…für einen gelungenen Aufenthalt in Frankreichs Süden. So möchte ich diesen Artikel benennen, damit er bei Google keywordlos herumdümpelt. Übrigens: Immer noch mein bislang erfolgreichster Blogpost ist dieser hier: 96.899 Aufrufe, und jeden Tag werden es mehr. Und der erfolgloseste ist dieser hier: 5 Aufrufe aus der ganzen Welt. Warum nur? Aber zurück zum Thema. Verhaltensregel 1: Beachtet die vielfältigen Welten in Eurer Umgebung, es lohnt sich wirklich. Manche werden Euch beißen am Feigengebüsch, andere stechen, wenn Ihr sie aus dem Swimmingpool retten wollt, aber wieder andere sitzen einfach nur da und sehen interessant aus.
Verhaltensregel 2: Geht in einen kleinen Supermarkt wie jenen auf dem Foto, begebt Euch vor die Fischtheke und schaut Euch an, was es hier am Samstag gibt (Ihr könnt auch ein kleines Notizbuch mitnehmen und die Namen aufschreiben, so wie ich es bei nämlichem Supermarkt gemacht habe):
- Bar – Seebarsch
- Cabillaud – Kabeljau
- Dorade Royale – Goldbrasse
- Dorade Sébaste – Rotbarsch
- Eperlan – Stint
- Espadon – Schwertfisch
- Flétan – Heilbutt
- Grondin – Knurrhahn
- Julienne – Leng
- Lieu noir – Köhler
- Limande – Rotzunge
- Lotte – Seeteufel
- Loup de Mer – Wolfsbarsch
- Maquereau – Makrele
- Merlan – Wittling
- Morue – Dorsch
- Plie – Scholle
- Requin Peau Bleu – Blauhai
- Roussette – Katzenhai
- Saumon – Lachs
- Sole – Seezunge
- Tacaud – Franzosendorsch
- Thonine – Kleiner Thun
- Truite – Forelle
- Encornet – Kalmar
- Poulpe – Krake
- Seiche (2 verschiedene) – Sepia
- Bulots – Wellhornschnecken
- Crevettes (3 verschiedene) – Garnelen
- Moules – Miesmuscheln
- Huitres – Austern
Anschließend weint Ihr ein bisschen, wenn Ihr an die harten Seelachsbrocken aus der Gefriertruhe denkt, die es in Eurem Stamm-Supermarkt im Barbarenland gibt.
Verhaltensregel 3: Ihr geht auf einen Wochenmarkt irgendwo in der Nähe, sagen wir samstags nach Ste-Cécile-les-Vignes, das genügt vollkommen. Dort ersteht Ihr Zucchini, Ei, Salers-Käse, Olivenöl, Knoblauch, Kapern, eine Zitrone, Pfeffer und Salz – und einen Fisch von der Liste. Anschließend bereitet Ihr daraus ein Originalgericht von Tommy Myllymäki zu, bratet den Fisch auf dem Mini-Gaskocher, fühlt Euch großartig und vermantscht die Sachen so, dass sie nicht mehr fotogen sind. Schmeckt trotzdem überraschend gut.
Verhaltensregel 4: Ihr lauft ein bisschen in der Garrigue zur Mittagszeit herum. Anschließend kauft Ihr Euch einen südlichen Rotwein mit mindestens 15 vol% wie diesen hier von der Domaine Viret. Ihr denkt an die Garrigue zurück und begreift auf einmal, was die Kraft der Sonne bedeutet und dass dieser Wein hier die Sonnenkraft des ganzen Sommers in sich trägt. Er wird Euch anschließend viel besser gefallen.
Verhaltensregel 5: Sucht im Internet, blättert in Broschüren, gondelt durch die Landschaft – und haltet nach einem Schild Ausschau, das auf einen “producteur” hinweist. Das kann ein Feigenbauer sein, eine Ziegenhirtin oder diese wirklich exzellente Backstube, die Biscuiterie de Provence in St-Maurice-sur-Eygues. Schaut Euch die ganzen Keksle im Laden an, lest die Rückseiten der Packungen und stellt fest, dass es hier Null Komma Null Scheiß in den Produkten gibt. Meine erklärten Apéro-Lieblinge zum Beispiel, die Roquefort-und-Nuss-Biscuits: 40% Mandeln, Eier, 16% Roquefort AOP, Zucker, 6% Walnüsse, Salz, Pfeffer. Das war’s. Kein Sägemehl, keine E-Stoffe, kein versteckter Zusatz.
Verhaltensregel 6: Geht doch endlich mal in einen dieser Bio-Supermärkte, mit denen ich Euch die ganze Zeit schon nerve. Biocoop Aubenas zum Beispiel. Das sind die einzigen Läden, die noch die Entscheidungskraft besitzen, auch mal ganz kleine und ganz lokale Produkteure mit aufzunehmen. Brauereien mit einem Jahresausstoß von 100 Hektolitern, den Kaffeeröster aus dem Nachbardorf – oder hier: die Olivenöle der Familie Berneau, sortenrein Aglandau, Bouteillan, Cailletier, Négrette, Rougette. Wo gibt’s sowas denn noch?
