Nicht immer gelingt es mir, meine Themen richtig gut auf die aktuelle Jahreszeit abzustimmen. Diesmal schon. Gerade erst war Aschermittwoch, und – schau an – da komme ich schon mit einem Artikel über alkoholfreie Biere. Im Mittelalter hätte man mir für diese feine Koinzidenz aber vermutlich den Vogel gezeigt. Denn die Mönche mit ihrem “Flüssiges bricht Festes nicht” konsumierten nämlich ausgerechnet in der Fastenzeit die stärksten Biere. Heutzutage bedeutet “Verzicht” in der Fastenzeit für die meisten Menschen, die sich daran halten, Verzicht auf Süßigkeiten, auf Fleisch, auf kalorienreiche Speisen oder eben auf Alkohol.
Alkoholfreie Biere sind – das muss ich hier deutlich sagen – etwas Gewolltes und nicht etwas Gewordenes. Beim “echten” Bier wird gemälztes Getreide in Wasser gegeben und erhitzt. Dabei wandeln die Enzyme, die beim Keimen im Getreidekorn gebildet wurden, die Stärke in Malzzucker um. Dann wird Hefe dazugegeben, und jene wandelt wiederum bei der Gärung den Malzzucker in Alkohol um. Will ich das nicht so haben, weil ich den Alkohol nicht mag, muss ich irgendetwas anders machen. Also entweder die Gärung normal durchführen und nachher versuchen, den Alkohol wieder zu entziehen oder den Prozess so steuern, dass der Alkohol gar nicht erst entsteht. Das ist tricky, und so sehr wir uns auch anstrengen, irgendein Element, das wichtig ist für den Geschmack, bleibt immer ein bisschen auf der Strecke. Es gibt dabei eine Reihe ziemlich technischer Verfahren wie das Hefe-Kälte-Kontaktverfahren, die Umkehrosmose, die Hefe-Säurebakterien-Mischgärung und wasweißichnoch, aber uns interessiert hier ja weniger die Technik im Detail als vielmehr das Ergebnis.
Um mit meinen sechs Bieren einen Querschnitt durch die alkoholfreie Bierwelt hinzubekommen, bin ich zunächst zum Biomarkt um die Ecke gegangen und habe da zwei in diesem Segment relativ weit verbreitete Gebräue erstanden, die Dunkle Weiße der Neumarkter Lammsbräu und das alkoholfreie Riedenburger Dinkel. Dann schaute ich ein bisschen im Internet nach, welche alkoholfreien Biere in bisherigen Tests gut weggekommen waren. In der Wirtschaftswoche testete der hochgeschätzte Sommelier Gerhard Retter und fand zwei Sieger mit je 17 Punkten, das Jever Fun und das Störtebeker Frei-Bier. Auch beim FAZ-Test bekam das Störtebeker honorige 16 Punkte, das Jever dagegen nur 12, aber egal, diese beiden mussten dabei sein. Schließlich suchte ich noch den lokalen Fachhandel auf und erstand zwei Biere aus der fränkischen Nähe, nämlich das Wiethaler Hefe-Weizen und den Weißen Franken von der Ritter St. Georgen Brauerei. Fertig war die Testreihe.
Und das sind die Ergebnisse:
Jever Fun
13 kcal pro 100 ml, das ist rekordverdächtig wenig. Und seien wir ehrlich, deshalb trinken wir doch am liebsten Bier: um abzunehmen. Hell pilsig in der Farbe, in der Nase eine Note, die im FAZ-Test als “Leim” und “Marzipan” bezeichnet wurde. Ich selbst hatte dafür allerdings vor einiger Zeit den Fachbegriff “börpsig” entwickelt, der versucht, diese gleichzeitige Präsenz von Bitterkeit, frisch getrocknetem Putz an der Kellerwand, imaginären 70er Jahre-Arbeitskollegen im Rollkragenpullover und aufsteigender Peristaltik zu vermitteln. “Börps” ist sozusagen der Kontrapunkt zu “Prost”. Jetzt habe ich das Jever aber wortmalerisch viel zu schlecht gemacht. Der Hopfen ist nämlich durchaus kräftig vorhanden, und den braucht das Bier auch. Der Körper fehlt nämlich fast völlig, was einen richtig fastenmäßig lustfeindlichen Eindruck vermittelt, und da macht der Hopfen einfach den Geschmack. Nicht ganz daneben, aber auch nicht wirklich schön. Gnadenplatz 2. Traut man sich fast nicht zu schreiben.
