Ob ich denn irgendwas mit Thailand zu tun hätte, fragt mich die Kassiererin. “Äh, nein”, antworte ich, “also, ich war schon mal da, aber…” Da fällt mein Blick in den Einkaufskorb, den ich gerade eben auf das Kassenband gestellt habe, und ich beginne zu verstehen. Stinkbohnen, schrumpelig-hartes Obst, zwei große Packungen mit Blüten – sowas hat vermutlich hier im Asia-Markt noch nie ein Einheimischer ohne direkten Asienbezug gekauft. Dabei ist es bei mir eine Mischung aus notorischer Neugier auf interessante Esserlebnisse und in der Tat die etwas melancholische Erinnerung an meine Zeit damals in Bangkok.
Im Herbst 2011 war ich zur Regenzeit schon einmal in Bangkok und habe dort zum Kennenlernen erst einmal einen wahrhaft kilometerfressenden Spaziergang durch die Stadt gemacht. Im Februar 2012 kam ich dann schon wieder zurück nach Südostasien, diesmal gleich für mehrere Monate, und habe aus Bangkok, Kuala Lumpur, Jakarta und Colombo berichtet. Wer sich für ein kleines Potpourri “merkwürdiger Dinge” interessiert, die mir seinerzeit begegnet sind, hier ist eine kleine Auswahl davon.
Seitdem habe ich die Tropen nicht wieder gesehen. Nachdem ich aber neulich beim Asia-Markt, der praktischerweise nur 100 Meter von meiner Wohnung entfernt liegt, mir komplett unbekanntes, tja, Gemüse entdeckt hatte, dachte ich mir gestern, das sollte ich tatsächlich mal kaufen. Aber vor dem Kochen lieber noch einmal recherchieren… Vier Dinge habe ich also angeschleppt, die ich vorher noch nie in der Küche benutzt hatte. Alle vier Gemüse, die ich gekauft habe, kommen direkt aus Laos, aber nur beim ersten steht auch der laotische Name auf dem Schild, nämlich “Mak gawk”. Es ist ohnehin immer ein bisschen schwierig herauszufinden, wie die Sachen in den jeweiligen Sprachen heißen und wie das dann jeweils transliteriert wird. Ein riesiges Angebot mit einer zumindest auf Vietnamesisch wirklich erschöpfenden Liste bietet dieser Importeur aus Tschechien. Wirklich super zum Herumstöbern, und vielleicht ist Eurer Asia-Markt ja auch mit diesem Lieferanten verbunden.
Hog Plum = Mak gawk
Was ist das?
Spondias pinnata, Gelbe Balsampflaume auf Deutsch, aber der Baum mit einer Rinde, die optisch Elefantenhaut ähnelt, stammt aus der Familie der Sumachgewächse. In Vietnam nennt man sie cốc rừng, was soviel heißt wie Wald-Mango. Die Früchte werden zur Regenzeit geerntet, sind also gerade aktuell frisch auf dem Markt, auch wenn sie so richtig edel nicht aussehen. Roh habe ich erstmal enorme Schwierigkeiten, die Frucht überhaupt durchzuschneiden. Es gelingt mir mit dem großen Hackmesser, bevor ich feststellen muss, dass 90% des Inhalts vom Kern eingenommen wird. Durchschneiden also unnötig. Das unter der dünnen und harten Schale befindliche Fruchtfleisch schmeckt grün und säuerlich. Mich erinnert es an einen unreifen Mostapfel vom Baum.
Was macht man damit?
Die Grenze zwischen Früchten und Gemüsen ist ja in Südostasien durchaus fließend, jedenfalls was die Verwendung anbelangt. Die Hog Plum wird dann auch nur teilweise wie Obst gegessen, daneben aber in Salate hineingeschnitten oder geröstet für Chilisaucen verwendet. Dabei kommt es immer auf das fruchtig-säuerliche Element an. Nach dem Kochen wird das Fruchtfleisch weich wie bei mehligen Kartoffeln und ist immer noch leicht säuerlich. Hat sich im Curry gut gemacht, fand ich.
