Welt, an dem sich so viele historische Stile entwickelt und gehalten haben. Denn natürlich kann ich auch auf Island ein Double IPA brauen, wenn ich alle Zutaten importiere. Aber es ist halt kein echter sense of place dabei. Nun kennen viele (deutsche) Biertrinker aus Belgien in aller Regel die einstmaligen Klassiker, die sich aber seit Jahren in Großbrauer-Hand besitzen und oftmals tatsächlich lumpig hergestellt sind.
Auf der kleinen, aber nicht unfeinen Bierkarte im Âne Vert finden sich dagegen nicht nur die Biere von Cantillon, sondern auch vier reguläre Biere der ebenso hiesigen wie sehr guten Brasserie de la Senne. Das oben abgebildete Zinnebier ist dabei ein echter obergäriger Allrounder. Fein hopfig abgestimmt mit genügend Tiefe dominieren die Aromen nicht zu stark, damit die Speisen daneben gut zur Geltung kommen.
Ein kurzer Spaziergang durch das Viertel zeigt dann, dass es hier durchaus so etwas wie Frühling gibt. Die Magnolien im kleinen Botanischen Garten sind nämlich fast schon verblüht. In der nächsten Zeit werde ich also sowohl meine vergangenen Weinmessen und Besuche aufbereiten als auch immer wieder über ein paar aktuelle Brüsseler Entdeckungen berichten. Während ich diese Zeilen schreibe, groovt sich der Bassist in der Etage unter mir so langsam ein. Eine interessante Zeit steht bevor.
Hi Matze!
Bin gespannt auf Deine neuen Abenteuer!!!
Jens
Samstag am Meer war schon mal fein. Aber ansonsten gibt es hier so viel, dass man kaum wegfahren muss. Ich habe glaube ich 43 Weinläden auf der Liste, alle in Brüssel!