Es ist etwas anderes, ob ich einen Wein im Laden kaufe und ihn zu Hause trinke. Oder ob ich dort hinfahre, wo er entsteht, ob ich mit den Menschen spreche, mir den Keller anschaue, die Landschaft, die Erde, welche die Trauben hervorbringt. Das erweitert nicht nur in einem analytischen Sinn das Verständnis über Zusammenhänge. Sondern es vermittelt auch einen Einblick in eine Dimension, die analytisch so schwer zu fassen und für denkende Wesen wie uns doch so ungemein wichtig ist. Nennen wir sie “die Seele des Weins”. Ich bin deshalb zur Domaine Montirius an die Südrhône gefahren, habe mit Winzer Eric Sorel gesprochen und mit seiner Tochter Manon, habe Weine probiert und bin schließlich in die Landschaft gefahren, zu den Parzellen.
Der Kontakt zur Domaine Montirius ist ein bisschen durch Zufall zustande gekommen. Ich hatte Manon auf der 501 Bio-Dyn-Weinmesse diesen Mai in München getroffen. Wir haben uns nett unterhalten, ich habe die Weine probiert, und dann ist mir eingefallen, dass ich im September ja in der Nähe an der Südrhône sein würde. Normalerweise ist die Ernte natürlich ein ganz schlechter Zeitpunkt, um ein Weingut zu besuchen. Aber Manon meinte nur, “ach, kein Problem, da sieht man wenigstens mal, dass gearbeitet wird.” Sie spricht neben Französisch und Englisch übrigens ausgezeichnet Deutsch, das nur zur Ergänzung. Wahrscheinlich auch noch Spanisch, Arabisch und Chinesisch, aber das habe ich dann doch nicht mehr gefragt.
Und so stand ich neulich nach ein paar Autokilometern über holperige Feldwege vor dem einzigen Haus weit und breit. Eric hatte zwar jede Menge zu tun, aber “doch doch, den Keller muss man wenigstens kurz gesehen haben!”. Letztlich zeigte er mir eigentlich alles und erzählte dabei über das Weingut.
Montirius ist ein relativ großes Weingut, durch “glückliche Fügung”, wie Eric sagt, auf die Größe von 63 ha gewachsen. “Das sind die Reben von meinen Eltern, von den Eltern meiner Frau Christine, dann gab es noch eine alleinstehende Tante – und ein bisschen habe ich schließlich auch dazugekauft.” Seit 1996 wird Montirius bereits biodynamisch bewirtschaftet, seit 1999 auch zertifiziert (Mitglied bei Biodyvin). 15 Weine gibt es insgesamt im Portfolio. Wer etwas mehr wissen möchte, kann alle erdenklichen Infos auf der immens informativen Website finden. Schaut unbedingt rein, etwas Vergleichbares habe ich bislang sehr selten gesehen!
Montirius (ein Kunstname übrigens, zusammengesetzt aus drei Vornamensilben der drei Kinder von Christine und Eric) befindet sich offiziell auf dem Gemeindegebiet von Sarrians, aber von einem Ort ist nichts zu sehen. Es gibt 8 ha Reben auf einer von Wald umkränzten Hügelkuppe, ein relativ bescheidenes Wohngebäude und einen Wirtschaftstrakt, auf drei Ebenen in den Hang hineingebaut. Das Haus sieht noch ziemlich neu aus.
“Ja”, sagt Eric, “das haben wir selbst gebaut. Vorher war hier gar nichts.” Und warum sind sie dann ausgerechnet hierhin gezogen? “Naja, Ende der 90er Jahre war eine ziemliche Umbruchphase bei uns. Wir hatten ja alles auf biodynamische Wirtschaftsweise umgestellt, das Weingut war schon recht groß, aber wir hatten immer noch ein sehr beengtes kleines Haus mitten in Vacqueyras. Geeignete Häuser waren damals ziemlich teuer, und als ich einmal hier auf diesem Hügel war, da habe ich sofort das Gefühl gehabt, ja, das ist der richtige Ort für uns. Also habe ich versucht, das Grundstück zu kaufen, dann das Haus gebaut, dann die Reben angepflanzt, alles nach und nach. Was interessant ist, also à propos richtiges Gefühl: Der Untergrund, den man hier sehen kann, besteht oberflächlich betrachtet nur aus Sand und Kieselsteinen. Aber darunter befindet sich eine Schicht aus Montmorillonit, eine Tonblase sozusagen, der beste Unterboden überhaupt. Genau wie bei Pétrus!” Da muss er schon ein bisschen lachen. “Naja, wir tun unser Bestes…”
In dieser Parzelle auf der Hügelkuppe, “Le Clos” genannt, hat heute die Ernte begonnen. So ein Weingut von dieser Größe ist eigentlich ein mittelständisches Unternehmen. “Wir von der Familie arbeiten hier”, sagt mir Manon später, “dann drei im Büro, ein Kellermeister und sechs Angestellte für die Weinbergsarbeit. Die Parzellen sind ja zum Teil ganz schön weit verstreut. Jetzt zur Erntezeit kommen noch einmal 25 Leute dazu.”
Die ersten Trauben sind gerade auf dem Sortiertisch (table de tri) gelandet, und irgendwie wird da schon deutlich, worum es den Sorels geht: Qualität. Das ist einfach ein hochprofessionelles Weingut, nur eben noch mit der biodynamischen Komponente als besonders umweltschonender und sorgfältiger Variante. Es überrascht mich dann auch wenig, dass Eric meint, er sei ein “praktischer Biodynamiker”.
