Alle reden immer nur über die Provence, wenn es um den klassischen Süden Frankreichs geht, um Märkte, Knoblauchzöpfe, bunte Tücher. Das Drôme als Hauptreiseziel statt als Durchfahrregion kennen dagegen nur die Holländer – denn das sind die mit Abstand zahlreichsten unter den insgesamt nicht überbordend vielen Touristen hier. Dabei ist es im Drôme nicht nur fast genauso attraktiv wie in der Provence, mir gefällt der Landstrich durch die geringere Aufgeregtheit sogar noch deutlich besser. Übrigens heißt es “La Drôme”, die Drôme, aber da ich als Deutscher anders als die Franzosen ja noch einen dritten, sächlichen Artikel zur Auswahl habe, verwende ich ihn einfach mal in diesem Zusammenhang.
Ein Element, das Drôme und Provence gleichermaßen zur Genüge besitzen und das die “ach wie hübsch!”-Reisenden regelmäßig in Wallung bringt, sind die alten Steindörfer auf Felsen in der Landschaft. “Villages Perchés” heißen sie auf Französisch, “Bergdörfer” oder vielleicht besser “Hochsitzdörfer”. Leider bedeutet die verkehrsungünstige Lage in aller Regel, dass diese Dörfer kaum noch von echtem Leben erfüllt sind – wenn man Andenkenläden und Zweitwohnsitzler mal nicht als solches definiert. Oben auf dem Bild seht Ihr Le Poët-Laval.
Was Le Poët-Laval für mich als alten Analytiker so interessant macht, das ist die Zweiteilung des Ortes: auf dem Felsen der zugegeben sehr hübsche aber etwas tote Hochsitz, unten etwas abseits der Durchgangsstraße das “Neudorf”, in dem es das Rathaus gibt, ein “Bistrot de Pays” – und einen wirklich exzellenten Weinladen. “Le Vin Poète” ist dabei nicht nur ein Laden, sondern es sind eigentlich zwei Läden, geführt von einem Ehepaar und ausgestattet mit einem komplementären Angebot. Der eine (auf dem Bild oben) befindet sich in Dieulefit, ist ein bisschen fotogener aber kleiner und wird von der Frau geführt. Der andere befindet sich wie gesagt in Le Poët-Laval, und hier zeichnet sich der Mann verantwortlich. In diesem Laden habe ich “La Grande Ourse” und “La Petite Ourse” von Pascal Chalon erstanden, die ich schon auf Facebook gezeigt hatte. Und weil es in den beiden Läden eine hervorragende Auswahl ungewöhnlicherer Rhôneweine gibt, werde ich zum Abschluss auch noch einmal hinfahren.
Die größte Stadt im Drôme Provençale ist Montélimar, aber die liegt mitten im Rhônetal und hat deshalb dank Verkehrsgebrause so gar nichts von dem, was das Hinterland ausmacht. Das eigentliche Zentrum der ländlichen Ebene ist Valréas, aber auch das zählt nur so halb, denn als seltsame Enklavenkonstruktion gehört es zum Département Vaucluse und damit zur “echten” Provence. Bleibt Nyons, das schmucke Marktstädtchen am Rand der Berge. Es gibt hier einen farbenfrohen Donnerstagsmarkt, allerhand Cafés, am Ende der Altstadt eine alte Brücke mit Blick auf das Tal des Aigues – und Nyons ist namensgebender Hauptort der nördlichsten französischen Olivenappellation. Die Olive von Nyons wird ausschließlich vollreif gepflückt und liefert dadurch ein üppiges, nussiges Öl. Natürlich verwendet man es auch anders als die grasig-bitteren, grün gepflückten Varianten, nämlich eher zum Braten als zu Salaten (was sich zufällig reimt).
In der Regel handelt es sich um die Sorte “Tanche”, aber wie Ihr rechts auf dem Bild sehen könnt, gibt es auch “gemischte Sätze”, in diesem Fall gekauft auf dem Markt von Tulette bei Henri Bayet, seines Zeichens “paysan”. Früher bezeichnete man mit diesem Begriff einfache Bauern, heute hat diese Selbstbezichtigung viel eher etwas mit unabhängigen, solidarischen, handwerklich arbeitenden Landleuten zu tun. Also ein bisschen ein Gegenentwurf zum modernen Landwirt, der den ganzen Tag auf einer Maschine sitzt und seine Pflegemittel bei Monsanto einkauft. Schaut mal auf der Seite Acceuil Paysan nach, da werdet Ihr Gastgeber und Produkteure finden, die in diesem Geist arbeiten. (Oder ladet Euch den Katalog der Produkteure aus der Region Rhône-Alpes herunter.)