Stinkbohnen = Peteh
Was ist das?
Parkia speciosa aus der Familie der Hülsenfrüchte ist ein Tieflandbaum, der besonders gut in Malaysia und Thailand gedeiht und dort auch gern als Schattenspender verwendet wird. Um die langen Bohnenschoten ernten zu können, muss man ziemlich gut klettern können. Die mit vielen Antioxidantien ausgestatteten Bohnenkerne sind überall auf den Märkten zu finden, und dennoch wird sie kaum ein Westerner kaufen, denn der Name ist Programm. Roh probiert schmecken die Kerne wie leicht bitterer Knoblauch, nur längst nicht so scharf. Angeblich wird die Stinkwirkung aufgefangen, wenn man rohe Gurke dazu isst.
Was macht man damit?
Die Tatsache, dass Stinkbohnen auf so vielen Märkten angeboten werden, hat natürlich etwas damit zu tun, dass sie durchaus beliebt sind. In Malaysia werden sie als Wokgericht mit anderen kräftig duftenden und schmeckenden Zutaten kombiniert wie getrockeneten Shrimps, roten Zwiebeln, Chilies, Sojasauce und Hackfleisch. In Thailand ist gebratenes Schweinefleisch als Begleitung angesagt, in Indonesien Ziegenfleisch. Ich habe einfach drei Kerne genommen, sie wie Knoblauchzehen gehackt und in Sesamöl als Basis angebraten. Wesentlich mehr sollte man wahrscheinlich nicht nehmen.
Sesbania-Blüten = Dok sano
Was ist das?
Dass essbare Blüten den Weg auf unsere Teller gefunden haben, ist (so kommt es mir jedenfalls vor) ein Trend, der erst in den 90er Jahren aufkam. In Südostasien hat man hingegen schon immer Blütenpflanzen gegessen, so wie die Sesbania bispinosa. Diese Pflanze stammt aus der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler und wird als Strauch etwa 4 m hoch. Essen kann man – wie bei vielen Sesbania-Arten – sowohl die Blüten als auch die Fruchthülsen und sogar die Blätter. Die zur Regenzeit geernteten Blüten dieses Strauchs sind das Emblem der thailändischen Provinz Ayutthaya. Roh schmecken die Blüten frisch und grün, fast wie junge Erbsenschoten, allerdings etwas prononcierter und bitterer. Die Stiele sind dünn und hart, weshalb man sie zum Kochen entfernen sollte.
Was macht man damit?
Dok sano kann man in allen Formen essen: roh, gebraten, frittiert, am liebsten mit Eiern zusammen als Omelett. Man kann sie aber genauso gut in Curries verwenden als normales Gemüse. Im Mekong-Delta in Vietnam wird zur Regenzeit ein berühmtes Gericht mit diesen Blüten bereitet namens Canh Chua Cá Linh Bông Điên Điển, was in etwa “saure Schlammkarpfensuppe mit Sesbania-Blüten” bedeutet. Die süß-saure Brühe wird dabei hervorragend ergänzt durch den leicht bitteren Blütengeschmack, das zarte Karpfenfleisch durch die bissfeste Blütenstruktur. Ich habe wie gesagt die harten Stiele entfernt und die Blüten als Curry-Gemüse mitgekocht.
Tonkin-Jasmin = Dok kha jhorn
Was ist das?
Telosma cordata gehört zur Ordnung der Enzianartigen, was man nicht unbedingt denken würde, denn da hat die grob-genetische Verwandtschaft doch zu sehr unterschiedlichen Ausprägungen geführt. Die Kletterpflanze ist in der Region auch als Tonkin-Jasmin bekannt, was auf ihre vermutete Herkunft aus dem Flussdelta bei Hanoi hindeutet. Was Ihr oben sehen könnt, sind allerdings die Knospen vor der Blüte. Die Blüte selbst soll dann sehr stark nach Ylang Ylang duften. Roh probiert ist der Geschmack weniger ausgeprägt als bei den Sesbania-Blüten, aber auch frisch und grün, dazu mit einer zarten Note nach unreifen Haselnusskernen, nur ohne die Adstringenz.
