Neues Format: Weinpresse

Klingenberger Schlossberg Terrassenlage Wein Churfranken

Da stehe ich am Ufer des Mains und betrachte die Wand, die sich vor mir auftürmt. Eine grüne Wand ist es, gespickt mit rotbraunen Mauersteinen. Hier am Klingenberger Schlossberg, in Anbetracht der vielen winzigen Parzellen, die aber jede für sich etwas Besonderes sind, hier ist mir eine Idee gekommen: Warum sollte ich nicht ein paar interessante Schnipsel aus der großen weiten Welt des Weins (und vielleicht auch anderweitiger kulinarischer Themen) heraussuchen und ein bisschen aufbereiten? Schließlich sehe ich ja viel, wenn ich herumreise, bekomme Sachen erzählt, lese ständig Neuigkeiten im Internet, in Zeitschriften. Und denke mir meinen Teil dazu. Schaut also, was ich Euch in diesem neuen Format auf dem Blog alles herausgesucht habe.

Wine Store Bic Camera Tokyo Akasaka

Sektmonopol

Wenn es um steigende Absätze bei Wein geht, sind seit einigen Jahren zwei Weintypen weltweit einsam an der Spitze: Roséweine und Schäumer. Erstere haben es geschafft, für Konsumenten leichter zu wirken und gleichzeitig diesen ungemein attraktiven procençalischen Lebensstil zu transportieren. Und Letztere profitieren ganz eindeutig vom Image des Champagners als nicht wegzudenkendes Utensil bei Feiern und großen Anlässen. Dass sich in diesem Segment noch besser verkaufen lässt, wenn man Kräfte bündelt, haben vor knapp drei Monaten Henkell und Freixenet bewiesen. Henkell (gehört zu Dr. Oetker) hat sich dabei exakt 50,67% von Freixenet gesichert, was bedeutet, dass das neue Haus einen Jahresumsatz von nicht weniger als einer Milliarde Euro besitzt. Eine neue Marke soll allerdings erst einmal nicht geschaffen werden, es wird nur ein bisschen an den betriebswirtschaftlichen Stellschrauben gedreht.

Buddha's shoes Daibutsu Kamakura

Weinflaschen aus Pflanzen

James de Roany hat in seinem Leben schon in vielen Bereichen des Weinbusiness gearbeitet. Erst hatte er Agrarwissenschaften studiert, dann bei der Luxusmarken-Gruppe LVMH gearbeitet, ein eigenes Weingut in der Provence geleitet und auch noch mehrere Bücher verfasst. Jetzt hat der unruhige 60jährige ein neues StartUp gegründet: Es heißt GreenGenBottle und soll die Glasflasche ersetzen. Seine neue Weinflasche besteht aus geflochtenem Leinen, wiegt nur 190 Gramm und besitzt einen Wert unter Null beim CO2-Fußabdruck (so wie Schlappen des Daibutsu auf dem Foto oben). Eine tolle Idee, aber wie soll so eine Flasche dicht halten? Ganz einfach, sagt James, durch eine Innenschicht, die jetzt im Versuchsstadium noch aus klassischem Plastik besteht, im Laufe des Jahres aber durch ein komplett erdölfreies pflanzliches Plastikmaterial ersetzt werden soll.

Kleine Herausforderung: Um alles realisieren zu können, braucht James noch 2,5 Millionen Euro, und er ist hoffnungsfroh, dass bald ein Investor einsteigt. Um Weihnachten 2018 soll die erste dieser Flaschen auf den Markt kommen. Und James hat bereits neue Pläne für Flaschen aus Bambus und aus Hanf. Zugegeben, die letzten Härtetests fehlen noch. Aber der zwar schmucken und geschmacksneutralen, aber ungemein energiefressenden Glasflasche einen Konkurrenten an die Seite stellen zu wollen, schadet ganz sicher nicht.

