Die Kleinen der Großen – Spätburgunder 2010

TitelIch falle gleich mal mit der Tür ins Haus: Deutsche Spätburgunder haben es nicht leicht mit mir. Irgendwie stimmen meine und ihre Vorstellungen davon, was ein „schöner Rotwein aus dem Norden“ sein kann, nur selten überein. Deshalb habe ich mir für diesen Blind- und Quertest einfach vier „kleine“ 2010er Spätburgunder anerkannt „großer“ Winzer aus Deutschland besorgt, dazu einen Außenseiter und einen echten Burgunder.

Wenn ich sagen soll, was ich denn gegen deutsche Spätburgunder einzuwenden hätte, dann wäre es wahrscheinlich am sinnvollsten, erst einmal meine Vorstellungen vom Idealtypus darzulegen. Also, für mich gibt es eigentlich zwei Idealtypen (wobei Ihr natürlich auch komplett anders denken könnt; das haben persönliche Meinungen nun einmal so an sich): Der erste Typ entspricht in etwa dem, was landläufig als „roter Riesling“ bezeichnet wird. Damit meine ich nicht etwa ein fruchtig-restsüßes Produkt, sondern einen nördlichen, säuerlich-knackigen, leichten Rotwein, der früh genossen werden kann und der Lust auf den nächsten Schluck macht. Der zweite Typ wäre dann für mich die ernsthafte und recht strenge Variante, ein tiefer, farblich wie geschmacklich dunklerer Wein, der schon allein aufgrund seiner Tanninstruktur Lagerfähigkeit andeutet.

Hingegen sind mir Weine mit den folgenden Elementen ein Gräuel: Die Typ I-Verfehlung ist mager und dünn, die Typ II-Verfehlung breitschultrig holzig-aufgemotzt. Was beide seltsamerweise eint, ist dieselbe klebrige Himbeerfrucht und eine komische Viskosität, die überhaupt nicht mit der geringen Tiefe des Produkts einhergehen will und mich irgendwie unwillkürlich an Gummi Arabicum denken lässt.

Nun ist der Spätburgunder eine ziemlich zickige Rebsorte, und wir befinden uns gerade in schwierigen Jahren ziemlich nah an der nördlichen Anbaugrenze. Ergo kann man einen Typ II wahrscheinlich nur in besten Lagen, zudem ertragsbeschränkt und unter Verwendung qualitativ hochwertiger Klone erzeugen. Einen solchen Wein erwarte ich bei Preisen zwischen 10 und 18 € (meine heutige Testzusammensetzung) natürlich nicht. Also hatte ich mich vor dem Probieren ein wenig auf die resche, leichte und knackige Variante eingeschossen. Und das ist das Ergebnis:

Wein 1: Jean-Philippe Marchand, Santenay “Sous le Moulin”, 13 vol%

1 MarchandDies ist zwar ein „echter Burgunder“, aber ganz sicher kein großer. Aus Santenay vom südlichen Rand der Côte de Beaune stammend, sind mir die erzeugenden Weinbauern unbekannt. Jean-Philippe Marchand fungiert in seinem Keller in Gevrey-Chambertin lediglich als négociant-éleveur, also als Ausbauer und Abfüller. Der Wein ist recht dunkel in der Farbe, wobei interessanterweise und gemäß meiner obigen Typeneinteilung drei dunklere und drei hellere Weine beim Test vertreten waren. Die Nase wirkt einerseits erwachsen und kirschig auf nicht primärfruchtige Art, andererseits aber auch seltsam pappig-reduktiv und ein wenig nach altem Fass. Am Gaumen haben wir einen sehr säuerlichen, fleischigen und erstaunlich strengen Wein vor uns, den man sofort als den „Abweichler“ im Quertest erkennen kann. Ein besseres Exemplar (wie der Bourgogne von Claude Dugat neulich – doppelt so teuer allerdings) hätte hier den eindeutigen Sieg davontragen können. So aber bleibt es weniger einladend als erhofft. Platz 4.

Wein 2: Knipser, Pfalz, Blauer Spätburgunder, 13 vol%

2 KnipserEin Holzfassprodukt, mit gut 10 € der günstigste Wein im Test, im Gault Millau aber immerhin mit 86 Punkten bedacht. Auch er gehört zu den dunklen Vertretern. Die Nase erscheint äußerst expressiv, viel Himbeer, viel Frucht, auch Duft, leider aber mit dieser unerfreulich klebrigen Anmutung. Am Gaumen bleibt die Himbeere stehen, die dickliche Viskosität steht irgendwie im Gegensatz zur durchaus kräftigen Säure, während Tannin im Vergleich zum Vorgänger praktisch gar nicht vorhanden ist. Für mich zu sehr auf Oregon getrimmt, ein Neuwelt-Roter, dem ich allerdings ein gewisses Reifepotenzial zutraue. Und das zeigt er dann auch am zweiten Tag. Dennoch nicht mein Stil, Platz 3.