Was macht man damit?
Das beliebteste Gericht in Vietnam mit Tonkin-Jasmin heißt Tôm xào bông thiên lý, was selbstverständlich nichts anderes sind als gebratene Shrimps mit ebendiesen Knospen. Wenn die Knospen gebraten werden, wird der erbsenartige Geschmack noch deutlicher, daneben kann man auch bereits einen zarten Duft verspüren. Die Knospen hängen immer zu Büscheln zusammen, und den Stiel, an dem sie hängen, kann man mitkochen oder -braten. Beliebt ist die Verwendung von Tonkin-Jasmin auch in einer milden Suppe mit Süßwasserkrabben, die Ängste verscheuchen und einen besseren Schlaf fördern soll – wenn man sie regelmäßig konsumiert. Ohnehin werden fast alle dieser Pflanzen auch noch für die unterschiedlichsten medizinischen Zwecke verwendet.
Kleine Helfer
Eine große Hilfe bei der Identifizierung südostasiatischer Gewächse war mir das Buch auf dem Foto, das ich seinerzeit in Thailand gekauft hatte. Der Autor, Eric Danell, ist ein schwedischer Pflanzenforscher, aber der seinerzeit von ihm geleitete Dokmai Garden wurde inzwischen leider geschlossen.
Da ich relativ schlecht an frischen Schlammkarpfen herankomme, wollte ich meine Einkäufe möglichst unkompliziert in einem Curry aufgehen lassen – was hervorragend funktionierte. Im selben Asia-Markt, aus dem ich das Gemüse hatte, gibt es eine ganze Reihe von Würzpasten des nicht ganz unbedeutenden Herstellers Asian Home Gourmet. Ich bin seit ein paar Monaten ein großer Fan davon geworden, und das nicht ohne Grund. Erstens ist die Auswahl riesig (schaut mal auf die Website), zweitens sind die Zutaten makellos (also ohne Aromen und Geschmacksverstärker), drittens gibt es auf der Rückseite jeder Packung eine wirklich gut funktionierende Kochanleitung auf Deutsch und viertens bin ich geschmacklich noch nie enttäuscht worden. In Bangkok gibt es ja den berühmten Pastenrührer Nittaya, zu dem ich damals auch gepilgert bin. Aber einige der AHG-Rezepturen stehen nicht dahinter zurück.
Als kleines Fazit ließe sich festhalten, dass die besseren Asia-Märkte in unseren Städten genau das sind, was die Globalisierung für mich auch ausmacht. Ohne jedes Problem kann ich mir Zutaten kaufen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Zu Hause angekommen, kann ich in Büchern oder (sicher eher) im Internet recherchieren, was ich da mitgebracht habe, kann mir ein interessantes und schmackhaftes Essen zusammenkochen – und im Geist schon einmal die nächste Reise nach Asien planen. Denn, da mache ich mir nichts vor, so großartig wie dieses exotische Gemüse aus dem Asia-Markt ist, an einem Stand im Singapore Market von Bangkok zu stehen und wie auf dem Foto aus 30 verschiedenen Töpfen wählen zu können, das ist dann doch noch mal etwas anderes.
Ich liebe beide: Nittaya und Asian Home Gourmet.
Hier in Berlin gibt es zwar viele Asia-Geschäfte, aber das Verlottern der Läden nimmt zu, und in größeren wird die Frischabteilung kleiner, während vor allem die Zahl der Dosen mit exotischen Getränken die Gänge verstopft.
Das ist schade. Ich glaube, der Laden hier in Nürnberg ist ziemlich gut. Es gibt gleich drei in Fußweite, aber nur dieser hier bekommt immer frisches Gemüse geliefert.
Darf ich fragen, welcher Markt es ist?
Aber klar. Das ist der Asia Markt in der Allersberger Straße (ich glaube, der heißt auch so), zwei Häuser weiter vom Ba Shu.
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