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Gewinner, die keine sind

Wer schon mal einen Cabernet Sauvignon von Cathy Corison oder auch zufälligerweise den Wein auf dem obigen Foto probiert hat, der weiß: So schlecht sind die kalifornischen Weine nicht. Vor über 40 Jahren schien das aber niemand in Europa so recht zu glauben. Umso bedeutender und medial entsprechend in Szene gesetzt musste deshalb das so genannte „Judgment of Paris“ erscheinen. Elf der bekanntesten Weinkritiker (darunter neun aus Frankreich) waren zusammengekommen, um blind die besten Bordeaux-Weine gegen kalifornische Cabernet Sauvignons zu testen. Das Ergebnis ist bekannt: Stag’s Leap gewann vor Mouton-Rothschild und Montrose, das Entsetzen bei der siegessicheren europäischen Weinwelt war riesig. Was aber selten wahrgenommen wird, obwohl es überall einsehbar ist: Die Noten waren teilweise grottenschlecht.

14,14 von 20 Punkten konnte der Gewinner Stag’s Leap auf der Habenseite verweisen, die anderen Weine dementsprechend weniger. Die letzten vier (allesamt Kalifornier) würden nach heutigen Maßstäben punktemäßig als kaum trinkbar gelten. Ich bin erst darauf aufmerksam geworden, als ich im Journal of Wine Economics per Zufall einen Artikel von Victor A. Ginsbergh und Israel Zang zum Thema las. Ihnen ging es in dem JWE-Artikel allerdings nicht um das schlechte Gesamtergebnis, sondern sie wiesen darauf hin, dass bei einer anderen statistischen Methode Montrose und nicht Stag’s Leap gewonnen hätte. Das erscheint mir aber unerheblich, denn bei gut 14 Punkten durchschnittlich für den besten Wein dieses Tastings würde ich ehrlich gesagt gar keinen davon haben wollen…

Weingut Bastian Hamdorf Klingenberger Schlossberg Alter Satz

Der Trend zu alten Rebsorten

Nach Deutschland. Bastian Hamdorf ist Neuwinzer – allerdings mit internationaler Erfahrung – in den steilen Terrassenlagen des Klingenberger Schlossbergs. Das ist die legendäre Buntsandsteinlage zwischen Miltenberg und Aschaffenburg am Untermain vom Titelfoto. Für seine frisch erworbene und neu zu bepflanzende Parzelle oben an der Kuppe hat er sich von der Rebschule Martin Pflanzmaterial besorgt, das es hier schon lange nicht mehr gegeben hat. Der Neuwinzer setzt nämlich auf ganz alte Dinger. Im Dunkel des Kellers erkenne ich folgende Aufschriften auf den Reisern: Weißer Traminer (= Savagnin), Weißer Räuschling, Grüner Adelfränkisch, Riesling, Weißer Lagler (= Arbane), Roter Muskateller. Ein weißer Alter Satz soll das werden, nachdem am Schlossberg immerhin schon zwei entsprechende rote stehen.

Irgendwie passt das in die Zeit, denke ich mir. Während sich in anderen Weltgegenden mit immer mehr Technikeinsatz, Turbohefen, Eichenspäne und systemischen Spritzmitteln ein Weinsee fürs unterste globale Preissegment bildet, steht hier ein Start-Up-Biowinzer in einer alten Steillage, in der er alles nur per Hand bewirtschaften kann und setzt fast vergessene historische Rebsorten in den Felsboden. Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Nur diesmal gefällt mir die langsame Variante weitaus besser.

White Flower

Gemüse statt Beef

Und noch jemand, der aus der Schnelligkeit kam und jetzt auf die Langsamkeit setzt. Asafumi Yamashita ging in jungen Jahren zum Studieren nach Frankreich, wurde erst französischer Hochschulmeister im Boxen und danach Profi-Golfer, bevor sich vor den Toren von Paris ein ganz anderes Business aufbaute: Er widmete sich der Zucht und Pflege von Bonsais, die er gelegentlich an Restaurants als Deko-Objekte auslieh. Eines Nachts aber wurde bei ihm eingebrochen und fast alle wertvollen Bonsais gestohlen. Asafumi wusste nicht, was er nun tun sollte, bis ihn ein befreundeter Restaurantbesitzer auf einen Gedanken brachte: Wenn er denn schon offenbar einen grünen Daumen besäße, könne er sich doch einmal am Gemüseanbau versuchen. An Gemüse würde doch in japanischen Restaurants in Paris immer Bedarf bestehen. Gesagt, getan. Und so wurde aus dem absoluten Autodidakten über die Jahre der berühmteste und exklusivste Gemüsebauer der Welt.