Pflegeprodukte, egal ob von Monsanto oder Dr. Hauschka, werden auf diesem Blog eher selten vorgestellt. Die beiden Seifen oben muss ich Euch aber trotzdem zeigen, weil sie für den paysan culinaire von Nutzen sein könnten. Ich habe sie bei Laboratoire des Sources in Souspierre gekauft, einem Weiler zwischen Le Poët-Laval und La Bégude-de-Mazenc. Beide sind bio-zertifiziert. Die linke für den Gärtner werde ich meinem Vater mitbringen, der praktisch jede freie Minute im Gemüsegarten verbringt. Die rechte für oder vielmehr gegen hartnäckige Küchengerüche kann ich jetzt bereits gewinnbringend anwenden wegen des täglichen Knoblauch- und Zwiebelraspelns.
Dass die nördliche Provence das Land des Lavendels ist, wusste ich bereits aus der Literatur. Leider war ich im Juli noch nie hier, um das zur Blütezeit überprüfen zu können. Mittlerweile wird meist die (produktivere) Hybridsorte Lavandin angebaut, aber bei meiner fantastischen Wanderung auf die Montagne de la Lance konnte ich sehen, wo der ganze Lavendelkult seinen Ursprung hat. Hier oben wächst nämlich wilder Lavendel in großen Mengen. Die ganze Hochebene muss im Juli ein lila-duftendes Meer sein. La Lance selbst ist dabei ein Höhenzug zwischen Nyons und Dieulefit, der für den Freund einsamerer Wanderungen den unschätzbaren Vorteil besitzt, dass man das Auto weit entfernt stehen lassen muss. Ich habe in den sechs Stunden hier oben genau zwei Menschen getroffen.
Noch so ein Südduft: Feigenbäume. Feigen mochte ich als Kind nicht so gern, aber seit ich sie hier in ihrer Heimat erlebt habe, egal ob wild am Wegesrand wachsend oder hier in einem Garten in Buis-les-Baronnies, hat sich meine Einstellung stark verändert. Abends an einem Feigenbaum vorbeizugehen und den dampfig-südlich-orientalischen Duft einzuatmen, der von den Blättern ausgeht, hat einfach etwas Magisches. So einen Baum kann es doch eigentlich gar nicht aus Versehen geben.
Märkte sind nach wie vor das A und O für die Nahversorgung vor allem älterer Dorfkernbewohner. Fast jedes Dorf hat hier einmal in der Woche Markt, und selbst auf den kleinsten gibt es immer Saisongemüse aus der Region, Käse, Wurst und Fleisch, frischen Fisch, Oliven und Honig, Brot, Opinel-Messer und natürlich auch Plastiksandalen aus China. Oben seht Ihr den Montagsmarkt von Tulette ganz im Süden des Drôme.
Und hier kaufe ich auf genau jenem Markt gleich bei diesem Bauern alte Tomatensorten ein. Die habe ich zu dieser Jahreszeit auf fast allen Märkten gefunden, es scheint mir tatsächlich so eine Art Mini-Trend zu sein. Natürlich will man danach nie wieder Februar-Gewächshaustomaten essen, aber das Schicksal ist halt manchmal grausam.
Achtung, Service! Oben seht Ihr alle aktuellen Märkte im Drôme Provençale, geordnet nach Wochentagen, Orten und Zahl der Stände. Habe ich auch aufs Handy übertragen und bislang schon wesentlich öfter gebraucht als vorher vermutet.
Dass es im Süden Frankreichs guten Wein gibt, ist ein relativ schlecht gehütetes Geheimnis. Dass man im Drôme allerdings auch richtig gutes Bier brauen kann, das weiß außerhalb Frankreichs vermutlich kaum jemand. Das traditionelle Getreide der Region ist übrigens der petit épeautre, der Kleindinkel wörtlich übersetzt, genauer gesagt das Einkorn. Die meisten hiesigen Biere werden dann aber doch mit Gerste und Weizen hergestellt. Drei kleine handwerkliche Brauereien (nennt sie meinethalben craft brewer) kann ich Euch empfehlen: Einmal Bivouak aus Sainte-Jalle (von der das Bier auf dem Foto stammt), dann La Vieille Mule aus Le Poët-Laval und dann noch La Grihète aus Nyons. Alle drei haben sich übrigens auf obergärige Biere spezialisiert, und zwar in den in Frankreich üblichen Abstufungen Blanche, Blonde, Ambrée und Brune; La Vieille Mule hat dazu noch ein dunkles Weizen im Angebot. Das Weißbier auf dem Foto, Nomad von Bivouak, hat mir gerade an einem heißen Tag besonders gut gefallen: erfrischend, getreidig und weniger bananig, hinten mit einem kleinen säuerlichen Twist, der fast an belgische Saison-Biere erinnert. (Nerdmodus an: Sagen wir genauer, er erinnert mich an solche belgischen Biere aus verschnittenen Suden, obergärig und spontan, wie die Cuvée De Ranke oder das Saison Pipaix. Nerdmodus wieder aus.)