Wein 3: Deutzerhof, Ahr, Spätburgunder, 12,5 vol%

3 DeutzerhofDer einzige Wein mit Schraubverschluss, und das spürt man auch beim ersten Schluck, denn hier haben sich noch leichte Perlen erhalten. Farblich ist dies hier die helle Variante. In der Nase ähnelt der Wein dem Knipser, obwohl er von komplett anderem Boden stammt: expressiv, Himbeere mit einem stärkeren Erdbeeranklang, insgesamt aber steiniger und weniger duftig. Am Gaumen ist dies das bislang anspruchsloseste Produkt, ziemlich leicht und irgendwie mit einer zumindest geschmacklich spürbaren Fruchtsüße, wenig Tiefe, wenig Körper. Dafür hat der Wein einen gewissen Gerbstoff, wie man es von den Deutzerhof-Weinen ohnehin kennt. Leider nur Platz 6, wirkt ein bisschen so, als wäre er zu früh auf die Flasche gebracht worden.

Wein 4: Friedrich Becker, Pfalz, Spätburgunder, 13 vol%

4 BeckerAls einziger „Kleiner der Großen“ wurde dieser Wein bei den Weinguides nicht angestellt; Friedrich Beckers Portfolio startet da mittlerweile mit dem Spätburgunder „B“. Farblich zur helleren Gruppe gehörend, spüre ich in der Nase neben der Himbeere auch eine Cranberry-rote Johannisbeer-Mischung, und zwar in einer herberen Variante. Auch am Gaumen wirkt der Wein deutlich strenger, also keinesfalls der schmeichelnde Fruchtkleber. Die Säure ist deutlich da, die Knackigkeit gefällt mir, ein bisschen Holzkohle dazu, und ich staune beim Aufdecken wirklich. Diesen Wein hätte ich tatsächlich nach Frankreich geordnet, allerdings eher ins Jura als ins Burgund. Dass wir es hier mit dem zweitgünstigsten Wein im Test zu tun haben, verblüfft noch mehr. Hier will der Wein nicht mehr sein, als er ist. Platz 1.

Wein 5: Ebracher Hof, Franken, Hüttenheimer Tannenberg Frühburgunder, 13,5 vol%

5 GreulichUnser Außenseiter ist gleich ein doppelter: Zum einen hat der Ebracher Hof erst höhere Wein-Ambitionen entwickelt, seit Junior Markus Greulich die Verantwortung übernommen hat – Einträge in den einschlägigen Fachorganen halten sich also noch in Grenzen. Zum anderen handelt es sich um einen Frühburgunder. Der Unterschied zu den anderen Weinen ist dann auch augenfällig: weicher, dunkler und vanilliger in der Nase, am Gaumen zusätzlich mit ganz anderen Fruchtaromen ausgestattet. Die Himbeere ist praktisch gar nicht zu spüren, stattdessen wird es ein wenig bräunlicher, Minze, Schlehe, hohe Viskosität. Schwer zu sagen, ob hier ausschließlich die Rebsorte den Unterschied ausmacht, Platz 5 und die Vermutung, diesen Wein zu früh geöffnet zu haben. Da kann noch mehr kommen.

Wein 6: Rebholz, Pfalz, Spätburgunder S Tradition, 13 vol%

6 RebholzGemeinsam mit dem Wein von Markus Greulich haben wir hier die hochpreisigste Version des Quertests vor uns, 17,50 € habe ich dafür bezahlt. Dennoch gehört der Wein zu den helleren Vertretern seiner Sorte. In der Nase ist die obligatorische Himbeere zu spüren, aber mit einem etwas weniger weichen, ernsthafteren Ansinnen. Am Gaumen wirkt der Wein entsprechend leicht und recht kernig. Die Säure ist natürlich präsent, aber nicht spitz, sondern irgendwie flächig. Die Substanz ist nicht gerade beeindruckend, die Trinkigkeit dafür umso mehr. Am zweiten Tag erscheint der Wein solo noch besser; vielleicht der einzige, der sich an der Luft verbessert, obwohl ich persönlich von Rebholz eine noch konsequentere Machart erwartet hätte. Mein Platz 2.