Aber eine große Besonderheit gibt es dann doch, es ist auch quasi als Statement hinten auf allen Weinetiketten zu finden: “100% non boisé”, also kein Holz. Warum das? “Nun”, meint Eric, “als wir hier angefangen haben, war das gerade die große Zeit der Barriques, ‘Parker-Geschmack’ sagen einige Leute auch dazu. Also möglichst viel in neuem Holz ausbauen. Mir hat das nie zugesagt. Ich mag keine Holztannine in meinem Wein, sondern mir geht es um die Tannine aus den Traubenschalen, um die Frucht aus den Beeren, sozusagen um den Ausdruck des Terroirs. Und da sind wir auf Betontanks gekommen. Mit richtig überzeugenden Resultaten. Nach ein paar Jahren wollte ich auch mal wieder etwas Holz einsetzen, aber bei den Proben fanden dann alle unsere Kunden den Wein aus dem Betontank wesentlich besser. Naja, dann sind wir dabei geblieben.”
Und habt Ihr auch andere Sachen getestet, Tonamphoren, Betoneier? “Ja, alles ausprobiert. Aber im Ei ist mir der Wein zu ätherisch geworden. Ich mag die Weine lieber terrestrisch, also ein bisschen fester. Abgesehen davon gibt es natürlich große Unterschiede, die weniger in der Form des Ausbaugefäßes liegen als vielmehr im Verhältnis zwischen Höhe und Breite. Meine Betontanks sind hier ziemlich flach, was bedeutet, dass sie eine große Oberfläche haben. Sehr wichtig für unsere Weine. Wären die Tanks hoch und schmal, würden die Weine ganz anders schmecken. Weiß und Rosé bauen wir übrigens im Stahltank aus.”
Dass hier spontan vergoren wird, dass nicht geschönt wird, dass die Schwefelgaben weit unter der zulässigen Grenze liegen – eh klar. Wir sind hier bei einem Musterbetrieb, nur falls das noch nicht klar geworden sein sollte.
In einer Art Mini-Büro im Weinkeller stehen ein paar Flaschen, fortlaufend nach Datum sortiert. Was hat es denn damit auf sich? “Ah ja, noch etwas ganz Wesentliches! Da geht es um die Maischestandzeit. Ich habe da keine festgelegte Dauer, sondern mache das alles mit Ausprobieren und natürlich auch mit Erfahrung. Mir geht es um die Ausgewogenheit, die Balance zwischen Frucht, Tannin, Alkohol. Die Weine dürfen nie zu ruppig sein und auch nicht zu alkoholisch. Also fülle ich jeden Tag eine Flasche ab, und wir probieren, wie weit der Most schon ist auf dem Weg zu diesem optimalen Balancepunkt. Wenn dieser Zeitpunkt dann näher rückt, ziehe ich dreimal am Tag eine Flasche, morgens, mittags und abends. Und dann ist es irgendwann soweit, um abzupressen. Wir nennen das ‘la naissance d’un vin‘, die Geburt eines Weins.”
Damit verabschiedet sich Eric wieder zur Ernte, nicht ohne mir vorher ein paar der Parzellen von Montirius in die Karte eingezeichnet zu haben, die ich später besuchen möchte. Gelegenheit also, Manon noch etwas zu dem Weingut zu fragen, während ich die Weine probiere.
Welche Verkaufsstrategie habt Ihr, wo möchtet Ihr Eure Weine stehen sehen?
“In erster Linie im Weinhandel und in Restaurants. Die grande distribution, also die Supermärkte, sind nichts für uns. Unsere Weine sind erklärungsbedürftig…”
Aber nein, das sind doch ganz pure, elegante, unfreakige Weine, wieso müsste man die erklären?
“Naja, erklären muss man weniger den Geschmack als vielmehr die Preisgestaltung. Also bevor es überhaupt erst zum Geschmackstest kommen kann. Im Supermarkt stehen doch die Weine alle nebeneinander, und es gibt keine Beratung. Da kostet dann der Vacqueyras von xy 7 € und unserer 17 €. Das bedeutet, dass niemand unseren Wein nimmt, weil er nicht wüsste, warum er für offensichtlich dieselbe Sache mehr als doppelt so viel ausgeben sollte. In Frankreich wird immer noch sehr viel auf die AOP geachtet, also die Herkunftsbezeichnung, was an sich ja auch ein vernünftiges Modell ist. Aber da werden dann mental Weine zusammengeworfen, nur weil sie aus derselben Region stammen.”
Und wie versucht Ihr Euch davon abzuheben?
“Erst einmal durch das einheitliche Erscheinungsbild der Etiketten. Und dann dadurch, dass wir unseren Gutsnamen und den Weinnamen in den Vordergrund stellen. Es ist dann eben ‘Le Clos von Montirius’ oder ‘Le Confidentiel von Montirius’ und nicht ‘ein Gigondas’. Aber das alles ist natürlich wesentlich einfacher, wenn jemand dazwischengeschaltet ist, der uns und unsere Weine kennt. Also Gastro und Fachhandel sind schon die idealen Partner für uns…”
Und welcher Wein verkauft sich dann am besten? Viele Weingüter haben ja einen Basiswein als cash cow…
“Ja, das ist bei uns ein bisschen anders. Am besten verkaufen sich Garrigues und Terre des Aînés, das ist also mindestens der mittelpreisige Bereich. Aber das sind eben Weine, die für die Kunden sozusagen unser Weingut repräsentieren, unseren Stil, unseren Ansatz.”
Und diesen Ansatz probiere ich jetzt. Ich nehme Euch dafür aber mit auf die Reise zu den einzelnen Parzellen, denn wenn man schon einen so starken Terroir-Ansatz fährt, dann ist es doch am besten, beim Genießen der Weine auch die entsprechende Umgebung vor Augen zu haben. Das passiert aber erst in Teil 2 dieser Reportage…
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