Störtebeker Frei-Bier
Wesentlich dunkler als das Jever, oktoberfestfarben goldig, dafür in der Nase weniger ausgeprägt. Im Mund bin ich wirklich überrascht, und zwar positiv. Dieses Nordlicht hat nicht nur einen richtig guten und frischen Hopfen mitgebracht, sondern es besitzt auch einen ausreichende Präsenz, eine gewisse Cremigkeit und dabei keinerlei ascorbinsäureartige Fehltöne. Eindeutig als richtiges Bier ohne Wenn und Aber zu erkennen, nur etwas mager halt, aber das sollte einem bei alkoholfreien Bieren ja klar sein. Platz 1, aber sowasvon.
Wiethaler Hefe-Weizen
In der Farbe altgold bis hellamber, ich vermeine gar grünliche Reflexe zu entdecken. Der Geruch ist malzig und ein bisschen säurekünstlich, jedenfalls nicht wie bei einem Weizen. Im Mund schmecke ich Zitrone, dann einen gewissen Landbiermalzcharakter, daneben allerdings auch etwas wie Sellerie mit Pappkarton. Körper und Cremigkeit sind dafür im oberen Mittelfeld angesiedelt. Geschmacklich alles andere als ein Weizenbier echter Provenienz, aber man kann sich zur Not daran gewöhnen. Platz 3, seufz.
Ritter Weißer Franke
In der Farbe trüb und orange-bräunlich, also kein ganz helles Weizen, sondern fast in Richtung Schneider. In der Nase spüre ich die originale Bananennote, dann aber wiederum etwas Verfahrenstechnisches aus dem Säurebaukasten. Der Antrunk ist hingegen schmackhaft, das Bier geriert sich wie ein echtes, leicht dickflüssiges Weizen, wird im weiteren Verlauf dann aber dünner, esteriger. Gäbe es nur den Anfang, wäre dies ein gutes Bier. Platz 4 insgesamt.
Riedenburger Dinkel
Die Flaschenform weicht ab, bauchig und kleinvolumig. Von der Farbe her haben wir hier ein eigentlich pilshelles, aber naturtrübes Produkt vor uns. Beim Schnuppern muss ich kurz ein bisschen lachen. Ganz stark kommt da ein sehr helles Malzbonbon entgegen, dazu original gekochte Süßkartoffel. Natürlich ist keine drin, das weiß ich auch. Im Mund erscheinen zunächst leicht fruchtesterige Noten, dann folgt viel Wasser, dann für einen kleinen Moment ein feiner Getreidegeschmack, dann aber wieder viel Flüssigkeit ohne alles. Platz 6, leider. Dolden Dark und Michaeli Dunkel derselben Brauerei leben auf anderen Geschmackssternen.
Lammsbräu Dunkle Weiße
Beeindruckend in der Farbe, ein dunkelrötliches Amber. In der Nase gibt es Röstmalz und viel Süße. Auch bei diesem Weizen macht der schnelle Antrunk am meisten Spaß. Da gibt es viel Röstigkeit, bevor es dann leider ins Süßsäuerliche abgleitet und mit Ascorbinmelasse langsam in das wieder anständige Finale von Wasser, braunem Brot und Malzauszügen überleitet. Platz 5 für die ansonsten sehr geschätzten Oberpfälzer.
Das Fazit
Moment, ich hole ein bisschen aus: Als Jungen vom Land mussten wir am Wochenende, wollten wir irgendwo unter Gleichaltrigen sein, immer mit dem Auto fahren. Bevor wir 18 waren, hatten wir einen etwas Älteren in der Clique, der schon Auto fahren durfte und eh keinen Alkohol trank. Später dann bekamen wir immer mal die Autos der Eltern geliehen. Einer von uns wurde deshalb vorher zum “Fahrer” erklärt, der sich dann den Abend über an Softdrinks labte. Stefan wählte in diesem Fall stets alkoholfreies Bier. Clausthaler, viel mehr gab es in diesem Segment damals nicht. Das habe ich zwar auch probiert, aber für derartig scheußlich befunden, dass mein Getränk der Wahl immer Bitter Lemon war. Nicht weil ich das besonders gern gemocht hätte, aber zwischen Not und NotNotNotElendElendElend habe ich dann lieber die Not gewählt.