Nur sechs Sternerestaurants haben momentan die Möglichkeit, Gemüse von Herrn Yamashita zu beziehen. Hingabe und Perfektionismus im Anbau sind die entscheidenden Elemente. Die Erbsen-Saison dauert beispielsweise lediglich fünf Tage, davor und danach gibt es keine. Auf Anfrage öffnen Asafumi und Noemi ihre „Ferme Yamashita“ und kochen ein mehrgängiges, japanisch inspiriertes Menü ohne Chichi in einem wahrhaft unluxuriösen Setting. Die Weinbegleitung, von der Asafumi nach eigenen Angaben keine Ahnung hat, ordert er lieber bei einem seiner Gemüsekunden, dem Drei-Sterne-Haus Astrance. Wenn Ihr jetzt mit dem Gedanken spielt, diesen ganz besonderen Ort einmal aufsuchen zu wollen, hier ist noch ein schöner Bericht mit Fotos.

Sakura Women's Wine Awards Japan

Frauen und Wein

Zum Schluss geht es jetzt wirklich nach Japan. Vermisst Ihr wenigstens ein bisschen meine kulinarischen Reiseberichte aus Tokio? Ich schon – also zumindest das Verfassen derselben. Aber keine Angst, auch wenn ich momentan wenig in fremden Landen unterwegs bin, das wird schon wieder. Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal in Japan kam, war ich davon ausgegangen, dass der Weinmarkt von Bordeauxweinen und einer gesetzteren männlichen Klientel geprägt ist. Als mir ein dortiger Weinhändler dann sagte, dass in Japan Weine zu 80% von Frauen gekauft werden, konnte ich das kaum glauben. Bei der Prowein traf ich am japanischen Stand Frau Yumi Tanabe, und sie meinte, ja, das könne durchaus hinkommen. Einkauf sei nämlich Frauensache. Aber auch unter den von der Japan Sommelier Association zertifizierten „Wine Experts“ sind 60% Frauen. Um dieser Realität Rechnung zu tragen, hat Frau Tanabe vor fünf Jahren den Sakura Women’s Wine Award ins Leben gerufen.

Drei Ziele verfolge sie damit, sagte sie mir. Erstens die praktische Hilfe, für die japanische Küche die passenden Weine zu finden. Und zwar im Supermarkt, also dort, wo die meisten Weine gekauft werden und wo es praktisch keinerlei Beratung gibt. Das kenne ich von irgendwoher… Das zweite Ziel des Sakura Awards sei es, den Weinkonsum insgesamt anzukurbeln. Und das dritte und nicht unbedeutendste Ziel bestünde darin, Frauen Berufsmöglichkeiten im Weinbereich zu ermöglichen. Oder überhaupt Frauen auf diese Weise sichtbar zu machen als professionelle und relevante Gruppe. Bei der beruflichen und gesellschaftlichen Gleichberechtigung der Frauen in Japan hätte man nämlich noch einen gewissen Nachholbedarf. Ein sehr interessantes Konzept, das ich gleichwohl hier nur anreißen kann.

Fakt ist, für die 2018er Ausgabe des Awards wurden 4.342 Weine aus der ganzen Welt eingereicht, in der Regel einfachere Produkte, die man sich auch im Supermarktregal vorstellen kann. Die Medaillen vergaben dann nicht weniger als 510 Frauen (von der Önologin über die Sommelière bis zur Mitarbeiterin im Weinhandel) nach dem Blindtestverfahren. Alle 510 wurden übrigens hinten in der Broschüre mit einem einzelnen kleinen Foto verewigt. Als ob das nicht schon außergewöhnlich genug wäre, gab nicht nur diamantene, goldene und silberne Medaillen, sondern auch Sonderpreise in folgenden Kategorien: beste weibliche Kellermeisterin, beste Weine für verschiedene asiatische Essen, und zwar Sushi, Tempura, Sukiyaki, Yakitori, Teppanyaki, Yukinabe, Korean (Barbecue), Chinese (Dim Sum), Thai (Papaya Salad) – und für die am besten designten Etiketten. Das ist doch mal ein auf allen Ebenen alternativer Ansatz!

Und damit schließe ich die Weinpresse bis zum nächsten Mal. Wer weiß, vielleicht kann ich dann bereits von der neuen Rekordfrühernte am 20. August berichten…

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