Es waren einmal drei Landvermesser, die wollten die Erde ganz besonders genau abbilden. Sie hatten aber nur eine platte Karte, während die Erde – das wussten sie alle – nun einmal rund ist. Was sollten sie tun?
Karte 1: Winkel stimmen
Der Erste sagte: „Nichts ist wichtiger als die Winkel! Schließlich muss ich auf See genau wissen, in welche Richtung ich fahren soll.“ Und er zeichnete eine Karte, in der die Winkel stimmten. So sah sie aus:
Karte 2: Flächen stimmen
Da sagte der Zweite: „Krumm und schief sieht das aus! Afrika ist viel zu klein und die Antarktis da unten viel zu groß. Dabei ist nichts wichtiger als die Flächen! Schließlich muss ich genau wissen, wie groß mein Land ist.“ Und er zeichnete eine Karte, in der die Flächen stimmten. So sah sie aus:
Karte 3: Gar nichts stimmt
Da sagte der Dritte: „Das ist ja ziemlich gestaucht, jetzt wird die Antarktis viel zu breit! Ich glaube, so geht das nicht.“ Und er zeichnete eine Karte, in der alles ein bisschen falsch war. Die Flächen stimmten nicht, die Winkel stimmten nicht, der Abstand stimmte nicht, gar nichts stimmte ganz exakt. So sah sie aus:
Da riefen die anderen beiden: „Ja, so kann es gehen! Dein Entwurf ist am besten, am harmonischsten. Aber wie hast du das geschafft?“
„Nun“, sagte der Dritte, „mir ist klar geworden, dass wir zu keiner perfekten Lösung kommen können, weil man etwas Dreidimensionales ohne Fehler nicht in etwas Zweidimensionales verwandeln kann. Und wenn man nur eine Sache besonders korrekt machen will, bricht es woanders besonders stark zusammen.
Du, Nr. 1, hast nur an dein Schiff gedacht,und deshalb war es dir egal, dass bei deinem Modell der Pol mathematisch im Unendlichen liegt. Dahin wärst du ja sowieso nicht gefahren. Und du, Nr. 2, hast nur an die Fläche deines Land gedacht, und deshalb war es dir egal, dass bei deinem Modell der Polarkreis genauso lang ist wie der Äquator.
Deshalb habe ich mir überlegt, dass es vielleicht am wichtigsten ist, nicht etwa nur die eigene Priorität, sondern die gesamte Erde im Blick zu haben.“
Und das ist die Moral von der Geschicht’. Ganz einfach.
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* Die drei Landvermesser gab es wirklich, und das sind auch ihre Entwürfe. Der erste (winkeltreue) ist Entwurf von Mercator (1569), der zweite (flächentreue) ist von Lambert (1772), und der dritte („harmonische“) ist von Winkel (1921).
** Die Abbildungen habe ich allerdings selbst gezeichnet. Sieht man kaum…
*** Falls hier Kartograph/innen mitlesen: Mir ist natürlich klar, dass man in der Praxis schneidende Zylinder und Low-Error-Projektionen mit 40 Koeffizienten haben kann. Aber didaktisch hilft das an dieser Stelle wenig…