Weil solche Weine ja nicht unbedingt zum Solotrinken gedacht sind, habe ich danach noch ein paar kulinarische Versuche angestellt. Dabei blieb die Küche allerdings kalt, denn meiner Erfahrung nach begleiten kleine Rote eine Brotzeitplatte eigentlich am besten. Hintereinander mussten sie sich dem Weißen Pressack (= Schwaddemaache für die Pälzer), einem Obatzden und einem Hartkäse (Beaufort Alpage) stellen.

Die Ergebnisse waren erstaunlich unterschiedlich. Während sich der Ahrwein als zu süß für sämtliche Speisen herausstellte, hatten sowohl der Knipser als auch der Greulich in ihrer dunklen „Neuweltart“ gewisse Schwierigkeiten; ich vermute da bei warmen Speisen mehr Harmonie. Der Burgunder passte verblüffenderweise am besten zum Obatzden, gefolgt vom Becker, während der Pressack sowohl beim Becker als auch beim Rebholz die optimale Begleitung darstellte. Mit dem Beaufort kam hingegen kein einziger der Spätburgunder zurecht. Ich habe den Verdacht, dass hier ein trockener Weißer aus der Region eine bessere Figur abgeben würde.

Der Nachtest am dritten Tag bestätigt das Ergebnis zumindest einigermaßen: Deutlich besser ist keiner der Weine geworden, ein halbes Stündchen Luft zu Anfang genügt also. Während der Spätburgunder von Friedrich Becker eher abbaut (ein Durstlöscher für den ersten Tag), wird der Rebholz-Wein samtiger und gewinnt nunmehr auf lange Sicht, der Knipser folgt dahinter.

GläserMein Fazit: Komplett überzeugt von deutschen Spätburgundern bin ich immer noch nicht. Und ich vermute, dass das noch nicht einmal nur mit den Klonen zusammenhängt, wiewohl meine Erfahrung mit hochwertigeren Weinen mich zu dem Schluss kommen lässt, dass die kleinbeerigen Pinot-Klone überzeugendere Ergebnisse liefern. Für die erfrischenden Trinkweine scheint mir hingegen entscheidend zu sein, wie gefällig oder aber kernig der Winzer den Wein machen möchte. Dass man da im selben Anbaugebiet auf ganz unterschiedliche Stile trifft, ist interessant zu sehen. Meine persönlichen Präferenzen könnt Ihr an der Rangfolge jedenfalls ziemlich klar erkennen.

Zwei Dinge frage ich mich allerdings: 1. Entspricht meine Wertung dem allgemeinen Geschmack, oder möchte der deutsche Verbraucher auch aus Deutschland Rotweine à la Markus Schneider haben? 2. Da ich ja auf den kernig-knackigen Rotweingeschmack gekommen bin: Wer in Deutschland legt denn in dieser Hinsicht die größte Konsequenz an den Tag? Ziereisen?

Dieser Beitrag wurde unter Wein abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu Die Kleinen der Großen – Spätburgunder 2010

  1. Jens sagt:

    Hallo Matze!

    Versteh mich bitte jetzt nicht falsch…..aus Deutschland trink ich nur noch Huber!!! Alles andere fällt mir derart auf die Nerven, dass kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Haben erst letztens noch zwei Rote aus Frankreich, einen Saint Romain eines wirklich unbekannten Winzers aus 2003 und einen roten Rully von Jacquesson aus 2010 gegen zwei Weine von Duijn (Laufer gut Alsenhof und was höherpreisiges 09 und 07) getrunken. Dreimal darfste raten, wer das Rennen gemacht hat.

    Die beiden Franzosen vor Ort gekauft lagen bei 12 Euro.

    Grüße Jens

    • Matze sagt:

      Ich weiß auch immer gar nicht, ob es wirklich die Stilvorliebe ist, oder ob manche Weine tatsächlich “besser” sind als andere. Bei vielen Verkostungen quer durchs (deutschsprachige) Internet findet man ja immer wieder Ergebnisse, die zeigen, dass deutsche Spätburgunder zumindest mit den Franzosen mithalten können (wobei natürlich “die Franzosen” auch Quatsch ist, denn dünne Plörre für den Hypermarkt gibt’s da ja auch). Ich weiß noch, als ich vor Jahren mal spaßeshalber einen deutschen und einen französischen Burgunder zusammen getestet hatte. Da hatte ich wirklich noch überhaupt keine Ahnung, und ich hatte mich extrem gewundert, dass der Deutsche dicker und süßer war, der Franzose strenger und schlanker. Dabei hatte ich von den klimatischen Voraussetzungen her genau das Gegenteil vermutet.