Verhaltensregel 7: Nehmt Kontakt mit Einheimischen auf. Irgendwen wird es immer in der Nähe geben, dem oder der ein weicher Platz auf dem Badetuch, ein Schüsselchen Happa oder eine kleine Streicheleinheit gefallen.
Verhaltensregel 8: Sucht Euch einen Ort aus, an den Ihr jeden Morgen um dieselbe Zeit gehen könnt, um ein Foto zu machen und etwas in die Landschaft zu schauen. Das hat etwas Rituelles, Kontemplatives – und nachher werdet Ihr Euch wundern, wie unterschiedlich die Ausblicke doch waren. Oben am 6. September um 7:24 Uhr…
…und unten am 16. September um 7:53 Uhr. Regen ist gefallen, der Bach hat sich verbreitert, der Herbst scheint gekommen.
Verhaltensregel 9: Unternehmt eine Wanderung, um Eure Umgebung noch etwas besser kennenzulernen. Vergesst nicht das Wasser und die Keksle von Regel 5, eine Wanderkarte und Sonnenschutz sind auch nicht schlecht. Ein Einheimischer von Regel 7 hat sich hier zwecks Kontaktaufnahme auf meine Hose gesetzt, ein Ockerbindiger Samtfalter, um präzise zu sein.
Verhaltensregel 10: Sucht einen Ort auf, der Lebensart ausstrahlt. Und trinkt dort kein Schweppes. Auf dem Foto seht Ihr eines von drei Bistrots de Pays, in das ich gegangen bin, in diesem Fall “Chez Gégène” in Travaillan. Freitag Mittag ist die beste Zeit, denn die Stadtverwaltung kommt dann bereits in Pärchen, und die Handwerker haben dank der 35-Stunden-Woche auch nicht mehr so arg lang bis zum Feierabend. Da wird das Tagesmenü bestellt, an der Bar ein schnelles Durstbier gezischt und anschließend mit Weinkrügen an langen Tischen Platz genommen, für das Essen und für die Wochenend-Vorfreude-Plauderei. Das gibt keinen Michelin-Stern, aber viele Punkte auf der “Kundenkarte für den gelungenen Aufenthalt im Süden Frankreichs”.
Zum Abschluss noch ein kleines Suchbild: Welche Einheimische will hier dem Autor dieser Zeilen zeigen, dass sie ganz schön sportlich ist?
Fein, kann ich so unterschreiben… Noch eines hätte ich hinzuzufügen: ein freundliches “Bonjour” auf Wanderungen bringt einen zu tollen und überraschenden Gesprächen. Das Sich-Grüßen scheint aber leider aus der Mode zu kommen…
… also, btw., ich finde den Königlich Englischen Hofherd “Belling Compakt Auto Deluxe”, der bisher bei deiner Leserschaft so wenig Anklang fand, designtechnisch einfach g*e*i*l – tja, die Welt war 2010 einfach noch nicht bereit für derartige Preziosen.
Nennst du dieses Prachtstück dein Eigen, oder durftest du nur probehalber damit kochen?
Probehalber. Ich war für einen guten Monat in Weston-super-Mare, über das ich vorher nur Schlechtes gelesen hatte. Hat sich – im November ohne grölende Kegelclubs – alles überhaupt nicht bestätigt, es war richtig schön dort. Der Königlich Englische Hofherd gehörte einem älteren Herrn, der ein paar sehr typische Gästezimmer eingerichtet hatte: dicke Teppiche, Stofftapeten, zugige Schiebefenster, sehr weiche Matratzen – und den “Meter”, in den man immer Pfundmünzen werfen musste, damit der Strom anbleibt 😉 Kurzum: So lovely, würde ich immer wieder hingehen.
Kaltes Etagenbad, dafür sicher mit original towel rail …. Oh yes, lovely Britannia, isn’t it?
Und natürlich immer zwei Wasserhähne an den beiden entgegengesetzten Enden des Waschbeckens 😉 Ich hatte es glaube ich schon mal woanders geschrieben: Eine polnische Hotelangestellte, die ich dort traf, hat ein wenig mit ihrem Schicksal gehadert. Warum denn alle Hotels immer so alt, knarrend und run-down sein müssten, gefährliche Vorkriegs-Elektrik inklusive… Aber gut, wenn man (wie ich) nicht den gesamten Winter dort verbringen muss, finde ich es in der Tat eher charmant als schrecklich. Okay, Minimal-Voraussetzungen wie bettwanzenfrei sollten schon erfüllt sein 😉