Ich fürchte, vor einem solchen Problem würde ich wieder stehen. Der Test war hart, subjektiv empfunden. Und ich bin wirklich nicht glücklich. Ich mag kein Bashing, weder hier auf dem Blog noch sonst im Leben. Ich mag das vor allem deshalb nicht, weil es irgendwie impliziert, dass man sich als Richter über die Dinge stellt. Aber wenn ich die getesteten Getränke nach ihrer Anordnung im Bierkosmos betrachte, dann waren sie grauenhaft. Offenbar ist es ungeheuer schwer bis unmöglich, alkoholfreie Biere herzustellen, die gustative Eigenschaften wie ihre volumengestärkten Vettern besitzen. Das erscheint mir vor allem deshalb ersichtlich, weil ich die anderen Produkte der jeweiligen Brauereien gut kenne.
Es gab für mich in diesem Test ein einziges Bier, das ich wirklich guten Gewissens und auch mit spektakulärem Abstand empfehlen kann, und das ist das Störtebeker Frei-Bier. Alle anderen empfand ich als komplett indiskutabel.
Nehme ich allerdings den “Alkoholfrei-Kosmos” als Maßstab, so wie das die anderen Tester in WiWo und FAZ gemacht haben (wie käme man sonst auf 17 Punkte?!), würde ich sagen, dass das Störtebeker der Himmel, das Wiethaler und das Jever die Himmelsleiter waren und der Weiße Franke und das Lammsbräu zumindest einen schönen Antrunk hatten. Insgesamt scheinen mir hopfenbetonte, pilsartige Biere noch am ehesten für die Alkoholfreiheit geeignet.
Dennoch werde ich von wirklich alkoholfreiem Bier auch weiterhin die Finger lassen. Es gibt es paar schöne Leichtbiere, unter anderem tatsächlich von Lammsbräu, vom Lindenbräu aus Gräfenberg und ein besonders schönes, nämlich das Biolégère von Dupont aus Belgien sowie vermutlich ein paar Geheimtipps aus Tschechien. Das sind Schankbiere mit vielleicht 3 vol%, die aber erheblich besser schmecken als diese Alkoholfreien. Meilenweit.
Das löst das Problem allerdings nicht, denn ich hatte hier ja nach einem alkoholfreien, nicht fruchtigen und nicht zuckrigen Getränk zur Speisenbegleitung gesucht. Advanced Erwachsenengeschmack halt. Was mache ich also? Ja, Störtebeker trinken, okay. Ansonsten aber eher auf den Biergeschmack verzichten. Wasser trinken. Tee, Genmaicha zum Beispiel. Mate. Fassbrause müsste ich mal testen, vielleicht gibt es eine weniger süße. Jedenfalls geht die Suche weiter… Oder hat jemand eine bessere Idee?
Bitter Lemon ist dazu da, Wodka drin aufzuteilen.
Und Fun hat mein Schriftführer auch ohne Jever Fun.
Aber Vorsicht, der Chinese… https://dinkelschnitte.files.wordpress.com/2012/05/jever-002.jpg
Iss’ halt so – “Alkfrei” ist im wesentlichen kein Bier, sondern die besseren immerhin “Isotonische Getränke”.
Unter dieser Prämisse kann ich ab und an eine – Unertl Bio-Dinkel-Weisse Alkoholfrei – im Sommer auf der Terrasse … durchaus trinken, wie auch empfehlen.
Als Speisenbegleiter z.B. zu Würstl mit Kraut, Schweinebraten, od. ähnl. Klassikern der Altbayerischen Küche, muss dann aber zwingend ein richtiges Bier ran.
Auf der Biofach hat Riedenburger das “Dolden Null” vorgestellt, ein alkfreies IPA. Kommt wohl erst im Sommer in den Handel. ich fand das ganz ok. Wäre interessant, wie du das in diesem Kontext bewerten würdest.
Ja, die Szene schau ich mir im Sommer nochmal an.
Pingback: Schmausepost vom 10. März | Schmausepost
Mensch Matze, ich tu mich schwer damit, dass du eine Dunkle Weiße mit einem Pils vergleichst. Damit tust du Lammsbräu unrecht.
Darf ich dich einladen, dir mal die ganze Palette der Alkoholfreien von Lammsbräu zu probieren?