      Aber mal schauen. Vielleicht sind die neuen Weine von Chat Sauvage und Stadt Klingenberg (wie von Marc & Christoph auf facebook vorgeschlagen) ja wirklich mal was für den nächsten Quervergleich. Den (oder vielmehr einen) Rully von Jaqueson hab ich schon, die Domaine Bart war mir in der Preiskategorie auch sehr empfohlen worden (ich hab den Bourgogne für 10 € gekauft).

  2. djdadaeus sagt:

    Hallo erstmal,
    mal wieder schön geschrieben.
    Ich muß selber zugeben, meine Erfahrungen mit französischen Pinot noirs sind sehr beschränkt.
    Aber ich mag manche deutsche Vertreter, gerade im Preissegment von um die 10 Euro,
    mein Favorit dabei wäre der Spätburgunder von Stephan Steinmetz(ja mit ph und nicht mit f) von der Obermosel.
    Überhaupt gibt es nach meiner Erfahrung viele kleinere Erzeuger an der Obermosel, die auch güt unter 10 Euro brauchbares mit der Rebsorte abliefern.
    Generell glaube ich ist Späbu aus Deutschland aber derweil echt, vor allem von den Medien, etwas hochgehyped, gerade wenn es um bekannte Erzeuger wie Dujin oder Meyer Näkel geht…

    • Matze sagt:

      Ja, Stephan Steinmetz kann ich mir auch gut vorstellen. Gestern hatte ich übrigens den kleinen 2012er Spätburgunder von Wagner-Stempel im Glas, war auch schön kernig und nicht zu gefällig. Zu der Sache mit dem Hype: Ich glaube, dass viele Konsumenten immer noch sagen: Rotwein ja, aber kein deutscher, und dass deshalb Medien und Marketingmacher stark daran interessiert sind, das zu ändern.

      In einer Studie der Uni Mannheim sagten 61% der Befragten, dass sie am liebsten Rotwein trinken würden, 26% bevorzugten Weißwein (http://www.natuerlichkork.de/fileadmin/Content/Downloads/PDF/Studie_zum_Konsum_von_Wein.pdf). Nun wird aber in Deutschland zu knapp zwei Dritteln Weißwein hergestellt, das heißt, marketingtechnisch müsste man entweder die Konsumenten mehr vom Weißwein überzeugen (damit ihre Wünsche der Produktionsrealität entsprechen) oder man müsste zwar die Konsumentenvorliebe für Rotwein akzeptieren, dafür aber jene auf deutschen Rotwein umlenken. Zumindest partiell.

      • Thomas Riedl sagt:

        Hallo Matthias,
        die guten deutschen Winzer – und damit meine ich nicht nur die im VDP – leiden ja nicht wirklich an Absatzproblemen. Auch wenn die Deutschen im Durchschnitt nur ca. 23 Liter Stillwein im Jahr trinken.
        Da konsumieren Leute wie Du und ich und Deine LeserInnen ja schon mehr. Und wahrscheinlich sind wir es, die es beim Weißwein rausreißen 😉

        Aber was den deutschen Spätburgunder angeht, ja, da scheiden sich die Geister. Vieles ist mir auch zu kompottartig, zu sehr Erdbeermarmelade, überholzt und zu stark angereichert.
        Ich finde, die Rebsorte verträgt nicht mehr als 13,5 % vol. und selten mehr als 30% Neuholz. Darüber wird es mit wenigen Ausnahmen schrecklich, weil die Eleganz weg ist.

        Interessant sind manchmal in bewusster Umkehr Deiner Überschrift “die Großen der Kleinen”.
        Klar, da gibt es nicht die Konstanz über die Jahrgänge, wie bei den sehr bekannten Namen aber doch viel interessantes und angenehm Trinkbares unter 10 Euro.
        Mir fallen spontan ein: http://www.weingut-brenneisen.de, http://www.knabweingut.de und viele Familienweingüter in Baden,
        http://www.weingut-hauck.de, http://www.weingut-pfannebecker.de, http://www.manz-weinolsheim.de.

        Und wenn es um die Großen der Großen geht, dann lohnt der Klick auf “Nur ein paar Verkostungen” https://toaster.wordpress.com unter dem Suchwort “Kraftakt”.
        Es ist nicht alles Gold, was glänzt…

        Beste Grüße!

        • Matze sagt:

          Von denen, die Du aufgezählt hast, kenne ich nur die Spätburgunder von Knab, und da kann ich das absolut bestätigen – allerdings auch beim “Kleinen” 😉 . Den hatte ich vor einem oder zwei Jahren mal gekauft, deutlich unter 10 € und sehr ansprechend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.