Was mir komischerweise erst bei einem Ausflug auf den Markt von St-Rémy-de-Provence aufgefallen war: Es ist vergleichsweise menschenarm im Drôme Provençale, verkehrsarm, irgendwie sehr erholsam – und damit zusammenhängend auch immer einen Tuck altmodisch. Hier sieht man Gebrauchsautos der 70er und 80er in Erstbesitz über die Landstraßen gondeln, hier hat man vom Internet, von der Globalisierung und von anderen Elementen der modernen Welt oft noch nicht viel gehört.
Nachteil: Die Lindenblütenverarbeiter aus den Baronnies, einstmals die bedeutendsten der Welt, wurden innerhalb weniger Jahre vom Markt gefegt, weil ihnen China als billiger Konkurrenz-Produktionsstandort praktisch unbekannt war. Vorteil: Es gibt sie immer noch, die Ausbildungszentren für Nachwuchs-Boulespieler – siehe Foto. Solange das so ist, solltet Ihr auf jeden Fall die Sachen packen und hinfahren in die “andere”, die nettere Provence. Wer Märkte, Wein und Oliven liebt, dazu Dorfplätze mit Platanen und das Leben unter freiem Himmel, wird hier garantiert auf seine Kosten kommen. Wir sind jedenfalls schon zum vierten Mal hier, und es wird ganz sicher nicht das letzte Mal sein.
Hallo Matze!
Wieder mal ein schöner Bericht. Wie Du weißt schätze ich die Drôme auch und genau deshalb, weil es dort etwas beschaulicher zugeht als in der “richtigen Provence”…..selbst im Sommer. Zudem ist man von dort relativ schnell in der “richtigen Provence”…..wenn man den will. Auch ist die Nähe zur Ardeche für mich interessant, da ich dort auch gerne rumgondele (;-)). Ich weiß ja nicht, wo Du genau dort bist, aber wenn Du noch bleibst und etwas Zeit hast, dann kann ich Dir Samstags den Markt in Uzes ans Herz legen. Er ist relativ groß und dort wirst Du auch Touristen treffen……aber die Kombination von dem Markt, mit vielen Geschäften die Kunst und Kunsthandwerk verkaufen, die teilweise mondäne Anmutung die in krassem Kontrast zu den bäuerlichen Ständen steht und die Tatsache, dass man in den Arkaden der Stadt und des Marktes den Einheimischen dabei zusehen kann, wie sie in den Produkten der Region schwelgen ist für mich immer wieder einen Besuch wert…..
Uzès ist bestimmt toll, aber Samstag unser letzter Tag hier. Mal schauen, vielleicht geht’s Freitag noch mal nach Carpentras auf den Markt, das ist nicht so weit. A propos Ardèche, in Aubenas hat es mir wieder super gefallen. Spontan hab ich gedacht, ich schreibe sofort etwas darüber, aber jetzt ist schon fast eine Woche vergangen… 😉. Jedenfalls war ich zum ersten Mal bei Sabaton und Imbert, den beiden Spezialhäusern für Kastanienprodukte. Der Herbst muss auch
…sehr interessant sein, wollte ich sagen. Zu schneller Finger auf dem Display 😀
Wenn ich dein Post öffne, werde ich mit Ikea-Reklame beschallt ?????
Ehrlich? Das ist wirklich nicht schön. Ich selbst bekomme da ja nie etwas zu sehen und zu hören, aber offenbar braucht WordPress ein bisschen Geld… Das ist halt der Nachteil einer kostenlosen Blogpage (also in diesem Fall für Dich). Ich überlege, ob ich im nächsten Jahr auf eine eigene Page umziehen soll, aber diese vielen Bilder und Artikel, die dann wieder alle neu platziert werden müssten… Naja, mal schauen.