Ich bin begeisterte Biertrinkerin und habe mich zuerst vor 9 Jahren und dann wieder vor 2 Jahren aus Gründen durch das alkoholfreie Sortiment getestet. Vor 9 Jahren war es grauslich, da gab es nur ein erträgliches alkoholfreie Bier: Lammsbräu Zisch. Dann ganz lange nix. Und dann süße Plörre.
Und nun gibt es nicht nur das äußerst leckere, pilsige Zisch, sondern auch noch die alkoholfreien Hefe und anderen Sorten von Lammsbräu. Außerdem noch Störtebeker und dann noch eine Sorte mit gelb auf dem Etikett (sorry, wwar ein langer Tag)
Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass ich heutzutage unter der Woche genausogerne ein alkoholfreies Zisch oder Weiße trinke wie eins mit Alkohol
Ja, das kann ich verstehen, dass Du Schwierigkeiten mit einem Kraut- und Rüben-Vergleich hättest. Ich habe das vielleicht nicht so genau geschrieben, aber ich hatte die Biere nicht wirklich gegeneinander getestet, sondern in ihrem jeweiligen bierigen Kontext – und wie sie sich darin schlagen. Die Lammsbräu-Biere leben ja ganz allgemein von ihrer generösen Malzigkeit, der eigenen Mälzerei sei dank. Und bei solchen eher körperreichen Bieren scheint es besonders schwierig zu sein, den Charakter in die alkoholfreie Version zu übertragen. Eigentlich auch logisch. Aber ich werde bei sommerlicheren Temperaturen noch einmal intensiver testen. Dann nehme ich gern das alkoholfreie Zisch mit dazu.
Korrigiere: das Alkoholfreie, das ich meine, heisst Pils, nicht Zisch. Zu malzig kann ichs auch nicht haben.
Apropos: Wenn du Lust auf bestimmte belgische Abteibiere hast, ruf rüber. Wir kommen da häufiger vorbei. Neulich erst Omer.
Leider hat Störtebeker wohl im Zuge der neuen Gestaltung auch die Rezeptur verändert. Im aktuellen Freibier ( mit neuem Logo ) erscheinen auf 100ml 4,1 gramm zucker. Im alten Bier 0,5 Gramm. Heisst: statt 2,5 Gramm pro Flasche schlummern da jetzt 20,5 Gramm reiner Zucker. Also eher ein Softdrink.
Uff. Wenn das tatsächlich so sein sollte, wäre es wahrhaftig unschön… Ich komme Ende der Woche wieder in “meinen” denn’s mit dem großen Störtebeker-Sortiment. Mal nachschauen, ob da noch die alte Version steht…
Es scheint so, dass sich da die Nährwerte des BernsteinWeizen alkoholfrei aufs Etikett gemogelt haben. Ich wart noch auf eine Bestätigung.
So wurde es mir nun von Störtebecker bestätigt: Auf den ganzen FreiBier Etiketten sind fälschlicherweise die Nährwerte des alkoholfreien Weizen. Also alles beim alten.
Na dann 😉
Liebe Biertrinker*innen,
schön, wenn weniger Alkohol drin ist. Trotzdem ist Glyphosat drin. Weil Bier aus Getreide, meistens Gerste hergestellt wird.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/stiftung-warentest-fast-alle-alkoholfreien-biere-enthalten-glyphosat/22592098.html
Mann / Frau kann die eigene Lieblingsbrauerei sensibilisieren, indem man einfach mal nachfragt, wieviel Glyphosat denn drin ist in den Bieren und was das Unternehmen dagegen zu tun gedenkt.
Prost!
Thomas Riedl
Soweit ich weiß (lasse mich aber gern korrigieren), ist Glyphosat beim ökologischen Landbau nicht zugelassen, was bedeutet, dass die Bio-Biere von Riedenburger, Lammsbräu und Störtebeker bei mir im Test keine Glyphosatrückstände enthalten sollten. Aber wer gern “konventionelles” Bier trinkt 😉 , da kann Nachfragen sicher helfen. Interessanterweise, das habe ich allerdings nur aus zweiter Hand gehört, hatte ein Manager einer der größten deutschen Brauereien kürzlich erzählt, dass sie dort sehr schnell auf glyphosatfrei umstellen könnten, wenn das Mittel denn verboten werden würde. Das sind halt harte Handelsverträge wie bei den Discountern. Da hätten es viele kleine Brauereien mit ihren langfristig partnerschaftlich verbundenen “CSU-Bauern” wesentlich schwerer. Wie gesagt, ist nicht von mir, aber irgendwie ganz interessant…